Darum gehts
- Speedwatching: Erhöhte Geschwindigkeit könnte die Konzentration steigern
- Studien zeigen: Schnelleres Abspielen hat keinen negativen Einfluss auf Lernerfolg
- Bewusster Einsatz ist jedoch nötig, auch um Entschleunigung in den Alltag zu bringen
Die beste Kollegin schickt mal wieder eine viertelstündige Sprachnachricht, in der sie über all ihre Erlebnisse des Tages berichtet. Die Aufzeichnung der Uni-Vorlesung ist einfach immer so lang. Und der Lieblings-Podcast hat eine neue Folge rausgebracht. Wie soll man das alles unterbringen?
Ein Hoch auf die Funktion, Audio und Video schneller abzuspielen! Auf Youtube, Tiktok und Spotify – beinahe überall findet sich die Option, Inhalte mit 1,5-facher Geschwindigkeit oder doppelt so schnell abzuspielen. Es scheint so einfach: Man hört oder sieht sich alles an und spart dabei noch Zeit.
Das ist die Obergrenze
Doch wie sinnvoll ist das Speedwatching eigentlich? Forschungsergebnisse zeigen einen überraschenden Effekt: Eine erhöhte Geschwindigkeit könnte die Konzentration steigern.
Eine Studie, unter anderem verfasst von Zachary I. Merhavy und Lukas Bassett in der Fachzeitschrift «BMC Medical Education», setzt sich mit dem «Einfluss der Abspielgeschwindigkeit von Vorlesungen auf Konzentration und Gedächtnis» auseinander. Die Studienautoren führten Tests bei Studierenden durch, die im Vergleich zur einfachen Geschwindigkeit Vorlesungen auch in 1,5-facher und doppelter Geschwindigkeit konsumierten.
Sie stellten fest: Die erhöhte Geschwindigkeit hatte keinen negativen Einfluss auf den Lernerfolg. Die Konzentration sei genauso hoch, wie beim Abspielen auf normalem Tempo. Auch die Aufnahme ins Langzeitgedächtnis funktioniere ohne Einschränkungen. Die doppelte Geschwindigkeit sei jedoch die Obergrenze.
Diese Geschwindigkeit ist ideal
Weiter fiel auf, dass die Studierenden bei 1,5-facher Geschwindigkeit die grösste Zufriedenheit äusserten. Im Jahr 2020 spielte ein Forscherteam um David Lang von der kalifornischen Stanford University Studierenden Videos mit einfacher und 1,25-facher Geschwindigkeit vor und stellte fest: Studierende, die Inhalte mit höherer Geschwindigkeit konsumierten, erhielten mit grösserer Wahrscheinlichkeit bessere Noten und probierten zudem mehr Inhalte aus.
Das sagt der Neurobiologe
Im Interview mit der «Zeit» erklärt Neurobiologe Martin Korte von der Technischen Universität Braunschweig den Effekt der erhöhten Geschwindigkeit so: «Meine Interpretation ist, dass das schnellere Abspielen die Studenten zwingt, sich besser auf das zu konzentrieren, was sie sehen und hören.»
Weiter ergänzt er, dass das Speedwatching bei Inhalten, die rein auswendig gelernt werden müssen, sinnvoll eingesetzt werden könne. Bei komplexeren Inhalten, wie tiefergehenden Analysen oder Argumentationen, lohne sich die normale Geschwindigkeit, um selbst den Gedanken folgen zu können.
Korte empfiehlt ein bewussteres Entscheiden für Inhalte, die man konsumieren möchte – um der Überfülle an vorhandenen Informationen mit Entschleunigung entgegenzuwirken.