Mit einem Glühwein in der Hand durch den Weihnachtsmarkt zu schlendern, gehört für viele Menschen zur Adventszeit. Doch auf einen besinnlichen Abend folgt womöglich ein brummender Schädel. Ist es nur Einbildung, oder sorgt Glühwein wirklich für einen besonders starken Kater? Regina Esser (45), Chefärztin für Innere Medizin beim Zentrum für Suchtmedizin Arud in der Stadt Zürich, weiss, ob folgende Mythen über das gewürzte Getränk wahr oder falsch sind.
Glühwein macht schneller betrunken als kalter Wein
Das sei tatsächlich so, sagt Esser: «Zum einen sorgt die Wärme des Glühweins dafür, dass der Magen-Darm-Trakt besser durchblutet wird und sich der Alkohol dadurch schneller im Körper ausbreitet.» Zum anderen fördere der im Glühwein enthaltene Zucker die Aufnahme des Alkohols. Wie schnell jemand betrunken sei, hänge von weiteren Faktoren ab. Zum Beispiel, ob man auf leeren Magen trinke oder wie gut der eigene Körper den Alkohol abbaue. Esser sagt: «Es gibt Menschen, die genetisch bedingt weniger von den für den Alkoholabbau erforderlichen Schlüsselenzymen produzieren». Folglich sind sie schneller beschwipst als andere Menschen.
Glühwein wärmt von innen
Das sei ein Irrglaube, sagt Esser: «Trinkt man einen Glühwein, breitet sich im Körper zuerst ein Wärmegefühl aus, aber mit der Zeit bekommt man eher kalt.» Der Grund sei, dass Alkohol eine gefässerweiternde Wirkung habe und dadurch mehr Blut an die Körperoberfläche fliesse. Dabei entsteht Wärme, die anschliessend über die Haut abgegeben wird. «Das kann für rote, heisse Wangen sorgen, aber innerlich friert man eher.»
Glühwein löst besonders starke Kopfschmerzen aus
«Ausschlaggebend für Kopfschmerzen ist nicht der Glühwein an sich, sondern ein Abbauprodukt des Alkohols», sagt Esser. In der Leber werde Alkohol über ein bestimmtes Enzym zu Acetaldehyd umgewandelt, das Kopfschmerzen und weitere Kater-Symptome wie Übelkeit oder Schwindel verursache. «Acetaldehyd ist sehr giftig und für die krebserzeugende Wirkung von Alkohol verantwortlich.» Im Zusammenhang mit Kopfschmerzen kann es gemäss Expertin einen Unterschied machen, ob man roten oder weissen Glühwein trinkt. «Manche Menschen reagieren besonders empfindlich auf gewisse Inhaltsstoffe wie Histamin, die vermehrt in rotem Wein enthalten sind.» Studien hätten gezeigt, dass Histamin Migräneanfälle auslösen könne.
Zu heisser Glühwein enthält schädliche Stoffe
Wenn man Glühwein über 80 Grad erhitzt, verdampft nicht nur der Alkohol, sondern es entsteht auch das Zuckerabbauprodukt Hydroxymethylfurfural, das krebserregend sein soll. Esser sagt, dass es keine eindeutigen Beweise dafür gebe. «Wissenschaftler vermuten, dass Hydroxymethylfurfural krebserregend ist, weil es zur Familie von chemischen Verbindungen gehört, die krebserregende Eigenschaften haben.» Einen direkten Zusammenhang zwischen dem Zuckerabbauprodukt und Krebs gebe es bisher aber nicht. «Viel bedenklicher ist die krebserregende Wirkung des Abbauprodukts Acetaldehyd, das unabhängig von der Temperatur des Alkohols im Körper freigesetzt wird.»