Kuriose Studie mit ernstem Hintergrund
Darum können wir uns selbst nicht kitzeln

Andere zu kitzeln, ist kein Problem. Wenn man aber versucht, bei sich Hand anzulegen, will es einfach nicht klappen. Aber warum? Um diese Frage zu klären, haben Forscher ein mathematisches Modell entwickelt. Was erstmal lustig klingt, hat einen ernsten Hintergrund.
Publiziert: 10.02.2025 um 10:42 Uhr
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Aktualisiert: 10.02.2025 um 17:16 Uhr
Mit Kitzeln kann man andere zum Lachen bringen, sich selber aber nicht.
Foto: Getty Images

Auf einen Blick

  • Mathematisches Modell erklärt, warum wir uns nicht selbst kitzeln können
  • Gehirn unterscheidet zwischen internen und externen sensorischen Reizen
  • Zwei Experimente mit Probanden bestätigten die Modellvorhersagen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Es ist vielleicht nicht das grösste Mysterium der Menschheit, warum wir uns nicht selber kitzeln können. Trotzdem haben Forscher genau dieses Phänomen untersucht. Dafür haben sie sogar ein eigenes mathematisches Modell entwickelt, um zu erklären, warum unser Gehirn unterscheiden kann, wer da gerade kitzelt. Also warum es zu einer sensorischen Abschwächung kommt. Das heisst: Wir nehmen einen Fremdkitzler anders wahr als unsere eigenen Versuche. 

Das Modell konnte zeigen, dass unser Gehirn konstant die sensorischen Informationen verarbeitet und dabei stets unterscheidet, ob man selbst der Verursacher ist oder jemand anderes. Das gilt nicht nur für Kitzelattacken, sondern generell für Berührungen, aber auch beispielsweise für die eigenen Schritte oder die eigene Stimme. «Dies erklärt, warum wir uns nicht selbst kitzeln können oder warum wir in einer dunklen Strasse den Schritten einer fremden Person mehr Aufmerksamkeit schenken als unseren eigenen», sagt Studienleiterin Anna-Lena Eckert zum «Deutschen Gesundheitsportal».

«Helfen, psychische Störungen besser zu verstehen»

Zwei unabhängige Experimente bestätigten das Modell. Im ersten strichen Probanden über geriffelte Objekte, wobei kurz vorher ein Vibrationsreiz am Finger präsentiert wurde. Die Wahrnehmung dieses Reizes wurde durch Gehirnvorhersagen beeinflusst – ein Hinweis auf sensorische Abschwächung. Im zweiten Experiment beobachteten Teilnehmer ihre Handbewegungen auf einem Bildschirm, teils aktiv ausgeführt, teils passiv bewegt. Bei aktiven Bewegungen wurde eine eingefügte Zeitverzögerung weniger stark wahrgenommen.

Der lustige Anlass hat einen ernsten Hintergrund. Das Modell kann Psychologen und Psychiatern helfen. Studienleiterin Eckert: «Die Erkenntnisse könnten langfristig dabei helfen, psychische Störungen wie Schizophrenie besser zu verstehen.» Bei Schizophrenie etwa könnte eine veränderte sensorische Abschwächung erklären, warum Betroffene Schwierigkeiten haben, eigene Handlungen korrekt zuzuordnen.

Die interdisziplinäre Studie, die in der Fachzeitschrift «Plos One» erscheint, wurde im Rahmen des Projekts «The Adaptive Mind» durchgeführt. Beteiligt waren Forschungsgruppen der Universitäten Giessen und Marburg aus den Bereichen Psychologie, Psychiatrie und Neurowissenschaften.


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