«Du hast es schön, deine Frau geht arbeiten und du kannst ausschlafen und das Geld ausgeben!» Solche und ähnliche Sprüche muss sich Lorenz Wyler (46) aus Zollikofen BE in seinem Alltag oft anhören. Seit zwölf Jahren ist der ehemalige Organisationsberater Vollzeitpapa. Seine Frau macht Karriere im öffentlichen Dienst und sorgt für das Haushaltseinkommen, während Wyler sich um die Erziehung des gemeinsamen Sohns (13), den Haushalt, einen Hund und zwei Katzen kümmert.
Ein seltenes Familienmodell, wie die aktuellsten Zahlen zu Familien- und Hausarbeit des Bundesamts für Statistik (BFS) bestätigen. In der Schweiz war 2013 in nur rund fünf Prozent der Paarhaushalte hauptsächlich der Mann für die Hausarbeit und die Kinderbetreuung zuständig. Bei drei Vierteln der Haushalte mit Kindern unter 25 Jahren wird die Hausarbeit hauptsächlich von der Frau übernommen.
Haushalt und Erziehung - Sache der Frau?
Den Entschluss, seinen Job aufzugeben und zu Hause zu bleiben, fällte Wyler gemeinsam mit seiner Ehefrau nach dem Mutterschaftsurlaub. «Wir wollten keine Fremdbetreuung für unseren Sohn. Da meine Frau die besseren Karrieremöglichkeiten und das höhere Einkommen hatte, drängte sich dieser Rollenwechsel für uns auf», erzählt er im Interview mit BLICK.
Bereut hat Wyler diese Entscheidung nie. «Ich war nie einer dieser Männer, die ihre Männlichkeit vom Job abhängig machen. Als Mann kann ich alles machen, was Frauen auch können - und umgekehrt.» Der Entscheid, Hausmann zu sein, habe nichts mit fehlenden Alternativen oder mit der Scheu vor der Arbeit zu tun, so Wyler. Diese Werte habe er schon von seinen Eltern vermittelt bekommen, auch wenn er selbst in einer Familie mit klassischer Rollenverteilung aufgewachsen ist.
Die Zahl der arbeitenden Mütter in der Schweiz hat in den letzten acht Jahren massiv zugenommen. Über drei Viertel der Mamas mit Kindern unter vier Jahren sind berufstätig. Die meisten davon arbeiten Teilzeit. Bei den Männern sind es nur 14 Prozent, die für ihre Kleinkinder auf Teilzeitarbeit umsteigen. Die Hausarbeit und Kindererziehung bleibt weiterhin mehrheitlich Sache der Frau oder erfolgt durch Fremdbetreuung.
Für Wyler ist das unverständlich. «Mann sein bedeutet für mich, meine Frau zu unterstützen. Warum soll auch nicht einmal der Mann zurückstehen, um seiner Frau Dinge zu ermöglichen, was klassischerweise die Frau für den Mann macht?»
«Frauen sagen mir, was ich besser machen soll»
Wylers Umfeld sieht das aber nicht immer wie er. Als Hausmann werde er von berufstätigen Männern nicht immer ernst genommen, so der Vollzeitpapa. «Ich glaube, ich bin ihnen durch meine Rolle als Hausmann zu wenig stereotyp, zu wenig männlich.» Auch im Muki-Turnen erlebte er Ausgrenzung. «Die Frauen reagierten komisch auf mich. Als Mann in der Gruppe wurde ich anders wahrgenommen.»
Als Vater wird Wyler immer wieder belehrt. «Frauen wussten oft besser, was meinem Sohn fehlt, als er noch jünger war und geweint hat. Sie gaben mir Tipps, was ich besser machen sollte», erzählt er. «Als Vater reagiere ich vielleicht anders. Wenn mein Kind hinfällt, renne ich nicht gleich hin.» Das habe auf dem Spielplatz schon oft zu negativen Reaktionen von Müttern geführt. «Eine hat mal zu mir gesagt: Es ist dann sicher gut, wenn das Mami wieder zum Kind schaut.»
Engere Vater-Kind-Bindung
Ganz anders reagierte das Umfeld von Stefan Söhle, als er beschloss, Hausmann zu werden. «Ich habe noch keine negativen Reaktionen bekommen. Die meisten finden es super, dass ich für meine Kinder zu Hause bleibe», erzählt er BLICK.
Der 50-Jährige aus Küssnacht SZ ist erst seit kurzem Hausmann. Im Februar dieses Jahres hat er mit seiner Ehefrau, einer Quality-Managerin in der Pharmabranche, die Rollen getauscht und kümmert sich seither um die beiden gemeinsamen Söhne (2 und 8). Die Entscheidung sei ein Prozess gewesen, der sich etwa ein halbes Jahr lang hingezogen habe, so Söhle. «Der Gedanke, nicht zu arbeiten und kein Geld nach Hause zu bringen, war für mich anfangs ungewohnt. Ich musste mich in dieser Rolle erst finden.» Mittlerweile fühlt sich Söhle, der zuletzt als Schulassistent in einer Behinderteneinrichtung für Kinder gearbeitet hat, als Hausmann aber sehr wohl. «Die Bindung zwischen mir und meinen Kindern ist enger geworden», erzählt er. «Ich habe zwar keine Anstellung mehr, aber mein Job ist es, den Haushalt zu machen und für das Wichtigste in meinem Leben zu sorgen: meine Kinder.»
«Frauen müssen ihr Recht einfordern»
In den Schweizer Paarhaushalten arbeiten die meisten Väter Vollzeit und die Mütter Teilzeit. Das zweithäufigste Familienmodell ist ein Vollzeit arbeitender Vater und eine nicht erwerbstätige Mutter.
«Männer hätten die Möglichkeiten, aber viele nehmen sie nicht wahr, weil sie Angst vor dem Verlust ihres Sozialstatus haben,» ist Wyler überzeugt. Es brauche für Väter aber auch bessere Möglichkeiten, wieder in die Arbeitswelt einzusteigen. Er selbst überlegt sich, wieder zu arbeiten, jetzt wo sein Sohn älter ist und er mehr Zeit hat. «Das Angebot der Beratungsstellen ist für mich aber ganz klar auf wieder einsteigende Frauen ausgerichtet. Für mich als Mann funktionieren diese Massnahmen nicht.»
Damit eine klassische Rollenverteilung in Zukunft nicht mehr zwingend Standard ist, müssen Frauen laut Wyler mehr Druck ausüben und ihr Recht einfordern. «Aber sie müssen auch bereit sein, die damit verbundene Verantwortung zu übernehmen», fügt er an. Denn wenn der Mann zu Hause bleibt, muss die Frau für das gesamte Familieneinkommen aufkommen. «Frauen müssen bereit sein, die Konsequenzen zu tragen - mit all ihren Sonnen- und Schattenseiten.»
Ein Edeka-Werbespot stellt Väter als unfähig und inkompetent dar. BLICK hat Väter gefragt, ob auch sie Diskriminierung in ihrer Vaterrolle erleben. Hier finden Sie die Meinungen zusammengefasst.
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