Seit der Kindheit wird einem immer geraten, sich warm genug anzuziehen, um bei niedrigen Temperaturen nicht krank zu werden. Kälte ist für uns daher oft eher negativ behaftet. Dabei können sich frostige Temperaturen positiv auf die Gesundheit auswirken. Philipp Bannwart (57), Arzt und medizinischer Leiter bei Medbase Luzern Allmend, erklärt Blick.ch, dass sich dies durch antientzündliche Effekte zeigt: «Durch die Kältetherapie, fachsprachlich Kryotherapie genannt, kommt es zu einer Veränderung der Durchblutung der Muskeln und des Bindegewebes, was Einfluss auf die Entzündungsparameter hat.»
Bisher gibt es laut dem Arzt leider noch nicht viele Studien, die qualitativ überzeugen. «Dabei könnte die Kryotherapie vielen einen gesundheitlichen Nutzen bringen.» Schon während des Studiums begann sich Bannwart für die Auswirkungen der Kältetherapie zu interessieren, als er von einer Patientin mit Multipler Sklerose, einer chronisch-entzündlichen Autoimmunerkrankung, erfuhr, dass sie ihre Krankheit durch tägliches Schwimmen in der Aare kontrollierte – auch bei Schneefall.
Wie wird die Kryotherapie angewendet?
«Es werden zum Teil sehr tiefe Temperaturen von bis zu minus 100 Grad Celsius oder mehr bei der Kryotherapie verwendet, wovon insbesondere Patienten profitieren, die unter Rheuma oder psoriatischen Arthralgien, athritischen Gelenkschmerzen leiden», so Bannwart. Die Anwendungsdauer müsse immer individuell auf den Patienten abgestimmt werden. Bei solch tiefen Temperaturen genügen wenige Minuten der Kältebehandlung. «Was beim einen als schädlich empfunden wird, kann auf den anderen heilend wirken», meint der Mediziner.
Eine gute Art sich an Kältetherapie zu gewöhnen oder um die Durchblutung zu Hause anzukurbeln, seien laut Bannwart Wechselduschen.
Nicht für jeden geeignet
Grundsätzlich sei eine Kältetherapie sehr gut verträglich und auch für ältere Menschen geeignet, verrät der medizinische Leiter von Medbase Luzern Allmend. Für herzschwache Patienten könne der anfängliche Anstieg des Blutdrucks, der durch die niedrigen Temperaturen ausgelöst wird, jedoch problematisch sein. «Eine medizinische Vorabklärung ist zu empfehlen», rät Bannwart.
Ausserdem wirkt die Behandlung mit Minusgraden nicht auf jeden gesundheitsfördernd. Es gebe auch Fälle, in denen diese Therapie sogar eine Verschlechterung hervorruft, warnt der Experte.
So wirkt Kälte auf den Organismus
Durch Gefässverengungen in den Extremitäten schützt der Körper die lebensnotwendigen Organe vor Erfrierungen, wie Bannwart erläutert. So gelange weniger Flüssigkeit ins Gewebe und eventuelle Schwellungen reduzieren sich, während auch Entzündungen verringert werden. Oft trete durch die Kryotherapie eine sofortige Schmerzreduktion auf, wodurch sich Patienten für eine kurze Zeit wieder schmerzfrei bewegen können. «Dadurch benötigen sie weniger Schmerzmedikamente», weiss der Experte.
Die stärkere Durchblutung von grossen Muskelgruppen bei extremer Kälte könne ausserdem dafür sorgen, dass Abbauprodukte schneller abtransportiert werden, wie Bannwart es vereinfacht beschreibt. Deshalb machen auch viele Sportler regelmässig Eisbäder oder Kryotherapie.
Eisbaden aus Überzeugung
Von der heilenden Kraft der Kälte ist auch Eli Vogt (53), Krankenschwester aus Friedrichshafen (D), überzeugt. «Ich fühle mich dadurch fitter und besser, als mit 20 Jahren», berichtet sie. Dabei war sie zunächst nicht von dem neuen Hobby ihres Mannes überzeugt, der seit circa zwei Jahren in eisigen Gewässern schwimmen geht, gesteht sie im Interview mit Bick. Inzwischen gehen die beiden fast jedes Wochenende gemeinsam in den Bergen wandern und dort in den Seen baden.
«Man macht mit dem Eispickel ein Loch in die Eisdecke, falls diese nicht zu dick ist, und steigt in das Wasser. Ich konnte mir das erstmal gar nicht vorstellen, aber von Mal zu Mal ging es besser und inzwischen freue ich mich richtig auf das Eiswasser», sagt Vogt.
Zunächst habe sie es nur einige Sekunden in der Kälte ausgehalten, nun könne sie auch länger in den Bergseen ausharren. Regelmässiges Eisschwimmen härtet ab, fördert das Immunsystem und stärkt auch den Geist, wie die Krankenschwester erklärt. Wim Hof und Josef Köberl, beide bekannte Vorreiter im Eisschwimmen, seien grosse Vorbilder für sie.
Tipps, um in kalten Gewässern zu baden
Vogt und ihr Mann sind froh, das Eisbaden für sich entdeckt zu haben und würden es jedem weiterempfehlen. Dabei sollte man nie alleine im Eis baden gehen und stets eine gute Ausrüstung dabei haben, rät das Paar. Dazu gehören zum Beispiel Eiskrallen, Morgenmäntel, heisser Tee und manchmal sogar ein Seil. Zudem komme es auf eine ruhige, entspannte Atmung an. «Es ist darüber hinaus wichtig, dass man ein gesundes Herz hat. Das sollte man vorher beim Arzt abklären lassen», weiss Vogt.
Durch die Wanderung seien sie immer aufgewärmt, bevor sie ins Wasser gehen, erzählt die Hobby-Eisbaderin. Das sei notwendig, und man müsse zunächst langsam damit anfangen, da es anderenfalls gefährlich werden könnte. Sie selbst dusche zu Hause täglich kalt und sei generell abgehärteter durch das Eisschwimmen. Vogt hofft, dass mehr Menschen die gesunde Wirkung der Kälte für sich entdecken, und schwärmt: «Ich war früher oft erkältet, hatte viele Nasennebenhöhlenentzündungen und brauchte immer wieder Antibiotika – jetzt gar nicht mehr. Man hat das Gefühl, dass das Wasser Körper und Geist reinigt.»
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