Friedliches Familienfest
So meisterst du heikle Weihnachtssituationen

Weihnachten ist das Fest der Liebe – doch Familienzusammenkünfte bergen oft Trigger für Spannungen und Streit. Eine Expertin für Kommunikationspsychologie erklärt, wie man heikle Themen anspricht, ohne das Fest zu ruinieren.
Publiziert: 11:57 Uhr
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Aktualisiert: 15:06 Uhr
Viele Familien kommen noch Jahre, nachdem die Kinder ausgezogen sind, an Weihnachten bei den Eltern zusammen.
Foto: Getty Images

Auf einen Blick

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Sylvie KempaRedaktorin Service

Weihnachten, ein Fest der Besinnlichkeit? Nicht in allen Familien. Wo viele Menschen zusammenkommen, ist auch das Konfliktpotenzial grösser, und aufgestaute Emotionen lassen sich nicht einfach für einen Abend beiseiteschieben. So kommt es, dass unter dem geschmückten Tannenbaum schon manch ein Streit synchron mit den Kerzen entfacht wurde.

Dabei muss sich niemand verstellen, um das Weihnachtsfest ohne Zoff geniessen zu können. Wie man heikle Themen anspricht und für sich selbst einsteht, ohne das Gegenüber zu verletzen, erklärt Rhetorikexpertin Marie-Theres Braun (41) anhand von fünf Beispielen aus dem echten Leben.

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Wenn erwachsene Kinder nicht mehr zu Hause Weihnachten feiern wollen, wie teilen sie das ihren Eltern schonend mit?

Dass das Gegenüber auf diese Situation mit Enttäuschung reagiert, ist normal. «Das ist lediglich ein Zeichen dafür, dass Sie ihm wichtig sind», betont Marie-Theres Braun. Doch je behutsamer man den Wunsch, die familiäre Weihnachtsfeier auszulassen, formuliert, desto leichter fällt es dem Gegenüber, Verständnis dafür aufzubringen. Drei Bestandteile machen die Botschaft besonders rücksichtsvoll: wertschätzende Worte über vergangene Weihnachtsfeste, eine Erklärung für den eigenen Wunsch nach dem Ausbruch aus der Tradition – zum Beispiel, weil man sich gut erholen kann, wenn man über die Festtage verreist – sowie der Vorschlag einer Alternative. «Wie wäre es, wenn wir stattdessen an Neujahr zusammenkommen?»

Wie kommuniziert ein junges Elternpaar gegenüber den Grosseltern, dass es das Weihnachtsfest neu bei sich ausrichten möchte?

Viele Familien kommen noch Jahre, nachdem die Kinder ausgezogen sind, an Weihnachten bei den Eltern zusammen. Gründet die jüngere Generation eigene Familien, verschiebt sich dieser eingespielte Ablauf. Ist das erste Kind geboren, wünschen sich junge Eltern oft, das Fest neu bei sich zu Hause auszurichten. Dieser Schritt des Loslassens kann für betroffene Grosseltern schwierig sein. «Hilfreich ist hier, wenn junge Familien dieses Anliegen formulieren, ohne bisher Dagewesenes abzuwerten», sagt Braun. «Das Gespräch beginnt man am besten mit einer positiven Beziehungsbotschaft. Man kann betonen, dass man die bestehenden Traditionen in der Familie schätzt und was man an Weihnachten als Kind geliebt hat.» Den Übergang zum eigentlichen Anliegen könne man als Bitte gestalten – dabei jedoch deutlich den eigenen Wunsch äussern: «Jetzt sind wir eine eigene Familie und möchten ein paar Dinge anders gestalten ...»

Marie-Theres Braun ist Expertin für Kommunikationspsychologie und Rhetorik. Sie hat den preisgekrönten Ratgeber «Menschen überzeugen, die Recht haben wollen» geschrieben.

Ein Kind erhält sein erstes Handy geschenkt – ohne Absprache mit den Erziehungsberechtigten. Wie reagieren Eltern auf den Affront, ohne undankbar zu wirken?

In dieser Situation empfiehlt die Expertin für Kommunikationspsychologie eine diplomatische Reaktion – um die weihnachtliche Stimmung nicht zu gefährden. Vorwurfsvolle Sätze wie «Das war aber nicht abgesprochen!» helfen am Abend selbst nicht weiter. «Greift ein Geschenk in die erzieherische Kompetenz der Eltern ein, haben diese zwar jedes Recht, irritiert zu sein. Im Moment selbst müssen sie jedoch die Entscheidung treffen: Möchten Sie Ihrer Wut sofort Ausdruck verleihen oder lieber den Abend schön ausklingen lassen?» Wer Harmonie wählt, kann den Fokus auf die gute Absicht hinter dem Geschenk lenken und die Auseinandersetzung mit folgenden Worten vertagen: «Das ist ein sehr besonderes Geschenk. Lass uns später darüber sprechen, wie wir damit umgehen werden.»

Viele Eltern wünschen sich sinnvolle Geschenke für ihre Kinder. Wie platziert man diese Vorstellung beim Götti, bei der Gotte oder anderen Bezugspersonen, ohne die Schenkenden zu bevormunden?

Dass Eltern ihre Wünsche platzieren, findet Marie-Theres Braun absolut in Ordnung. Damit die Schenkenden sich nicht bevormundet fühlen, schlägt sie Wunschlisten vor, die Spielraum für Individualität lassen: «Es gibt viele Eltern, die ihre Kinder Wunschlisten schreiben lassen und diese dann mit der Familie teilen. Man kann auch selbst eine Liste mit möglichen Geschenken schreiben. Wenn man Platz lässt für Gestaltungsraum – zum Beispiel, welche Farbe oder welche Version eines Spielzeugs ausgewählt wird –, fühlt sich die Liste auch nicht an wie eine Vorgabe.»

Der Kern von konfliktfreier Kommunikation

Ein Patentrezept für konfliktfreie Gespräche gibt es nicht. «Was bei einem bestimmten Menschen in einer bestimmten Situation gut funktioniert, kann beim anderen genau das Gegenteil bewirken», sagt Marie-Theres Braun. «Offenbaren Sie beispielsweise Ihre Gefühle, indem Sie verraten, dass Sie etwas verletzt oder überfordert, weckt das bei der einen Person Empathie, jemand anders reagiert vorwurfsvoll.» Dennoch hilft es, einen Gedanken bei jeder Auseinandersetzung im Hinterkopf zu behalten: «Menschen werden nicht wütend, weil jemand eine andere Meinung hat, sondern eher deshalb, weil sie mit ihrer Meinung nicht gesehen werden. Versuchen Sie deshalb immer, die andere Person zu sehen.»

Ein Patentrezept für konfliktfreie Gespräche gibt es nicht. «Was bei einem bestimmten Menschen in einer bestimmten Situation gut funktioniert, kann beim anderen genau das Gegenteil bewirken», sagt Marie-Theres Braun. «Offenbaren Sie beispielsweise Ihre Gefühle, indem Sie verraten, dass Sie etwas verletzt oder überfordert, weckt das bei der einen Person Empathie, jemand anders reagiert vorwurfsvoll.» Dennoch hilft es, einen Gedanken bei jeder Auseinandersetzung im Hinterkopf zu behalten: «Menschen werden nicht wütend, weil jemand eine andere Meinung hat, sondern eher deshalb, weil sie mit ihrer Meinung nicht gesehen werden. Versuchen Sie deshalb immer, die andere Person zu sehen.»

Wie reagiert man am Abend selbst, wenn man sich verletzt fühlt – aufgrund einer Äusserung beispielsweise?

Hier hilft es, sich einen Notfallplan bereitzulegen. Ein sogenannter «SOS-Automatismus» definiert sowohl den Trigger als auch die anschliessende Handlung. Als Beispiel nennt Marie-Theres Braun den Klassiker, eine wiederholte Auseinandersetzung mit den Schwiegereltern. Der Vorsatz könnte lauten: «Wenn mein Schwiegervater wieder dieses eine Thema anspricht, bei dem wir immer aneinandergeraten, dann atme ich tief durch und höre erst einmal nur zu.» Eine mögliche Strategie wäre auch, Reizthemen gezielt zu umschiffen oder davon abzulenken. «Das bedeutet nicht, dass eine offene Aussprache falsch wäre. Aber um Konflikte zu klären, hat man ja an den restlichen 364 Tagen im Jahr Zeit.»

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