Es fängt mit «Gaggi» an, geht zu «du Blödi» über und landet irgendwann bei Derberem wie «Arschloch» und «Figgdi». Und jedes Mal, wenn Kinder Dinge sagen, die man (offiziell) nicht sagt, zucken Mütter und Väter zusammen. Was habe ich falsch gemacht, fragen sie sich. (Vielleicht im Auto einmal zu viel die Kontenance verloren?) Oder sind andere Schuld daran, dass diese kleinen, reinen Wesen plötzlich schimpfen wie die Rohrspatzen? Die entwicklungspsychologische Beraterin Katja Stäheli (44) von «Elternbildung CH» weiss es.
Katja Stäheli (44) ist seit mehr als zwanzig Jahren im Bereich der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung tätig und leitet die Regionalstelle Deutschschweiz von «Elternbildung CH». Die Zürcherin berät Eltern auf der Basis der Entwicklungspsychologie und bietet auf diesem Gebiet Workshops rund um Entwicklungs- und Erziehungsthemen an. Sie ist Mutter von zwei Kindern im Alter von 9 und 19 Jahren.
Katja Stäheli (44) ist seit mehr als zwanzig Jahren im Bereich der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung tätig und leitet die Regionalstelle Deutschschweiz von «Elternbildung CH». Die Zürcherin berät Eltern auf der Basis der Entwicklungspsychologie und bietet auf diesem Gebiet Workshops rund um Entwicklungs- und Erziehungsthemen an. Sie ist Mutter von zwei Kindern im Alter von 9 und 19 Jahren.
Soll man «Das sagt man nicht» sagen?
«Kinder schnappen Fluch- und Schimpfwörter ja auf, weil sie gesagt werden», sagt Stäheli. Dem widerspreche die Formulierung «Das sagt man nicht». «Kinder müssen lernen, ihre Gefühle zu regulieren. Damit sie das können, muss man mit ihnen über ihre Bedürfnisse und Gefühle sprechen und nicht versuchen, emotionales Verhalten abzuklemmen.» Wenn ein Kind immer wieder ein bestimmtes Fluch- oder Schimpfwort verwende, könne man zum Beispiel versuchen, es in Zusammenarbeit mit dem Kind durch ein Fantasiewort zu ersetzen. «So kann sich das Kind ausdrücken, ohne Gefahr zu laufen, im sozialen Kontext anzuecken.»
Wie reagiere ich richtig, wenn mein Kind vulgäre Wörter verwendet?
- Wenn Kinder aus Unmut fluchen oder ein Elternteil als blöd bezeichnen, darf man das gemäss Stäheli auf keinen Fall persönlich nehmen. «Kinder finden uns auch noch okay, wenn sie wütend sind.» Anstatt gekränkt zu reagieren, könne man zum Kind zum Beispiel sagen: «Ich sehe, du bist rot im Gesicht, laut und wahrscheinlich wütend. Kannst du mir sagen, warum?»
- Wenn jüngere Kinder ein Wort aufschnappen und wiedergeben, das sie inhaltlich nicht verstehen, könne man das ignorieren, sagt Stäheli. Besser etwas Ablenkendes sagen wie: «Schau mal dieser schöne Baum.» Grundsätzlich sei es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass jüngere Kinder noch keine Moralvorstellung haben. «Sie bewerten Fluchen als nichts Negatives, sondern als etwas, mit dem sie eine Reaktion bei ihren Bezugspersonen auslösen können. Je weniger stark diese ausfällt, desto uninteressanter.»
- Bei älteren Kindern komme irgendwann der Punkt, an dem Eltern erklären müssen, was Schimpf- und Fluchwörter inhaltlich bedeuten. «Wenn ich einem Erstklässler vor Augen führe, dass «Figg dini Mueter» eine Aufforderung an jemanden ist, Geschlechtsverkehr mit seiner Mutter zu haben, wird er mit «Ui nein, das ist ja ekelhaft!» reagieren. «So verlieren diese Sprüche an Reiz.»
- Wenn Teenager Dinge zu ihren Eltern oder auch über Personengruppen wie Behinderte sagen, die kränkend sind, müsse man betonen, wie das beim Empfänger ankommt, sagt Stäheli. Im Stil von: «Ich finde das wirklich beleidigend, was du zu mir oder über eine andere Person gesagt hast.» Manchmal sei die Situation so emotional, dass man erst dann auf die Beschimpfung reagieren könne, wenn sich alle etwas beruhigt haben.
Wie sinnvoll ist ein «Fluch-Kässeli»?
Manche Familien stellen in der Wohnung ein «Kässeli» auf, in das Kinder einen kleinen Betrag von ihrem Sackgeld werfen müssen, wenn sie Schimpfwörter verwenden oder fluchen. Auch Erwachsene müssen Geld einwerfen, wenn ihnen etwas «Verbotenes» herausrutscht. «Ich halte solche Bestrafungssysteme nicht für sinnvoll», sagt Stäheli. «Weil sie nicht dazu beitragen, dass Kinder verstehen, warum ihr Verhalten unangebracht ist.» Wenn man das Geld verwende, um einen gemeinsamen Ausflug zu machen, werde aus dem Bestrafungs- ein Belohnungssystem, fügt sie an und gesteht, dass sie für Ihre Kinder auch schon ein «Fluch-Kässeli» aufgestellt hat. «Sie begannen dann extra zu fluchen, damit wir schnell genug Geld für einen Ausflug zusammen hatten.» Es sei wichtig, dass man anspreche, wenn etwas nicht funktioniert, und versuche, mit der ganzen Familie eine Lösung zu finden.
Darf ich meinem Umfeld das Fluchen verbieten?
Oftmals schnappen Kinder Fluchwörter von ihren Eltern auf. Beim Autofahren zum Beispiel. «Eltern können ihren Kindern in so einem Moment zum Beispiel sagen: ‹Das ist mir jetzt herausgerutscht – das kann mir auch passieren, wie du siehst.›» Wenn Eltern in Anwesenheit von ihren Kindern mit einer erwachsenen Person konfrontiert werden, die vulgäre Ausdrücke verwendet, könne man das danach ansprechen gegenüber dem Kind. Im Stil von: «Der hat jetzt aber sehr oft das Wort XY gesagt. Hast du das auch gemerkt?» Daraus kann ein Gespräch entstehen, in dem man nach den Gründen sucht, warum diese Person so spricht. Findet er einfach vieles «blöd» oder ist er «hässig» wegen etwas Bestimmtem? «Ich finde, man darf die Leute auch konfrontieren und etwas sagen wie: ‹Du weisst ja, dass Kinderohren anwesend sind›», sagt Stäheli. Ein bisschen Feingefühl darf man vom Umfeld erwarten.