Auf einen Blick
Prof. Wegehaupt, wie oft müssen Sie fluoridhaltige Zahnpasten gegenüber Eltern verteidigen?
Prof. Dr. Florian Wegehaupt: Es gab schon immer Eltern, die skeptisch gegenüber Fluorid sind. Die Intensität der Kritik entwickelt sich wellenartig (lacht).
Was sind die häufigsten Kritikpunkte?
Die Angst vor einer Vergiftung ist am zentralsten. Das hat aber auch damit zu tun, dass Fluorid oft mit Fluor verwechselt wird, teilweise sogar in Medienberichten. Das gasförmige elementare Fluor ist tatsächlich hochgiftig. Fluoride sind jedoch Salze der Fluorwasserstoffsäure und nur in grossen Mengen problematisch. Daneben gibt es bezüglich Fluorid aber auch Befürchtungen vor einer Überdosierung, was zu weisslichen Verfärbungen auf den Zähnen, so genannter Dentalfluorose führen kann. Auch vor brüchigen Knochen, der Skelettfluorose, wird teilweise gewarnt.
Gefahren, die Eltern verständlicherweise Angst machen können…
… die aber in der Schweiz schlicht unbegründet ist.
Woher kommen denn die Ängste?
Im Internet findet heute jeder ungefiltert Informationen und Untersuchungen aus der ganzen Welt, die man dann ohne das entsprechende Grundwissen falsch einordnet. So gibt es zwar durchaus Regionen auf der Welt, in denen hohe Fluoridwerte im Trinkwasser ein Problem sind und Dental- und Skelettfluorose zur Folge haben können. Das kann sein, wenn das Wasser zum Beispiel zuvor durch Vulkangestein versickert ist. Diese Gefahr lässt sich aber nicht eins-zu-eins auf die Schweiz übertragen. Auch haben wir strenge Fluorid-Grenzwerte für Trinkwasser.
Was bewirkt Fluorid?
Es hilft auf drei Ebenen gegen Karies. So tragen Fluoride dazu bei, dass sich der Zahnschmelz schneller remineralisiert, wenn er durch Säure beschädigt wurde. Weil die Defekte im Zahnschmelz schneller wieder geschlossen werden, kann Karies weniger schnell entstehen. Gleichzeitig werden Fluoride auch in den Zahnschmelz eingebaut und machen diesen widerstandsfähiger. Und nicht zuletzt ist der Stoffwechsel von Bakterien in der Gegenwart von Fluorid leicht gehemmt, so dass sie schon von Beginn an weniger Säure bilden können.
Wie ist der Erfolg?
Ab den 1960er-Jahren fanden fluoridhaltige Zahnpasten immer mehr Verbreitung, unter anderem über den aufkommenden Prophylaxe-Unterricht in den Schulen. Eine Studie der Universität Zürich hat gezeigt, dass Karies bei Kindern von damals bis zur Jahrtausendwende um 90 Prozent zurückgegangen ist. Früher hatte praktisch jedes Kind bis im Alter von zwölf Jahren bereits Karies. Heute kommt das nur noch vereinzelt vor. Klar wurden auch die Zahnbürsten besser in dieser Zeit, gleich wie die Aufklärung zum richtigen Zähneputzen oder worauf man beim Essen schauen sollte. Rund ein Drittel des Rückgangs wird aber den Fluoriden in Zahnpasten zugeschrieben.
Sind die Ängste von skeptischen Eltern total unbegründet?
Damit ein Kind Vergiftungserscheinungen zeigt, müsste es schon sehr grosse Mengen fluoridhaltige Zahnpasta schlucken. Auch Dentalfluorose aufgrund einer Überdosierung ist in der Schweiz sehr selten. Trotzdem gibt es natürlich Vorsichtsmassnahmen, die es gerade bei Kindern zu berücksichtigen gilt, um keine Überdosierung zu riskieren.
Worauf soll man achten?
Kinder sollten eine ihrem Alter angepasste Kinderzahnpasta verwenden. Diese enthalten nur rund ein Drittel so viel Fluorid wie Zahnpasten für Erwachsene. Das ist in der Schweiz so vorgeschrieben. Ich rate ausserdem von Zahnpasten ab, die intensiv nach Erdbeeren usw. schmecken. Das animiert nur dazu, dass Kinder die Zahnpasta nach dem Zähneputzen herunterschlucken. Natürlich lässt sich das nicht immer verhindern. Deshalb sollte die Zahnbürste nicht überfüllt werden. Ein erbsengrosser Tropfen Zahnpasta reicht aus.
Oder man beginnt erst, wenn das Kind schon älter ist?
Gerade bei kleinen Kindern sind fluoridhaltige Zahnpasten besonders wichtig. Denn sie putzen ihre Zähne häufig noch nicht so sauber, wie Erwachsene. Und auch wenn die Eltern nachputzen, erreicht man oft nicht alle Stellen. Umso wichtiger ist eben der zusätzliche Schutz durch Fluoride.