Es ist das Gefühl dieser «riesen Töfffamily», das Anja Tschopp (27) so beeindruckt. «Ich habe das in keinem anderen Bereich so wahrgenommen: Dieser starke Zusammenhalt und diese enorme Akzeptanz.» Beim Motorradfahren dürfe jeder so sein, wie er ist – egal was er macht oder was für einen Töff er fährt.
Doch nicht alles ist immer heiter Sonnenschein: Auch heute noch begegnet Tschopp typischen Vorurteilen. «Die Leute, vor allem aber Männer, trauen Frauen auf dem Töff weniger zu. Frauen werden in der Töffwelt sehr oft unterschätzt.» Und das egal, ob auf der Maschine oder hinter den Kulissen.
In den letzten Jahren seien unangebrachte Kommentare aber deutlich weniger geworden, so ihre persönliche Wahrnehmung. «Als ich ein Jahr lang während der Weltmeisterschaft an zwölf Rennen mitgereist bin, habe ich die Geschlechterklischees mehr zu spüren bekommen.» Ein bisschen modeln, in Hotpants vor den Boxen stehen und sich fotografieren lassen – diese Aufgaben malten sich laut Tschopp früher viele Männer für Frauen auf dem Rennplatz aus.
Heute gäbe es nur noch wenige deplatzierte Reaktionen darauf, wenn Tschopp jemandem erzählt, dass sie Töff fahre. Oft kämen solche Aussagen dann sowieso von Leuten, die selber gar nicht so viel Ahnung von der Szene haben.
Frauen oder Männer – wer ist besser im Töfffahren?
Stellt sich noch die Frage, ob nun Frauen oder Männer die besseren Fahrer auf Zweirädern sind? «Frauen sind vorsichtiger und Männer neigen eher zum Übermut», so Tschopp. Was am Ende nun besser sei, wisse die passionierte Töfffahrerin nicht recht. Denn schlussendlich brauche es ein gesundes Mittelmass von beidem: «Der nötige Respekt und eine gewisse Vernunft, aber weder Übermut noch Angst – das ist es, was es ausmacht.»
Alles begann mit Instagram
Vor rund vier Jahren war die am Sempachersee aufgewachsene Tochter eines Garagisten Mitgründerin der Community «Girls on Bikes». Auf der Seite sollten Töfffahrerinnen Ratschläge und Aufmunterungen erhalten. «Es ging darum, etwas zu schaffen, wo sich Frauen gegenseitig unterstützen können. Denn es gibt viele Frauen, die gerne Töff fahren würden, sich aber nicht trauen, weil sie glauben, dass es sich um eine reine Männerszene handelt.»
Angefangen hat alles mit einem Instagram-Profil, das innerhalb von drei oder vier Monaten über 17’000 Follower hatte. «Wir machten einfach mal was und hatten keinen so richtigen Plan ausgebaut!»
Die «Girls on Bikes»-Community besteht bis heute weiter, doch Tschopp hat mit zwei andern Mitgründern ein weiteres Baby geschaffen: «The Riders» heisst die neue Plattform, die eine digitale Spielwiese für die Schweizer Töffwelt darstellen soll. Seit letztem Jahr ist die Wahlzürcherin auch Inhaberin einer eigenen Kommunikationsagentur, mit der sie für verschiedene Rennfahrer oder Unternehmen im Motorrad- und Autobereich Marketing betreibt. Dieser Hintergrund nutzt Tschopp auch für «The Riders»: «Es soll eine Art Pilotenplattform sein, wo wir cooles Native Advertising und digitales Marketing für Unternehmen in der Töffbranche anbieten.»
Träume leben
Ziel von «Girls on Bikes» war es, die grösste Schweizer Community für Frauen auf Töffs zu werden. «Und das sind wir in dem Sinn auch geworden», freut sich Tschopp. Mehr Frauen zu Motorradfahrerinnen zu bekehren, das war aber nie ihre Absicht. «Die Leute, die das Gefühl haben, sie würden gerne auf die Maschine steigen, sich aber nicht trauen, die will ich zum Töfffahren bringen.»
Ihr Leben drehe sich zwar rund um die Uhr um Motorräder, doch sie könne ganz gut auch akzeptieren, wenn diese Branche jemanden nicht packt. Wichtig ist der 27-Jährigen einfach, dass die Menschen das machen, was ihnen Spass bereitet und auch mal mutig sind, ihre Träume zu verfolgen und diese zu leben.
Thomas Lüthi als Idol
Ihre Liebe zu schnellen Zweirädern entdeckte Tschopp schon in frühen Jahren: «Ich war zehn, als Tom Lüthi (34) zum ersten Mal auf dem Bildschirm als Töffrennfahrer erschien. Von da an war ich ein grosser Fan und wollte mal ein Rennen live sehen.»
Mit 20 kam dann der grosse Moment und die Tschopp stieg zum ersten Mal auf die Maschine. «Wenige Tage vor der Prüfung brach ich mir dann den Fuss – alles einfach dumm gelaufen.» Es folgten zwei Jahre, in denen Tschopp aufgrund eines abgelaufenen Lernfahrausweises fürs Töfffahren gesperrt war. Vor knapp zwei Jahren hat die leidenschaftliche Motorradfahrerin nun wieder angefangen.
«Dieses Jahr hat es der liebe Petrus leider noch nicht gut gemeint mit uns Töfffahrern», witzelt Tschopp. Ihre Suzuki SV 650, die sie «Champ» nennt, steht aber schon bereit. Eine spezielle Lieblingsstrecke hat die gebürtige Luzernerin nicht. «Es kommt für mich gar nicht so auf die Strecke drauf an, sondern vielmehr auf die Leute, die dabei sind.»
Besonders gern fährt sie jedoch zu ihren Eltern an den Sempachersee. Diese hätte anfangs zwar etwas Angst gehabt, als ihre Tochter sich in Motorräder verliebte, doch mussten sie sich wohl oder übel dran gewöhnen. «Sie hatten keine Wahl», sagt Tschopp lachend. Und fügt hinzu: «Inzwischen finden sie es aber auch cool.»