Mit flächendeckendem Schneefall und Temperaturen unter Null Grad hat der Winter in der Schweiz nun auch im Flachland Einzug gehalten. Wir wieder fleissig Wollpullover, Mützen und Daunenjacken aus dem Keller. Der reflexartige Griff nach warmer Kleidung könne aber mehr schaden als nützen, sagt Erich Hohenauer (39), Kälteforscher und Experte für Kältetherapie an der Scuola Universitaria Professionale della Svizzera Italiana (SUPSI) am Standort Landquart GR. Denn: An Kälte könne man sich gewöhnen, und das sei sogar nützlich. «Wer sich bereits jetzt warm einpackt und die Heizung voll aufdreht, der wird später im Winter mehr und schneller frieren.»
Wie kann ich mich gegen Kälte abhärten?
Am einfachsten sei es, sich bereits jetzt täglich kurz der Kälte auszusetzen, sagt Hohenauer. «Am grössten ist die Wirkung, wenn mindestens ein Drittel der Körperoberfläche exponiert ist.» Man könne sich dazu zum Beispiel zehn bis 20 Minuten im T-Shirt draussen aufhalten. Die ideale Lufttemperatur für die Kältegewöhnung variiere dabei von Person zu Person, sagt Hohenauer. «Wichtig ist, aus unserer Komfortzone zu treten: Frieren und zittern sind zentral, wehtun sollte die Kälte aber nicht.»
So passen sich laut dem Experten unser Kälteempfinden und unsere körperlichen Reaktionen schrittweise an die kältere Umgebungstemperatur an. Ausserdem interpretiere unser Gehirn den Reiz der Kälte von Mal zu Mal weniger intensiv. «Erste Effekte der Kältegewöhnung sind bereits nach wenigen Tagen spürbar», sagt Hohenauer. Wichtig sei, dass man die Angewöhnung in regelmässigen und kleinen Schritten vollziehe. «Nachts über mehrere Stunden mit offenem Fenster und ohne Decke zu schlafen, beeinträchtigt unseren Schlaf zu sehr und bringt wenig.»
Der gebürtige Österreicher Erich Hohenauer (39) arbeitet seit fast zehn Jahren als stellvertretender Forschungsleiter an der Scuola Universitaria Professionale della Svizzera Italiana (SUPSI) am Standort Landquart GR. Daneben arbeitet er als Dozent für Physiotherapie an der internationalen Hochschule für Physiotherapie (THIM) in Landquart GR und ist assoziierter Forscher an der Universität Freiburg FR. Er studierte Physiotherapie und promovierte im Bereich Rehabilitationswissenschaften an der Freien Universität Brüssel (Belgien).
Der gebürtige Österreicher Erich Hohenauer (39) arbeitet seit fast zehn Jahren als stellvertretender Forschungsleiter an der Scuola Universitaria Professionale della Svizzera Italiana (SUPSI) am Standort Landquart GR. Daneben arbeitet er als Dozent für Physiotherapie an der internationalen Hochschule für Physiotherapie (THIM) in Landquart GR und ist assoziierter Forscher an der Universität Freiburg FR. Er studierte Physiotherapie und promovierte im Bereich Rehabilitationswissenschaften an der Freien Universität Brüssel (Belgien).
Kann ich auch regelmässig kalt duschen?
«Eine kalte Dusche ist meist sehr unangenehm», sagt Hohenauer. Denn das Wasser komme unter der Dusche ungleichmässig auf die Haut, sodass die Kälterezeptoren immer wieder aktiviert und deaktiviert würden. «Für den Körper bedeutet das eher Stress.» Kalt zu duschen trage zwar auch zur Kältegewöhnung bei, Hohenauer empfiehlt aber, stattdessen zwei bis drei Mal wöchentlich ein kurzes, kaltes Bad zu nehmen – in der Badewanne, im Fluss oder im See. «Im Wasser ist fast unser ganzer Körper der gleichbleibenden Kälte ausgesetzt. Das ist für die Gewöhnung ideal.» Wichtig auch hier: Bereits jetzt anfangen, solange das Wasser noch nicht zu kalt ist. «Sonst riskiert man eine Unterkühlung.»
Wann besteht das Risiko einer Unterkühlung?
«Jede Kältegewöhnung hat Grenzen», sagt Hohenauer. Erreicht unser Körper eine Kerntemperatur von 35 Grad oder weniger, riskieren wir eine Unterkühlung. Solange unsere Muskeln vor Kälte zittern, befinde man sich meist im sicheren Bereich. «Zittern ist ein natürlicher Reflex unserer Muskeln, mit dem wir den Körper durch Bewegung warm halten.» Bei zu tiefer Körpertemperatur – unter 35 Grad – gehe es dem Körper nur noch darum, die lebensnotwendigen Organe am Laufen zu halten. «Wenn der Körper nicht mehr zittert und wir sehr müde und geistesabwesend werden, deutet das auf eine Unterkühlung hin.» So weit komme es aber selten, da wir bereits vor einer eigentlichen Unterkühlung Warnsignale in Form von Kälteschmerzen auf der Haut spüren würden.
Welche Rolle spielt die Psyche?
Es spiele eine grosse Rolle, wie man mental mit der Kälte umgehe, sagt Hohenauer. Der Kortex, das Areal im Gehirn, das Kälte interpretiert und verarbeitet, befindet sich direkt über dem limbischen System. «Dort werden unsere Emotionen verarbeitet.» Zwischen den beiden Hirnarealen finde ein permanenter Austausch statt, sagt Hohenauer. Das heisst: Negative Emotionen über die Kälte haben auch einen Effekt auf den Kortex. Und damit beeinflussen sie direkt, wie unser Hirn Kältesignale interpretiert. Hohenauer: «Umgekehrt helfen uns positive Gedanken, Kälte besser auszuhalten.»
Werde ich durch Kältetoleranz im Winter seltener krank?
«Es gibt Hinweise, dass Menschen, die sich an Kälte gewöhnt haben, sich weniger oft krank fühlen», sagt Hohenauer. Die Forschung deute immer mehr darauf hin, dass bei ausreichender Kältegewöhnung die Entzündungsreaktionen als Folge einer Krankheit weniger stark ausfallen. «Kälteresistente Menschen spüren vermutlich einen grippalen Infekt weniger und fühlen sich darum schneller wieder fit», sagt der Experte. Ausserdem fördere eine regelmässige Kälteexposition die Ausschüttung von Glückshormonen wie Endorphin, Serotonin und Dopamin. «Das trägt dazu bei, dass sich die Menschen besser fühlen.»