Jetzt lassen sich wieder Männer auf der ganzen Welt einen Schnauz wachsen. Es ist «Movember». Eine Mischung aus dem englischen Wort moustache für Schnurrbart und November. Der Aktionsmonat, 2003 in Australien gestartet, weist auf ein drängendes Thema hin: die Gesundheit der Männer und deren psychische Verfassung. Denn: Jede Sekunde nimmt sich irgendwo auf der Welt ein Mann das Leben. In der Schweiz sterben zwei bis drei Männer täglich an Suizid.
Michael Colla, stellvertretender Leiter des Zentrums für Soziale Psychiatrie an der Universitätsklinik Zürich, sagt: «Auch wenn die Zahl der Suizide bei Männern seit 2000 um 25 Prozent gesunken ist, gehört der Suizid immer noch zu den Top-5-Todesursachen bei Männern zwischen 20 und 50 Jahren.»
Die Suizidrate der Männer in der Schweiz ist fast dreimal so hoch wie jene der Frauen. Und dies, obwohl Frauen laut Statistiken häufiger an Depressionen leiden, einer hohen psychischen Belastung ausgesetzt sind und sich in psychologischen Behandlungen befinden. Woran liegt das?
Alkohol statt Therapie
Der Psychiater fasst die Gründe als «tragisches Trio» zusammen. Erstens werden psychische Krankheiten bei Männern weniger oder erst später erkannt. Depression beispielsweise ist eine der drei häufigsten psychischen Männererkrankungen, wird von den Betroffenen aber oft nicht als solche erkannt – weil sie sich nicht typisch ausdrückt. «Während Frauen oftmals die typischen Symptome von Trauer und Antriebslosigkeit aufweisen, neigen Männer in der Anfangsphase häufiger zu Wut, Risikobereitschaft oder Reizbarkeit.»
Dann nehmen Männer seltener Hilfe an. Colla sagt: «Die Bereitschaft der Schweizerinnen, Medikamente wie Antidepressiva oder Beruhigungsmittel zu nehmen, ist grösser als bei den Schweizern.» Ausserdem suchen Frauen zwei Mal häufiger ambulante psychologische Behandlungen auf. Männer greifen stattdessen eher zum Alkohol. Die Folge: Suchterkrankungen sind weit verbreitet.
Hinzu kommt ein Widerspruch: «Der Mann leidet im Stillen. Gleichzeitig macht uns soziale Isolation krank.» Da der Mann vermehrt dazu neigt, sich zurückzuziehen, wenn es ihm schlecht geht, wirkt das verstärkend auf die Erkrankung. Das alles führt laut Colla zu der erhöhten Suizidrate.
Neues Angebot für Männer
Was hilft gegen das Leiden der Männer? Einsicht und Umdenken, findet Colla. «Männer müssen verstehen, dass eine psychische Erkrankung nichts mit Versagen zu tun hat. Das kann jedem passieren.» Dafür brauche es mehr männerspezifische Hilfsangebote. Der Psychiater plant deswegen für nächstes Jahr eine neue Männersprechstunde an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich.
Trotz allem blickt der Arzt hoffnungsvoll in die Zukunft. Er sagt: «Männergesundheit rückt immer mehr in den Fokus.» Das bedeutet mehr Forschung in dem Bereich, woraus unter anderem neue Präventionsmassnahmen entstehen können. Colla hält es für wahrscheinlich, dass die Suizidraten in den nächsten 20 Jahren weiter sinken werden.