Expertin Marianne Botta rät
«Am Essen wird nicht rumgemotzt – gilt auch für Eltern»

Mit zehn Jahren können Kinder versuchen, allein zu Kochen. Wie das klappt, verrät die Lebensmittelingenieurin und achtfache Mutter Marianne Botta (50).
Publiziert: 26.04.2020 um 11:26 Uhr
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Auch in Sachen Ordnung sei es am einfachsten, wenn man den Jugendlichen seine Vorstellungen vorlebe, sagt die Expertin Marianne Botta.
Foto: pixabay
Barbara Ehrensperger

«Lesen und verstehen, Mengen abschätzen, planen, organisieren – das ist doch eine perfekte Unterrichtseinheit», sagt die Lebensmittelingenieurin und achtfache Mutter Marianne Botta (50) gegenüber BLICK. Botta ist Autorin mehrerer Ernährungsratgeber, unter anderem «Mit Kindern kochen, essen und geniessen». Beim Kochen kann man also mehr lernen als nur das Kochen selbst.

Da müssen Mengen umgerechnet werden, Rezepte mal eineinhalb gerechnet – und plötzlich muss man ein Dreiviertel-Ei in den Teig geben. «Für Teenager eine tolle Herausforderung», sagt Botta. Und wer schon geübt ist, soll sich an ein französisches Rezept wagen oder Scones mit einem englischen Rezept backen.

Ab wann sollen Teenager selber kochen?

«Mit zehn Jahren können viele gut selber am Herd arbeiten. Der Backofen ist – wegen seinen heissen Temperaturen und der meist nicht idealen Höhe – für Teenager heikler», sagt Botta. Das Wichtigste sei: Was traut sich das Kind selber zu? Und dann soll man als Eltern klar signalisieren: «Ich stehe neben dir, wenn du Hilfe brauchst.»

Sobald die Jugendlichen in die Kochschule gehen, sollte man sie auf jeden Fall allein arbeiten lassen in der Küche.

Mit Einkaufen beginnen

Das Kochen beginne mit dem Einkaufen, also dem Schreiben der Einkaufsliste und dem Gang in den Laden. «Meine Kinder gehen mit der Haushalts-EC-Karte einkaufen – und das hat immer ohne Probleme geklappt», erzählt Botta. Es sei wichtig, dass die Kinder wissen, was denn Muffins für die Freundin oder ein Kuchen fürs Schulfest eigentlich kosten.

Die Jugendlichen sollen nun das Rezept genau lesen und in eigenen Worten erklären, was zu tun ist. Anschliessend alles bereitlegen (Mise en place). «Es nervt, einen Kuchen backen zu wollen und dann zu merken, dass etwas fehlt», sagt die achtfache Mutter.

Nicht motzen, Ich-Botschaften und Trösten

Und dann kann es losgehen. «Seien sie präsent – das heisst nicht, dass sie in der Küche sind und überwachen. Sondern, dass sie da sind für Fragen», rät Botta.

Die wichtigste Regel im Botta-Haushalt ist: «Am Essen wird nicht rumgemotzt. Und das gilt auch für Eltern!». So hätten Kinder noch mehr Geschmacksnerven als die Eltern.

Und wenn schon etwas eingegriffen werden muss: nur mit Ich-Botschaften. «Also, ich finde, dass...» und nicht: «Das machst du falsch.» Und wenn etwas schief geht, so findet Botta, soll man auf keinen Fall motzen, sondern trösten – so komme der Kocherfolg bestimmt.

Wenn die Kids die Küche auseinandernehmen

«Haben sie die Nerven und gehen sie raus aus der Küche», rät Botta. Als ihre Tochter mit fünf Freundinnen Muffins backen wollte, musste Botta sich selbst aus der Küche zwingen. «Ich sah Küchengeräte kaputt gehen, den Boden komplett übersät mit Fettflecken», gesteht sie. Aber es sei alles bestens gegangen – und die Muffins waren ein Erfolg.

«Ich bin nicht das Dienstmädchen», hat Botta all ihren Kindern klar gesagt. Wer kocht, räumt auch wieder auf. Kinder sollen nicht nur den schönen Teil des Kochens geniessen, sondern auch erfahren, wie das Aufräumen funktioniert. So lebt die Expertin zu Hause vor allem vor, wie Ordnung einfach geht.

Dass der Ordnungssinn von Eltern und Kindern nicht derselbe ist, soll man aber auch akzeptieren können. Aber in Sachen Hygiene soll man zu keinen Kompromissen bereit sein. Hier helfe es, mit klaren Fragen und Bildern zu arbeiten. «Wie würdest du es finden, wenn du in einem Restaurant isst und merkst, dass der Koch mit den Fieberblasen vorher mit dem Löffel probiert hat und diesen dann nochmals verwendet hat für deine Tomatensauce?»

Neues ausprobieren

Weil sie sich ums Klima sorgen, möchten viele Jugendliche sich vegan ernähren, erzählt Botta. So könne man sich beispielsweise gemeinsam ein veganes Kochbuch kaufen und die Teenager in der Küche diese neuen Rezepte ausprobieren lassen. Beispielsweise mit dem Kochsaft von Hülsenfrüchten, das Aquafaba genannt wird. Es lässt sich wie Eiweiss steif schlagen.

«Und es ist auch absolut in Ordnung, wenn die Kocherei deutlich weniger gesund ist, als man es selbst gerne hätte. Die Teenager sollen etwas anderen machen können!», findet Botta.

So hat sich die Familie Botta ans Kochen von Insekten gewagt. «Das ist etwas verheit…», gibt sie schmunzelnd zu. Jedenfalls weigerte sich der Rest der Familie, zu probieren, als nicht einmal der Hund es essen wollte.

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