Wenn Pfusch-Opfer im Spital landen
Missglückte Schönheits-OPs belasten die Krankenkassen

Schweizer Kliniken müssen vermehrt Patienten behandeln, die nach einem kosmetischen Eingriff an Komplikationen leiden. Bezahlt wird das von der Grundversicherung.
Publiziert: 02.10.2022 um 09:46 Uhr
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Aktualisiert: 18.11.2022 um 17:52 Uhr
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Schönheitsoperationen erlebten in der Covid-Krise einen Boom. Nun aber kommt die unschöne Seite dieses Trends zum Vorschein: Schweizer Krankenhäuser verzeichnen einen spürbaren Anstieg an Komplikationen, die auf kosmetische Eingriffe zurückzuführen sind. Auf Anfrage von SonntagsBlick berichten sowohl die Universitätsspitäler in Zürich und Basel als auch die Insel Gruppe in Bern von einer «steigenden Tendenz» in den letzten Monaten und Jahren.
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Schönheitsoperationen erlebten in der Covid-Krise einen Boom. Vermutlich führten die Maskenpflicht und die Anonymität des Homeoffice dazu, dass sich mehr Menschen Fett absaugen, die Nase operieren oder eine Brust-OP durchführen liessen.

Nun aber kommt die unschöne Seite dieses Trends zum Vorschein: Schweizer Krankenhäuser verzeichnen einen spürbaren Anstieg an Komplikationen, die auf kosmetische Eingriffe zurückzuführen sind. Auf Anfrage von SonntagsBlick berichten sowohl die Universitätsspitäler in Zürich und Basel als auch die Insel-Gruppe in Bern von einer «steigenden Tendenz» in den letzten Monaten und Jahren.

Die Insel-Gruppe behandelt jährlich etwa 20 Patienten infolge einer missglückten Schönheits-OP. Das Unispital Basel spricht von 20 bis 30 Fällen. Am Unispital Zürich werden pro Jahr gar 50 bis 60 Patientinnen mit akuten Komplikationen behandelt. Operierte, die mit dem ästhetischen Ergebnis eines Eingriffs nicht zufrieden sind und eine Korrektur wünschen, sind dabei nicht eingerechnet.

Bei welchen Schönheitsoperationen das Risiko für gesundheitliche Folgeprobleme am höchsten ist, vermögen die Spitäler nicht zu bestimmen. «Prinzipiell kann bei jedem chirurgischen Eingriff eine Komplikation auftreten», sagt Nicole Lindenblatt, stellvertretende Klinikdirektorin Plastische Chirurgie und Handchirurgie im Unispital Zürich. Da Brust-OPs und körperformende Eingriffe wie Fettabsaugungen oder Gewebestraffungen am häufigsten seien, behandle man diesbezüglich auch die meisten Patienten mit Komplikationen.

Die Grundversicherung bezahlt

Die steigende Zahl der Pfusch-Opfer treibt die Gesundheitskosten in der Schweiz zusätzlich in die Höhe. Die Insel-Gruppe schätzt, dass sich die Kosten pro hospitalisierter Patientin auf 10'000 bis 20'000 Franken summieren. Übernommen werden diese Kosten in der Regel von der Grundversicherung. Dazu die Chirurgin Lindenblatt: «Die Krankenkasse übernimmt die Behandlungskosten von Komplikationen auch als Folge von ästhetischen Eingriffen – sofern diese einen eigenen Krankheitswert haben.» Dazu gehören zum Beispiel Wundheilungsstörungen, Infektionen, Nachblutungen oder Thrombosen.

Missglückte Schönheits-OPs werden also letztlich von der Allgemeinheit bezahlt. Das klingt stossend, ist für den Krankenkassenverband Santésuisse jedoch eine Selbstverständlichkeit: «Es gehört zu den Grundprinzipien der Krankenversicherung, dass Heilungskosten grundsätzlich bedingungslos – das heisst unabhängig von einem allfälligen Selbstverschulden – bezahlt werden», sagt der Politik- und Kommunikationsverantwortliche Matthias Müller.

Dieses Credo gelte nicht nur für Schönheitsoperationen, sondern auch bei Folgeerkrankungen von Tabak- oder Alkoholkonsum, mangelnder Bewegung oder risikoreicher Freizeitaktivitäten.

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Wie hoch die Gesamtkosten sind, die den Kassen durch Komplikationen nach Schönheitsoperationen entstehen, weiss Müller nicht: «Uns fehlen die Angaben für eine solche Schätzung. Es ist in der Regel aus der Spitalrechnung nicht ersichtlich, ob ein Aufenthalt die Folge einer missglückten Schönheitsoperation ist.»

Pfusch passiert meistens im Ausland

Unabhängig davon würde sich der Santésuisse-Mann wünschen, dass Schönheitschirurginnen und -chirurgen für Fehler haftbar gemacht werden können, die zu Folgebehandlungen führen. «Allerdings dürfte eine direkte Kausalität oft schwer nachzuweisen sein – zumal, wenn die Operation im Ausland erfolgt ist», so Müller.

Wie die Spitäler übereinstimmend berichten, ist das allerdings zumeist der Fall – das Unispital Zürich hat dazu sogar eine Auswertung gemacht. Ergebnis: 80 Prozent der Patientinnen mit akuten Komplikationen sind im Ausland operiert worden, lediglich 20 Prozent in der Schweiz.

Bund und Kantone stehen diesem Sachverhalt einigermassen machtlos gegenüber, meint Müller. Als einzige Möglichkeit, die Zahl der Pfusch-Opfer zu reduzieren, sieht er die Aufklärung der Bevölkerung: «Die Information der potenziellen Kundinnen und Kunden, wonach Schönheitsoperationen in bestimmten Ländern risikoreich sind, könnte helfen.» Aber auch hier stehe man vor dem Problem, dass zunächst bessere Zahlen und Fakten vorliegen müssen.

Bemühungen in diese Richtung gibt es nicht. Beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) scheint sich das Interesse für dieses Thema generell in engen Grenzen zu halten. Auf Anfrage von SonntagsBlick teilt die Behörde mit: «Das BAG beschäftigt sich nur mit Krankheiten, die einen Krankheitswert haben. Schönheitsoperationen gehören nicht dazu, weil sie in den Bereich Lifestyle fallen.»

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