Organspende unter Freunden
Neues Leben dank Spender-Niere

Eine Organtransplantation gibt Menschen Lebensqualität zurück. Die Zugerin Eufemia Vignola (48) lebt seit 2018 mit einer Spenderniere, die sie von ihrem Ex-Freund Patrick Odermatt (51) erhalten hat. BLICK erzählt sie ihre Geschichte.
Publiziert: 06.09.2020 um 08:26 Uhr
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Aktualisiert: 03.01.2021 um 12:33 Uhr
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Die Zugerin Eufemia Vignola (48) lebt seit zwei Jahren mit einer Spenderniere.
Foto: Anne Grimshaw
Anne Grimshaw, Moritz Lüchinger

Im Jahr 2014 musste Eufemia Vignola (48) erstmals zur Dialyse. Und ab dann jede Woche dreimal – für vier Jahre. Während Stunden wurde sie jeweils an eine Maschine angeschlossen, die ihr Blut reinigte. Ein kräftezehrender Prozess.

«Danach fühlte ich mich immer erschöpft und müde», erinnert sie sich im Gespräch mit BLICK. Bei einem gesunden Menschen reinigen die Nieren das Blut von Giftstoffen. Fallen die Organe aus, erledigt das eine Dialysemaschine.

Dialysepatienten dürfen ihren Körper im Alltag nicht zusätzlich belasten. Vignola hatte daher einen sehr eingeschränkten Speiseplan und sie musste auch das Trinken begrenzen.

«Ich habe mich nicht gross darum gekümmert»

Dass ihre Nieren irgendwann nicht mehr funktionieren würden, wusste Vignola schon seit ihrem 18. Lebensjahr. Damals wurde bei ihr die Autoimmunkrankheit Lupus diagnostiziert. Das bevorstehende Nierenversagen war in Vignolas Alltag dennoch kein Dauerthema: «Es war lange so weit weg, dass ich mich nicht gross darum gekümmert habe», stellt sie heute fest.

Ganz ausblenden liess sich die Sache aber nicht. Ihr damaliger Lebenspartner Patrick Odermatt (51), ebenfalls aus Zug, bot Vignola bereits vor 15 Jahren an, ihr eine Niere zu spenden. «Ich musste nicht einmal darüber nachdenken» sagt der 51-Jährige. «Für mich war klar, dass ich dieses Versprechen halte, selbst wenn wir nicht mehr liiert sein sollten.»

Und das tat er. Seit nunmehr zwei Jahren lebt Vignola mit der Niere ihres Ex-Partners Odermatt. Dies dürfte noch lange problemlos so weitergehen: Die Lebensdauer einer Niere aus einer Lebendspende wird heute auf mindestens 20 Jahre geschätzt.

Wie viel Risiko ist zumutbar?

Während der Dialyse stand Vignola zusammen mit 1489 weiteren Personen in der Schweiz auf der Warteliste für eine Spenderniere. Tatsächlich transplantiert werden pro Jahr aber nur einige Hundert. Im Jahr 2019 erhielten 332 Personen in der Schweiz eine neue Niere, 108 davon stammen, wie bei Vignola, von einer lebenden Person.

Dennoch zögerte Vignola, als Odermatt den Spenderprozess für sie beginnen wollte: «Es fiel mir schwer, das anzunehmen. Ich wollte ja nicht, dass es ihm danach schlecht geht wegen mir.» Eine nachvollziehbare Angst. Schliesslich unterzieht sich auch der Spender einem körperlichen Eingriff.

Internationalen Zahlen aus dem Jahr 2015 zufolge verlaufen aber praktisch alle Operationen für die Spender gut. Das Sterberisiko liegt zwischen 0.04 und 0.02 Prozent, und in der Schweiz ist seit Beginn der Aufzeichnungen noch nie ein Lebendspender verstorben.

Auf Herz und Nieren geprüft

Nach Rücksprache mit Familien und Partnern entschlossen sich Vignola und Odermatt schliesslich, den Spendeprozess zu beginnen. Über ein halbes Jahr lang durchlief Odermatt dafür verschiedene Checks: Angefangen bei Bluttests, über seine Organfunktionen bis hin zu einer Kontrolle seines Nierengewebes wurde seine Gesundheit buchstäblich auf Herz und Nieren geprüft.

«Hätte für mich als Spender nur das kleinste Risiko bestanden, wäre der Prozess gleich abgebrochen worden», erklärt Odermatt. Doch er ist kerngesund und als Spender kompatibel mit Vignola. Für die beiden keine grosse Überraschung: «Irgendwie hatten wir es im Gefühl, dass das passen würde», erzählen sie.

Auch die Motivation hinter Odermatts Spende wurde von den Zürcher Ärzten gründlich durchleuchtet. Es galt, sicherzustellen, dass er in die Spende nicht aufgrund von Druck von aussen oder materiellen Anreizen eingewilligt hat. Gleichzeitig wurde ihm immer wieder klargemacht, dass er jederzeit einen Rückzieher machen kann. «Sogar als ich schon im OP-Bett lag, wurde ich noch gefragt, ob ich mich umentscheiden möchte», schmunzelt er.

«Eine enge Freundschaft hatten wir schon»

An einem Freitag im November 2018 wurde die Operation schliesslich durchgeführt. Odermatt konnte das Spital bereits am Sonntag wieder verlassen, und drei Wochen später war er wieder bei der Arbeit. Sein Leben wie auch die Freundschaft zu Vignola veränderten sich durch den Eingriff nicht. «Eine speziellere Verbindung durch die Niere haben wir jetzt nicht», findet auch Vignola, «und eine enge Freundschaft war ja vorher schon da.»

Als Empfängerin verbrachte sie einige Wochen mehr im Spital, aber auch bei ihr verlief die Operation glatt. Nun durfte sie endlich wieder ein normales Leben führen, und auch die leidigen Dialysetermine waren Vergangenheit.

Diese Umstellung war anfangs gar nicht so einfach, wie sich Vignola erinnert: «Nach der Entlassung aus dem Spital wollte ich zuerst nicht wirklich aus dem Haus. Ich hatte Angst, mich mit einer Krankheit anzustecken, da mein Immunsystem nach der Operation noch anfällig war», erklärt sie.

Mittlerweile hat sich diese Angst gelegt. Die Abstandsregeln wegen des Coronavirus hält sie sorgfältig ein, grösseren Einschränkungen in ihrem Leben hat sie jedoch keine. Und bis auf wenige Lebensmittel kann sie auch alles wieder Essen. Darüber freut sie sich besonders: «Gleich nach der Operation dachte ich nur noch ans Essen. Alles, was ich wieder essen konnte, habe ich unglaublich genossen.» Diese Wertschätzung hat Vignola bis heute beibehalten.

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