Auf einen Blick
Ein neuer Wirkstoff weckt Hoffnungen bei Menschen mit Alzheimer und ihren Familien: Lecanemab. Er wird unter dem Namen Leqembi als Medikament verkauft und baut Amyloid-Ablagerungen im Gehirn ab. Diese Ablagerungen gelten als zentraler Faktor bei der Entstehung der Krankheit. Sie treten oft Jahre vor den ersten Symptomen auf und sind eines der frühesten sichtbaren Anzeichen.
Alzheimer heilen könne auch Lecanemab nicht, sagt Demenz-Spezialist Dan Georgescu (59) von den Psychiatrischen Diensten Aargau. «Aber der Verlauf lässt sich bei einem Teil der Betroffenen erheblich verlangsamen, wenn der Wirkstoff früh genug eingesetzt wird.» Eine baldige Zulassung von Leqembi in der Schweiz sei wahrscheinlich. Produziert wird das Medikament für die ganze Welt im solothurnischen Luterbach in einer Anlage des US-Konzerns Biogen.
Doch nicht nur der Preis des Medikaments wirft Fragen auf. Was damit gemeint ist und was du über Leqembi wissen musst, erfährst du hier.
Wie wird der Wirkstoff verabreicht?
Lecanemab wird alle zwei Wochen per Infusion verabreicht, was etwa eine Stunde dauert. In den USA stehe man kurz davor, eine Verabreichung mithilfe eines Pens möglich zu machen, wie ihn Diabetiker oft verwenden, sagt Georgescu. «Das wäre ein Game-Changer.» Ein Pen sieht wie ein Stift aus und ermöglicht es Patientinnen und Patienten, Medikamente ohne professionelle Unterstützung mithilfe einer kurzen dünnen Nadel schmerzlos unter die Haut zu spritzen.
Was kostet die Behandlung?
Laut Georgescu würde das Medikament in der Schweiz jährlich rund 25'000 Franken kosten. Diese Schätzung basiert auf dem Preis in den USA, wo es bereits zugelassen ist und der Preis bei 26'500 Dollar pro Jahr liegt. Zusätzlich fallen Kosten für Untersuchungen und Beratungen an – allein schon, um festzustellen, ob sich eine Person überhaupt für die Behandlung qualifiziert. Nach Beginn der Therapie seien dann drei bis vier Magnetresonanztomografien (MRI) erforderlich, um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder Mikroblutungen frühzeitig zu erkennen. «Insgesamt belaufen sich die Gesamtkosten damit auf etwa 35'000 pro Jahr.» Nach eineinhalb Jahren müsse die Infusion nur noch alle vier Wochen verabreicht werden, und es seien weniger Begleituntersuchungen nötig. «Dadurch könnte sich der Preis ungefähr halbieren.»
Warum wäre eine Zulassung für die Schweiz ein Meilenstein?
Leqembi ist nicht das erste Medikament, das Amyloid-Ablagerungen im Gehirn abbaut, wäre hierzulande jedoch das erste, das aufgrund einer guten Studienlage eine Zulassung erhalten könnte. In Ländern wie den USA, Grossbritannien und Japan ist Leqembi bereits auf dem Markt. Am 14. November 2024 empfahl die Expertengruppe der Europäischen Arzneimittel-Agentur die Zulassung für die EU. Betroffene in der Schweiz und ihre Angehörigen warten nun gespannt auf einen Entscheid der Schweizer Zulassungsbehörde Swissmedic. Er erwarte ihn Mitte 2025, sagt Georgescu.
Diese grundlegenden Fragen stellen sich:
Sollte die Grundversicherung die Kosten für das Medikament übernehmen, wäre dies Teil eines Paradigmenwechsels, der sich zunehmend abzeichne, sagt Georgescu. «Erstmals in der Geschichte der Neuromedizin behandeln wir zunehmend Patienten, die sich erst an der Schwelle befinden zur Entwicklung einer ersichtlichen Krankheit.» Solche Behandlungen wird man in Zukunft wohl noch früher beginnen – also zu einem Zeitpunkt, an dem die Betroffenen noch keine erkennbaren Symptome zeigen. «Ist die Kostenübernahme in solchen Fällen Aufgabe der Krankenkasse? Und falls nicht: Wie fair wäre es, wenn sich die Behandlung nur Wohlhabende leisten könnten?»
Je früher man mit Lecanemab behandelt wird, desto länger lassen sich Symptome hinauszögern. Eine Veranlagung lässt sich mithilfe eines Gentests schon frühzeitig erkennen. Bei manchen Varianten der Krankheit ist das schon vor der Geburt möglich. Ab wann beginnt man also mit einer Behandlung? Das sei nicht nur eine Kosten-, sondern auch eine ethische Überlegung, sagt Georgescu.
Das Medikament darf bei zahlreichen Krankheiten und Veranlagungen nicht abgegeben werden. Dazu gehören Menschen mit bestimmten neurologischen Krankheiten oder psychischen Leiden wie schweren Depressionen. Auch Personen mit erhöhtem Risiko für Hirnschläge bleiben aussen vor. Oder solche, die bestimmte Blutverdünner nehmen müssen. In der Schweiz betreffe das viele, sagt Georgescu. «Aber kann man Menschen von der Behandlung mit einem Medikament ausschliessen, das quasi ihr Schicksal verändern könnte? Vor allem, wenn sie bereit sind, die Risiken auf sich zu nehmen?»
Dan Georgescu (59) ist Leiter und Chefarzt der Klinik für Konsiliar-, Alters- und Neuropsychiatrie. Diese ist Teil der Psychiatrischen Dienste Aargau mit Zentralstandort in Windisch. Georgescu studierte Medizin in Zürich und Bukarest. In der rumänischen Hauptstadt absolvierte er auch ein Studium der Philosophie. Danach liess er sich unter anderem zum Psychiater und Psychotherapeuten ausbilden. Neben seiner ärztlichen Tätigkeit engagierte er sich im Rahmen der nationalen Demenzstrategie und für die Entwicklung von Guidelines in diesem Bereich. Er amtet als Co-Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Alterspsychiatrie und -psychotherapie.
Dan Georgescu (59) ist Leiter und Chefarzt der Klinik für Konsiliar-, Alters- und Neuropsychiatrie. Diese ist Teil der Psychiatrischen Dienste Aargau mit Zentralstandort in Windisch. Georgescu studierte Medizin in Zürich und Bukarest. In der rumänischen Hauptstadt absolvierte er auch ein Studium der Philosophie. Danach liess er sich unter anderem zum Psychiater und Psychotherapeuten ausbilden. Neben seiner ärztlichen Tätigkeit engagierte er sich im Rahmen der nationalen Demenzstrategie und für die Entwicklung von Guidelines in diesem Bereich. Er amtet als Co-Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Alterspsychiatrie und -psychotherapie.
«Ich teste mich nicht auf eine mögliche Alzheimer-Veranlagung, weil ich sowieso nichts dagegen tun kann.» Dieses Argument sei nachvollziehbar gewesen, solange es nur Medikamente zur Symptombekämpfung gegeben habe, sagt Georgescu. Mit Lecanemab sei dieses Argument jedoch nicht mehr gültig. Dennoch bleibe die schwierige Frage: Wie lebt man mit der Sorge, dass die Krankheit eines Tages kommen könnte? «Ich ermutige niemanden, einen Test zu machen», sagt Georgescu. «Das ist eine sehr persönliche Entscheidung, die jeder für sich selbst treffen muss.»