Auf einen Blick
Schönheit funktioniert wie Musik: Ein perfekt komponiertes Stück entspricht einfach einem Blatt voller Noten. Erst die Art und Weise, wie die Musik gespielt wird, entscheidet darüber, ob sie unser Herz berührt. Auch menschliche Attraktivität lässt sich an gewissen Merkmalen objektiv festmachen und erforschen. Dennoch nehmen wir anhand subjektiver Kriterien, losgelöst von wissenschaftlichen Massstäben, wahr, was wir als schön empfinden.
Sichtbar wird dies in der aktuellen Liste der 100 schönsten Schweizerinnen und Schweizer der Glückspost. Den ersten Platz belegen Mona Vetsch (49) und Marco Odermatt (27). Die TV-Moderatorin und der Skirennfahrer entsprechen weder dem auf jugendlich getrimmten Schönheitsideal der Modewelt noch dem ästhetischen Perfektionismus von allgegenwärtigen KI-Bildern. Was also macht genau diese beiden Menschen so attraktiv? Und was bringt ihnen ihre Schönheit im Alltag? Psychoanalytikerin und Schönheitsexpertin Prof. Ada Borkenhagen kennt die Antwort.
Frau Borkenhagen, ist Schönheit messbar?
Es gibt gewisse Attraktivitätsmerkmale, die kulturübergreifend gelten. Die Symmetrie von Gesichtszügen gehört dazu. Genauso wie eine makellose Haut oder die ausgewogene Ausprägung von Gesichtszügen.
Am Schönsten ist also, wer ein durchschnittliches, symmetrisches Gesicht hat?
Das stimmt nur bedingt. Wir empfinden diese Merkmale nur als attraktiv, wenn sie nicht überzeichnet sind. Ein absolut symmetrisches Gesicht wirkt unnatürlich, allzu durchschnittliche Gesichtszüge langweilig. Das wussten schon die grossen Maler der westlichen Welt. Raffael etwa, bekannt für seine idealisierten Gesichter, hat gezielt die Kunst der kleinen Unregelmässigkeiten genutzt, um seine Madonnen attraktiver zu machen.
Was macht Mona Vetsch und Marco Odermatt attraktiv?
Das Ranking der Glückspost zeigt: Schaufenster-Attraktivität lässt sich vielleicht messen, aber um jemanden wirklich als schön zu empfinden, braucht es mehr. Die Stimme, die Art des Lächelns, ein freundlicher Umgang und die Nahbarkeit von Personen – das alles spielt eine grosse Rolle.
Tennisass Roger Federer war lange in den Top 10 platziert. In den zwei Jahren nach seinem Rücktritt nicht mehr. Wie lässt sich das erklären?
Bei Männern spielt immer auch der Status eine Rolle. Der Rücktritt aus dem Spitzensport ist eine Statusänderung, dies scheint sich in diesem Ranking abzuziehen. Gerade für Frauen ist der Status von Männern oft wichtiger als das Aussehen.
Frauen lassen sich also weniger durch Schönheit blenden?
Es gibt Studien, die darauf hinweisen, ja. Ein Mann kann fehlende Attraktivität durch Macht und Status ausgleichen, während dies bei Frauen weniger möglich ist. Frauen können ihren Status-Nachteil hingegen leichter durch höhere Attraktivität kompensieren.
Das klingt nach dem Klischee «Chefarzt heiratet Sekretärin». Ändert das moderne Rollenverständnis der Geschlechter daran nichts?
Doch, in westlichen Gesellschaften tut sich schon etwas. Es wird zunehmend innerhalb derselben sozialen Schicht geheiratet. Aber auch da spielt Attraktivität wieder eine wichtige Rolle.
Warum ist diese für Menschen so wichtig?
Nicht nur bei Menschen. Auch in der Tierwelt beeindruckt der Pfau mit dem schönsten Rad das Weibchen mehr als der, dem die Federn gerupft wurden. Unser Sinn für Attraktivität ist evolutionsbiologisch tief in uns verankert. Schöne Haut lässt beispielsweise auf eine gute Gesundheit schliessen. Schönheit ist ein Versprechen von Glück.
Hält sie dieses?
Attraktivität erleichtert gewisse Dinge, die für Glück relevant sind. Schönen Menschen fällt es leichter, soziale Kontakte zu knüpfen. Sie haben dadurch zum Beispiel eher Chancen auf eine Beziehung. Letztlich entscheidet jedoch nicht das Aussehen darüber, ob man in einer Partnerschaft auch glücklich wird. Dennoch gibt es ein wissenschaftlich nachweisbares Schönheitsprivileg.
Die 100 Schönsten der Schweiz – alle Namen, alle Bilder, alle Fakten. Jetzt in der aktuellen Ausgabe der Glückspost am Kiosk oder hier das Heft abonnieren.
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In welchen Bereichen?
Sozialpsychologische Untersuchungen zeigen, dass Attraktivität unser Urteil über eine Person enorm beeinflusst. Es ist fast wie im Märchen: Die Bösen werden als hässlich beschrieben, die Guten sind schön. Ihnen werden Eigenschaften wie Offenheit, Gutmütigkeit und Ehrlichkeit zugeschrieben. In der Folge kriegen sie bereits in der Schule bessere Noten und später höhere Gehälter oder mildere Strafen vor Gericht. Besonders bei Männern führt Attraktivität nachweislich zu besseren Karrierechancen.
Spitzt sich dieser Effekt durch allgemein gegenwärtige KI-Bilder von perfekten Gesichtern noch zu?
Man kann nicht verleugnen, dass diese Bilder unser Schönheitsempfinden beeinflussen und verändern. Eine grosse Modekette hat kürzlich eine ganze Kampagne nur noch mit KI-Models gestaltet. Das ist bedenklich. Denn an ihnen ist alles perfekt, aber nichts realistisch. Auch in den sozialen Medien sind wir mit gestellten und gefilterten Bildern konfrontiert. Besonders junge Menschen neigen dazu, sich damit zu vergleichen – was nachweislich zu Unsicherheit und Unzufriedenheit führt. Dabei sind gerade Sympathie und Anziehung wichtige Faktoren, die über das Äussere hinausgehen.
Liegt Schönheit also weiterhin im Auge des Betrachters?
Das ist so. Und was weiterhin gilt: Ein Mensch, der lächelt, wirkt schön.