Zu viele Menschen stecken in einer Beziehung, die sie nicht vollends erfüllt. Man denkt sich, dass man den Partner liebt, zankt sich aber regelmässig, und es ist ein ständiger Krampf, die Beziehung aufrechtzuerhalten. Anstatt getrennte Wege zu gehen, kämpft man weiter. Man will nicht aufgeben.
Das ist auch recht so, wie Dr. Rebekka Kuhn (34), Paarberaterin beim Verband Paarberatung und Mediation im Kanton Zürich, sagt. «Macht man in einer Beziehung eine schwere Zeit durch – auch wenn die schlechten Zeiten eine Weile überwiegen –, sollte man dennoch die Beziehung nicht gleich aufgeben.» In solchen Situationen merke man, dass die Beziehung nicht so geführt wird, wie man es sich erhofft oder wünscht. Die Mediatorin rät, sich dann zu fragen, ob man selbst etwas nicht recht macht, oder was man gemeinsam anders machen könnte. «Schwere Zeiten sind ein Zeichen dafür, dass man etwas verändern sollte.»
Nur wenn beide weitermachen wollen, lohnt es sich
Eine Beziehung ist Arbeit. Wenn es aber zu einem regelrechten Kampf wird, die Liebe aufrechtzuerhalten, dann sollte man sich fragen, ob sich das Ganze auch wirklich lohnt. In einer Krise sei es wichtig, zu reflektieren, sagt Kuhn. Man sollte sich Fragen stellen: Wofür kämpft man genau? Für eine Beziehung, die beide Partner wollen? Wenn beide es wollen, dann lohnt es sich, nochmals alles zu geben. Dabei müsse man genau hinschauen und seine eigenen Fehler betrachten. «Seinen eigenen Anteil zu analysieren, was man persönlich besser machen könnte, ist ein wichtiger Punkt», so Kuhn.
Wolle der andere Partner die Beziehung nicht mehr, dann lohne es sich nicht mehr, viel Energie zu investieren. Man kämpfe dann gegen etwas, das man eigentlich akzeptieren müsste, führt Kuhn aus.
Richtiges Zuhören
Steckt man in einer Krise, ist ein Punkt besonders wichtig: «Es geht weniger ums Darüberreden als vielmehr ums richtige Zuhören», sagt die Paarberaterin. Es gehe vor allem darum, das Ausgesprochene des Gegenübers einfach mal so stehenzulassen und anzunehmen. Man solle nicht gleich darauf reagieren, sondern wirklich zuhören. «Oft ist die Art, wie ein Paar über die Probleme spricht, nicht die richtige. Sie reden zwar darüber, aber der Weg führt nicht zum Verständnis.»
Weiter rät die Expertin, sich zu fragen, wie man andere Krisen gemeistert hat. Man solle sich fragen, was geholfen hat, aus anderen Problemen rauszukommen. «Es ist häufig so, dass man schon einmal in einer Krise steckte. Mit dem gleichen oder einem andern Partner – was hat man damals getan, um wieder für gute Zeiten zu sorgen?» Die Königsdisziplin wäre laut Kuhn: Wenn man es gemeinsam schafft, die Krise anzuerkennen. Ist man sich zusammen bewusst, dass man in einer Krise steckt und daran arbeiten muss, wäre das die optimale Situation.
Respektlosigkeit und Verachtung
Erst wenn in einer Beziehung tiefgreifende Verletzungen da sind, sollte man über eine Trennung nachdenken. «Wenn etwas immer wieder hochkommt, das sich nicht mehr reparieren lässt», meint Kuhn. Oder aber, wenn es in einer Beziehung viel Verachtung und Respektlosigkeit gibt, ist das ein Zeichen dafür, dass man eine Trennung in Erwägung ziehen sollte. «Hat man den Respekt dem anderen gegenüber verloren, sollte man sich fragen, ob man am richtigen Ort ist.» Hat man Angst vor dem Partner oder seiner Reaktion, sollte man ebenfalls überlegen, was einen noch in der Beziehung hält.
Und auch wenn sich zu gewissen Themen keine Kompromisse finden lassen, ist eine gemeinsame Zukunft schwierig. «Will der eine Partner Kinder und der andere niemals, dann kann das ein Trennungsgrund sein.» In solchen Fällen sei eine Trennung aber meist nicht einfach.
Wie weiter nach einer Trennung
Entscheidet sich ein Partner für die Trennung, der andere würde aber weiterkämpfen wollen, dann fällt das Loslassen besonders schwer. Rebekka Kuhn weiss Rat, wie man als verletzte Person weitermachen sollte.
- Das Akzeptieren ist ein erster Schritt. Denn die erste Phase nach einer Trennung besteht vorwiegend aus dem genauen Gegenteil: der Nichtakzeptanz. «Man realisiert es noch nicht oder will es einfach nicht wahrhaben.» Anschliessend folgt eine Zeit der Wut. Starke Emotionen zeigen sich. Worauf eine Phase der Trauer folgt, in der man realisiert, was man verloren hat, und was man alles vermisst. Erst nach all dieser Zeit gelangt man an einen Punkt, wo man nach vorne schauen und mit dem eigenen Leben weitermachen kann.
- «Das Wissen, dass nach dieser emotionalen Zeit wieder Gutes kommt, kann helfen und Trost spenden», so Kuhn. Auch wenn man es manchmal nicht hören wolle, wie zum Beispiel von Freunden, die sagen, dass die Trauer vorbeigeht, tut es dennoch gut.
- Sich mit anderen über seine Gefühle zu unterhalten, tut gut. «Sich Hilfe zu holen oder auch Tagebuch zu schreiben, hat etwas Heilendes», weiss Kuhn. Die Gedanken auszusprechen oder zu Papier zu bringen – das ist ein wertvoller Rat. Auch in Form eines Briefes an den Ex-Partner, den man nie abschickt, kann das geschehen.
- In der hochemotionalen Phase soll man aufpassen, dass man den Verstand nicht völlig ausschaltet. «Dinge des Ex-Partners zu zerstören oder Hass-Nachrichten zu schreiben, sollte man vermeiden.»