Man könnte meinen, dass so ziemlich jeder gerne Komplimente bekommt. Doch für Leute, die nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen, wird eine solche Situation schnell unangenehm. Sandra Lutz (47), zertifizierter Lifecoach, Mentorin und Co-Dozentin an der Universität Basel, weiss, woran dies liegen könnte: «Bescheidenheit gehört ein Stück weit zu unserer Kultur. Wir sind damit aufgewachsen, deshalb ist es kein Wunder, dass viele Leute erst mal mit einem Fragezeichen reagieren, wenn sie ein Kompliment bekommen.»
Lutz erklärt, wie sich Komplimente auf zwischenmenschliche Beziehungen auswirken und wie man lernen kann, besser damit umzugehen.
Einfach mal Danke sagen
Aufgrund der Verunsicherung, die nach einem ausgesprochenen Kompliment auftritt, beginnen viele Leute, die Verantwortung dafür abzugeben. Eine typische Antwort auf das Kompliment «Du hast eine schöne Bluse an!» lautet zum Beispiel: «Die ist von H&M und war super billig.» Damit möchte der Empfänger des Kompliments die Aufmerksamkeit von sich weg und hin zu etwas anderem lenken.
«Dass man nicht im Rampenlicht stehen möchte, hat oft mit geringem Selbstbewusstsein zu tun», sagt die Expertin. Deshalb lautet ihr Tipp für das nächste Mal, wenn Sie ein Kompliment bekommen: «Einfach mal Danke sagen!»
Lutz ist sich jedoch bewusst, dass dies einfacher gesagt als getan ist. Wer auf Komplimente für gewohnt mit einem Fragezeichen reagiert, dem rät der Lifecoach: «Machen Sie sich bewusst Gedanken darüber, was Sie gemacht oder auch unterlassen haben, um dieses Kompliment zu bekommen.» Diese einfache Technik kann helfen, sich selbst vor Augen zu führen, weshalb man ein Kompliment verdient hat.
Komplimente stärken das Vertrauen
Komplimente sind nämlich wichtiger, als man denkt: «Sie wirken sich sowohl bei der Person, die das Kompliment bekommt, als auch bei der Person, die das Kompliment macht, positiv auf die Gefühlslage aus», so Lutz.
Ausserdem stärke der Austausch von Komplimenten das Vertrauen und die Beziehung zwischen den beiden Parteien.
Laut der Expertin klappt dies jedoch nur, wenn man das Kompliment auch annehmen kann. Ist das Gegenteil der Fall, sei das beinahe respektlos gegenüber der Person, die einem das Kompliment gemacht hat. Lutz führt aus: «Wahrscheinlich kostete es die Person, die uns das Kompliment macht, ebenfalls Überwindung. Denn sowohl das Geben als auch das Bekommen von Komplimenten liegt ausserhalb unserer Komfortzone.»
Nicht jedes Kompliment ist ein gutes
So hat also auch so manch eine oder einer Probleme damit, Komplimente zu verteilen. «Ein häufiger Grund, weshalb man nicht so gut im Machen von Komplimenten ist: Man geht davon aus, dass das Gegenüber schon weiss, wie man über es denkt. Dem ist aber meist nicht so.» Ein ausgesprochenes Kompliment hat laut dem Lifecoach eine viel grössere Wirkung, als man denkt.
Doch liebe Worte sind nicht gleich liebe Worte. Was macht ein gutes Kompliment überhaupt aus? Damit Komplimente auch wertvoll sind und richtig verstanden werden, sollte man laut Lutz möglichst präzise Komplimente machen. Sagt nicht einfach: «Du siehst heute gut aus!» Überlegt euch ein spezifisches Merkmal der Person, das euch an diesem Tag besonders gefällt.
Komplimente sind die beste Motivation
Die Komplimente, die laut Lutz jedoch einen noch grösseren Wert haben, sind diejenigen, die sich nicht auf äussere Merkmale beziehen, sondern zum Beispiel auf etwas, das das Gegenüber erreicht hat. «Vor allem in der Arbeitswelt sind Komplimente, die sich auf die Leistung der Angestellten beziehen, ein wichtiges Tool zur Motivation.» Laut einer Studie hätten Komplimente vom Chef sogar eine ähnliche Wirkung wie ein Bonus.
Ebenfalls ein wichtiger Punkt, den es für besonders wertvolle Komplimente zu beachten gilt, ist die Häufigkeit. «Je mehr jemand mit Komplimenten umher wirft, desto weniger sind diese Wert», weiss die Expertin. Hier gilt also: weniger ist mehr.