Normalerweise heilt eine Verletzung am Finger oder am Bein nach ein paar Tagen von allein ab. Gelangen allerdings Erreger wie Bakterien in die Wunde, kann sie sich entzünden. Im schlimmsten Fall breiten sich die Bakterien über die Blutbahn im Körper aus. Als Reaktion darauf reagiert das Immunsystem mit einer Entzündung im ganzen Körper. Dann spricht man von einer Sepsis, oft auch Blutvergiftung genannt.
In der Schweiz gibt es jedes Jahr etwa 20'000 Sepsis-Fälle, und 3500 Personen sterben daran. «Hierzulande zählt die Sepsis nach wie vor zu den Haupttodesursachen», sagt Helen Kovari, Infektiologin am Zentrum für Infektionskrankheiten der Hirslanden Klinik Im Park in Zürich. Eine Blutvergiftung könne zum Versagen lebenswichtiger Organe und zum Tod führen. Überlebende können an Langzeitfolgen leiden wie Nervenschäden oder Lähmungen.
Welche Symptome deuten auf eine Sepsis hin?
Fieber, Schüttelfrost und ein starkes Krankheitsgefühl sind typische Zeichen einer Blutvergiftung. Zu weiteren Symptomen gehören ein schneller Puls, eine beschleunigte Atmung, starkes Schwitzen oder Frieren, plötzliche Verwirrtheit und Schläfrigkeit. «Wenn die Blutvergiftung durch eine Wundinfektion ausgelöst wird, ist die Wunde meist eitrig, stark gerötet und schmerzhaft», sagt Kovari. Grundsätzlich könne jede Infektion zu einer Sepsis führen, wenn sie nicht durch das Abwehrsystem in Schach gehalten oder wirksam mit Medikamenten behandelt werde. Neben Wunden können eine Lungenentzündung, Harnwegsinfekte, Entzündungen im Bauchraum oder eine Hirnhautentzündung eine Sepsis verursachen. Auslöser sind vor allem Bakterien.
Wer ist besonders gefährdet?
«Personen mit einem geschwächten Immunsystem oder einer immunhemmenden Therapie haben ein erhöhtes Risiko, an einer Sepsis zu erkranken», sagt Kovari. Dazu gehören unter anderem ältere Menschen, Säuglinge sowie Personen mit chronischen Krankheiten von Herz, Lunge und Nieren. Als Risikofaktoren gelten auch Diabetes und Krebs. Gemäss Expertin sind Menschen, die eine Organ-Transplantation erhalten haben und unter immunhemmender Therapie stehen, besonders gefährdet. Ebenso wie Personen ohne Milz, da ihnen ein Organ fehlt, das wichtige Abwehrfunktionen übernimmt.
Wann handelt es sich um einen Notfall?
Kovari sagt: «In Situationen, in denen sich der Gesundheitszustand einer Person rasant verschlechtert und Verdacht auf eine Sepsis besteht, muss man umgehend medizinische Hilfe suchen.» Bei einer Sepsis handle es sich um einen Notfall. Etwas weniger dringend seien Fälle, bei denen sich eine kleine Wunde an der Hand oder am Bein entzünde, ohne dass weitere Beschwerden wie Fieber, Schüttelfrost oder ein starkes Krankheitsgefühl bestehen. Wer unsicher ist, ob es sich in einem solchen Fall um eine Infektion handelt, solle den Rat des Hausarztes einholen.
Was bedeutet ein roter Streifen, der Richtung Herz wandert?
«Das bedeutet, dass sich die Erreger über das Lymph- und Blutgefässsystem ausbreiten, weil die körpereigene Abwehr die Infektion nicht mehr lokal kontrollieren konnte», sagt Kovari. Es handelt sich um eine Lymphangitis, die zu einer Blutvergiftung führen kann. Allerdings haben nicht alle Sepsis-Patienten eine Lymphangitits. Wer einen verdächtigen roten Strich bemerkt, der sich in der Nähe einer Wunde ausbreitet, sollte sich gemäss Expertin umgehend medizinisch behandeln lassen. Eine Wundinfektion mit Lymphangitis müsse mit Antibiotika behandelt werden.
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Wie kann ich einer Sepsis vorbeugen?
Es sei wichtig, Wunden zu desinfizieren, sagt Kovari. «Dadurch sinkt das Risiko, dass es zu einer Infektion kommt.» Generell seien Hygienemassnahmen zentral, um einer Sepsis vorzubeugen. Dazu zählen neben sorgfältigem Wundschutz regelmässiges und gründliches Händewaschen. Gegen häufige Auslöser einer Sepsis gibt es Impfungen, wie etwa gegen Erreger der Lungenentzündung, Hirnhautentzündung oder gegen Grippe und Covid-19. Zudem ist es gemäss Expertin wichtig, eine Infektionskrankheit wie eine Harnwegsinfektion oder eine beginnende Lungenentzündung entsprechend zu behandeln, damit keine Sepsis entsteht.