Franz Immer, Direktor Swisstransplant, klärt auf
Organspende – das müssen Sie unbedingt wissen

Jeder Bürger soll Organspender werden, sofern er nicht explizit Nein sagt. BLICK fragte bei den Lesern nach Ihrer Meinung. Hier klärt Franz Immer, Direktor Swisstransplant, die grössten Irrtümer rund um Organspende auf.
Publiziert: 19.03.2019 um 08:56 Uhr
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Aktualisiert: 25.11.2020 um 14:23 Uhr
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Franz Immer, Direktor der Schweizer Stiftung Swisstransplant, klärt die grössten Irrtümer rund um die Organspende auf.
Foto: zVg
Community-Team

Letzte Woche berichtete BLICK über die Organspende-Initiative. Jeder Bürger soll Organspender werden, sofern er nicht ausdrücklich Nein sagt oder die Angehörigen Kenntnis davon haben, dass der Verstorbene nicht spenden wollte. Laut Swisstransplant sterben in der Schweiz fast 100 Patienten jedes Jahr, weil passende Spender fehlten.

Die Reaktionen der Leser waren sehr unterschiedlich. Rund 60 Prozent würden heute bei der Organspende-Initiative Nein stimmen. Viele seien sich noch zu unsicher, wie eine Organspende abläuft.

Wir haben bei Franz Immer, Direktor der Stiftung Swisstransplant, nachgefragt, um die grössten Irrtümer aus den Leser-Kommentaren rund um die Organspende aufzuklären:

«Hirntod gibt es nicht!»

Das Gehirn wird bei hirntoten Patienten nicht mehr durchblutet, wodurch die Hirnzellen absterben. Das Gehirn und seine Struktur sind nicht mehr erhalten. Die restlichen Funktionen des Körpers, wie das Atmen, können zwar künstlich aufrecht erhalten werden, juristisch gesehen wird der Patient aber für tot erklärt.

«Der Organspender ist nach der Organentnahme schwer entstellt»

Die Organentnahme erfolgt in einem sterilen OP-Saal, genau wie eine herkömmliche Operation. Die Wunde wird nach der Organentnahme geschlossen. Optisch erkennt man danach nur eine einfache Narbe.

«Ärzte erklären mehr Menschen für tot, damit sie mehr Organe entnehmen können und mehr Geld verdienen!»

Die Diagnose Hirntod wird von zwei von der Transplantation unabhängigen Medizinern im Vier-Augen-Prinzip nach einem umfangreichen Untersuchungsschema abgesprochen und stehen nicht in Verbindung mit den Transplantationschirurgen. Man kann selber entscheiden, welche Organe man spenden will. Das wird auch zwingend so berücksichtigt. Wenn ein Organ nicht zugeteilt werden kann, da es zu schlecht ist, wird das Organ nicht entnommen.

«Wer Geld hat, bekommt ein Organ, wer keins hat, kommt auf die Warteliste!»

Wenn für ein Organ mehrere Patienten in Frage kommen, werden die Organe nach klaren gesetzlichen Kriterien zugeteilt. Der, der gesundheitlich eher darauf angewiesen ist, bekommt es. Diese Entscheidung ist absolut unabhängig vom finanziellen Aspekt.

«Wer garantiert mir, dass ich keine Schmerzen habe? Die Organentnahme wird ja schliesslich ohne Narkose gemacht!»

Die Organentnahme erfolgt in der Schweiz mit einer Vollnarkose. Das, obwohl das gesamte Gehirn bei einem Hirntod komplett und unwiderruflich ausgefallen ist. Da das Rückenmark noch funktioniert, könnten vom Rückenmark unerwartete Reflexe entstehen. Deswegen wird eine Vollnarkose angewendet. Somit stimmt auch der Mythos, dass man bei einer Organentnahme festgebunden werde, nicht.

«Organspende ist reine Geldmacherei!»

Die ganze Organtransplantation wird allgemeinversichert abgerechnet. Da gibt es also keinen finanziellen Reiz. Betrachten wir zum Beispiel das meistgespendete Organ, die Nieren. Wer unter einem Nierenversagen leidet, der muss dreimal wöchentlich in ein Spital zu einer Nieren-Dialyse, wo eine Maschine Schadstoffe und Abbauprodukte aus dem Blut filtert. Kostenpunkt: rund 80'000 Franken im Jahr. Eine Nierentransplantation kostet rund 58'000 Franken und eine transplantierte Niere funktioniert im Empfänger rund 20 Jahre. Könnten heute rund 500 Patienten mit einer neuen Niere versorgt werden, würde man in 15 Jahren rund eine Milliarde Franken allein im Gesundheitswesen einsparen. Die Lebensqualität der transplantierten Patienten verbessert sich deutlich.

«Meine Organe sind viel zu alt, die kann niemand brauchen!»

Niemand ist zu alt, um Organspender zu sein. Tatsächlich waren letztes Jahr rund 40 Prozent aller Spender über 60 Jahre. Ausgenommen von Menschen, die unter einer aktiven Tumorerkrankung leiden, kann jeder Organspender sein.

Franz Immer, Direktor Stiftung Swisstransplant

Franz Immer ist seit 2008 Direktor der Stiftung Swisstransplant und ein Schweizer Herz- und Gefässchirurg. Swisstransplant ist eine Schweizerische Stiftung für Organspende und Transplantationen. Die Stiftung setzt sich für eine landesweite Förderung von Entwicklung und Koordination der Transplantationen von Organen, Geweben und Zellen sowie das Informieren der Öffentlichkeit über Organspende und die Organtransplantation ein.

Franz Immer ist seit 2008 Direktor der Stiftung Swisstransplant und ein Schweizer Herz- und Gefässchirurg. Swisstransplant ist eine Schweizerische Stiftung für Organspende und Transplantationen. Die Stiftung setzt sich für eine landesweite Förderung von Entwicklung und Koordination der Transplantationen von Organen, Geweben und Zellen sowie das Informieren der Öffentlichkeit über Organspende und die Organtransplantation ein.

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