Für Schwangere und Immungeschwächte potenziell gefährlich
«Ohrfeigen-Virus» breitet sich in Europa aus

Die Zahl der Parvovirus-B19-Infektionen ist in diesem Jahr in Europa und den USA ungewöhnlich stark angestiegen. Das Virus ist besonders gefährlich für Schwangere und Ungeborene. In der Schweiz wurde bei Gebärenden ein signifikanter Anstieg verzeichnet.
Publiziert: 14.08.2024 um 15:56 Uhr
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Aktualisiert: 15.08.2024 um 10:41 Uhr
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Länder wie Frankreich, Dänemark, Israel oder USA verzeichnen in diesem Jahr einen drastischen Anstieg Parvovirus-B19-Fälle. (Symbolbild)
Foto: Shutterstock
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Marian NadlerRedaktor News

Es war eine dramatische Warnung, die Wissenschaftler des Universitätsspitals Lausanne (CHUV) bereits im Januar an die Öffentlichkeit richteten: Sie warnten vor dem Parvovirus B19. Der Erreger ist für schwangere Frauen und Ungeborene eine Gefahr. Auch Immungeschwächte und Menschen, die an chronischer Blutarmut leiden, sind durch die als Ringelröteln bekannte Krankheit bedroht. 

Seit der eindringlichen Warnung aus Lausanne sind mehrere Monate vergangen. Die Parvovirus-Lage hat sich aber nicht verbessert, im Gegenteil.

Dänemark etwa meldete bis zum 10. April 250 Fälle. Das ist mehr als im gleichen Zeitraum von 2017, als die bisher stärkste Epidemie in Europa registriert wurde. Unter den Erkrankten waren 50 Schwangere, von denen fünf im Spital behandelt werden mussten. Auch in vielen weiteren Ländern, darunter Frankreich, Deutschland, Irland, Israel, die Niederlande und Norwegen, kam es zu einem schlagartigen Anstieg der Fallzahlen. 

Mittlerweile warnt auch die US-amerikanische Gesundheitsbehörde CDC vor dem im Volksmund als «Ohrfeigen-Virus» bekannten Keim. Kommerzielle Labore meldeten einen Anstieg von positiven Tests. Besonders auffällig: Bei den getesteten Kindern im Alter zwischen fünf und neun Jahren war der grösste Anstieg zu verzeichnen, von 15 Prozent zwischen 2022 und 2024 auf 40 Prozent im Juni 2024. Auch bei schwangeren Patientinnen wurde ein Anstieg verzeichnet.

So gefährlich ist das Parvovirus B19

Müssen sich Gebärende in der Schweiz jetzt Sorgen machen? Wie die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) Mitte Mai bekannt gab, wurde in allen Regionen der Schweiz ein deutlicher Anstieg der Fälle von Parvovirus-B19-Infektionen bei schwangeren Frauen festgestellt.

Bei Schwangeren besteht ein erhebliches Risiko für die Gesundheit des Fötus – bis hin zur Fehlgeburt. Die Forscher aus Lausanne und die CDC fordern deshalb mehr Aufklärung über das Virus. Wenn sich eine Frau während der Schwangerschaft mit dem Parvovirus B19 infiziert, kann das Virus die Plazenta durchdringen und den Fötus infizieren. Die am meisten gefürchtete Komplikation ist die «fetale Anämie», die zu schwerwiegenden Komplikationen und sogar zum Verlust des Fötus führen kann. Als Anämie bezeichnet man einen Mangel an Hämoglobin, dem roten Blutfarbstoff. Das Protein ist essenziell für den Sauerstofftransport im Blut. 

Darüber hinaus kann das Parvovirus B19 das Herz-Kreislauf-System des Fötus beeinträchtigen, wodurch sich das Risiko von Herzproblemen nach der Geburt erhöht.

Ringelröteln: Diese Symptome gibt es

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) erklärt auf Anfrage, dass im Fall des Parvovirus B19 keine kontinuierliche Überwachung stattfinde. Dies liegt auch daran, dass viele Infizierte gar keine Symptome zeigen würden. Erwachsene und Kinder, die nicht zur Risikogruppe gehören, spüren bei einer Infektion wenn überhaupt mässiges Fieber, Kopfschmerzen, Schnupfen oder einen Ausschlag an Armen, Beinen und Rumpf. Im Gesicht entwickelt sich zudem die für das Virus typische Rötung der Wangen.

Dennoch hat man beim BAG die Situation im Blick. «Auch wenn es in den meisten Ländern kein spezielles Überwachungssystem gibt, zeigen die verfügbaren Daten, dass diese Anstiege verschiedene Altersgruppen und insbesondere Kleinkinder betreffen», sagt BAG-Sprecherin Céline Reymond zu Blick.

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Ist die Corona-Pandemie schuld an Parvovirus-Epidemie?

Schwangere «sollten den Kontakt mit einer Person vermeiden, die an einer Infektion mit Parvovirus B19 erkrankt ist oder dessen verdächtigt wird», empfiehlt Reymond. «Es gibt keine spezifische Therapie und auch keine Impfung», erklärt die BAG-Sprecherin. Die gute Nachricht: «Wer die Krankheit hinter sich hat, ist für sein ganzes Leben geschützt.» Kommt eine Schwangere trotz aller Vorsicht mit einer Person in Kontakt, die sich mit dem Parvovirus infiziert hat, kann ein einfacher Bluttest Aufschluss darüber geben, ob sie ebenfalls infiziert ist und ob eine Immunität vorliegt. 

Ein möglicher Grund für die plötzliche Explosion der Fallzahlen ist die Pandemie. In Corona-Zeiten zirkulierten auch andere Viren deutlich weniger, darunter das Parvovirus B19. Nach Aufhebung der Schutzmassnahmen verbreiteten sich die Viren wieder verstärkt.

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