Besonders schön ist die Anreise mit dem Pendlerschiff: Seit Anbeginn des Zürcher Theaterspektakels im Jahr 1980 ist die Landiwiese am städtischen Seeufer der beschauliche Treffpunkt von internationalen Schauspielgruppen und ihrem Publikum. Grösster Beliebtheit erfreuen sich Aufführungen auf der Seebühne bei der Saffainsel mit Sicht aufs Wasser. Doch ausgerechnet die Seebühne steht dieses Jahr nicht.
Dafür zeigt das Theaterspektakel wie kaum je so viele Produktionen, die das Wasser thematisieren oder gar im See spielen. Es sind allerdings keine feucht-fröhlichen Veranstaltungen, sondern eher poetisch-nachdenkliche Tanz- und Schauspielaufführungen, die Herausforderungen mit und im Wasser aufzeigen – bis hin zur Frage: Was, wenn das Wasser wegbleibt?
Am Ufer
Die US-amerikanische Tänzerin Meg Stuart (57) ist eine alte Bekannte in Zürich: In der Ära von Schauspielhaus-Direktor Christoph Marthaler (70) war sie mit ihrer Gruppe Teil des Theater-Ensembles. Nun kehrt sie für «Waterworks» an die Gestade des Zürichsees zurück und geht dafür eine Zusammenarbeit mit dem jungen Zürcher Kollektiv The Field ein: Im Flachwasser untersuchen sie gemeinsam das Ufer als Übergang von Natur und Zivilisation sowie die Wechselwirkung von Flüssigkeit und festen Körpern.
Meg Stuart & The Field, «Waterworks», 23. bis 26. 8. auf der Saffainsel
Im Teich
«I wet bald lieber niene meh si.» So beginnt Fritz im Kurzstück «Der Teich», dem einzigen bekannten Text auf Berndeutsch des Schweizer Schriftstellers Robert Walser (1878–1956). Die französisch-österreichische Choreografin Gisèle Vienne (46) inszeniert die Geschichte von Fritz, der seine gefühlskalte, desinteressierte Familie durch einen vorgetäuschten Tod durch Ertrinken auf sich aufmerksam machen will, als beklemmendes Kammerstück – ein poetisches Eintauchen mit audiovisuellen Effekten.
Gisèle Vienne, «The Pond/Der Teich», 23. bis 25. 8. im Nord
Unter Meer
«Konzerne erobern die Tiefsee», schreibt das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» im Dezember 2020. Im Frühling darauf kommt es auf hoher See zu einer Konfrontation: Das Schiff Rainbow Warrior III von Greenpeace legt sich im Pazifik mit zwei Schiffen der belgischen Tiefseebergbaufirma Deme an. Das belgische Theaterduo Silke Huysmans (33) und Hannes Dereere (32) arbeitet diese Szene für sein Dokumentartheater auf: Sie interviewten die Besatzungsmitglieder aller drei Schiffe. Das lässt tief blicken, was die Gier der Menschen nach Rohstoffen betrifft.
Silke Huysmans & Hannes Dereere/Campo, «Out of the Blue», 27. bis 29. 8. im Süd
Auf See
Wie tote Fische liegen die Sängerinnen und Sänger grau und reglos mit dem Bauch nach oben im Zürichsee. Die im Titel formulierte Frage «What happens with a dead fish?» (zu Deutsch: Was passiert mit einem toten Fisch?) ist dabei durchaus wörtlich zu nehmen, denn die litauische Künstlerin Lina Lapelytė (38) meditiert in ihrer Chor-Performance über die Vergänglichkeit, konkret über abgelaufene Lebensmittel. Zusammen mit dem Seefelder Kammerchor gestaltet sie einen schaurig-schönen Abgesang auf die Konsumgesellschaft.
Lina Lapelytė, «What happens with a dead fish? (Lake Zurich editition)», 31. 8. bis 4. 9. auf der Saffainsel
Ohne Wasser
Manchmal rückt etwas erst ins Bewusstsein der Menschen, wenn es nicht mehr vorhanden ist. So dachten wir in diesem trockenen Sommer wohl häufiger über Regen nach als üblich. Ähnlich verhält es sich auch in diesem Kindertheaterstück aus Afrika: Die grossen Seen sind einer Wüste gewichen, Flüsse und Bäche ausgetrocknet, selbst der Wassertank auf der Bühne ist leer. Und so stellen sich die «Kinder des Wassers» eben das Nass vor und fragen sich: Lässt sich der Ausgang dieser Geschichte noch umschreiben? Zu hoffen ist es.
Small Citizens, «The Children of Amazi (Kinder des Wassers)», 31. 8. bis 1. 9. im Süd