Darum gehts
- Dorado, eine fast vergessene Weinspezialität aus Rueda, erlebt ein Comeback
- Oxidation in Glasballons unter freiem Himmel verleiht dem Wein besondere Aromen
- Die Idee mit den Glasballons (Demijohns) stammt allerdings nicht aus Kastilien
Im Dorf Serrada, unter dem weiss-blauen Himmel Kastilien-Léons, stehen Tausende von Glasballons in Reih und Glied. Sie heissen Demijohns und sind Kälte und Hitze, Schnee und Regen ausgesetzt.
Ein Netz schützt sie vor Hagelschlag und neugierigen Vögel. Befüllt sind die Demijohns mit auf 17 Volumenprozent verstärktem Weisswein aus der Sorte Verdejo.
Homöopathische Mengen
Dorado, der Goldene, heisst die fast in Vergessenheit geratene Spezialität der DO Rueda. Doch seit einigen Jahren wird Dorado besonders in der Gastronomie wieder geschätzt. Noch werden nur homöopathische Mengen produziert.
Doch einige grosse Kellereien widmen sich der Spezialität mit ein paar Demijohns zu Versuchszwecken. Ihr Vorbild ist der einzige Betrieb der Region, der die Produktion von Dorado nie eingestellt hat.
350-jährige Tradition
Die Bodega Hijos de Alberto Gutiérrez, kurz «de Alberto», produziert in einem ehemaligen Dominikanerkloster. Die Weintradition wird hier seit 350 Jahren gepflegt. Erst von den Mönchen, dann von weltlichen Besitzern. Tiefe Gewölbekeller, verbunden mit verzweigten Gängen, bieten ideale Voraussetzungen für die Produktion von Weinen, die länger im Keller reifen müssen.
Dorado gibt es in zwei Geschmacksrichtungen: trocken und süss, seco und dulce. Für Dorado seco wird der vergorene Weisswein mit Brandy auf 17 Volumenprozent verstärkt und anschliessend in Handarbeit in die Glasballons (Demijohns) gefüllt. Für Dorado dulce wird die Gärung durch die Brandy-Zugabe gestoppt, die Süsse aus dem Most bleibt erhalten.
Gleicher Pegelstand in jedem Ballon
Ein Demijohn fasst 16 Liter. Damit die Oxidation ihr Werk tun kann, werden die Demijohns nur mit elf Liter befüllt. Eine Messlatte sorgt für den exakt gleichen Pegelstand in jedem Glasballon. Ein Jahr ist der Wein der Witterung ausgesetzt. Die Verschlusskorken sind nur lose aufgesetzt, damit möglichst viel Sauerstoff den Likörwein beeinflusst.
Süsses zu Saurem
Nach der Rosskur unter freiem Himmel kommt der Wein in aufeinandergestapelte Holzfässer (Botas) und wird nach dem Solera-System gepflegt. Drei Jahre dauert der gesamte Prozess. Dann duftet der Wein nach getrockneten Feigen, Nüssen, Caramel und gerösteten Marroni.
Traditionell wird Dorado zu Banderillas serviert. Die Tapas bestehen aus Essiggurken, Zwiebeln, Peperoni und Oliven. Manchmal kommt noch Thunfisch dazu.
Von Fässern zu 100'000 Demijohns
Als die Familie Gutiérrez den Betrieb vor rund 80 Jahren erwarb, wurde Dorado noch in grossen Fässern oxidiert. Das dauerte länger und die Nachfrage konnte weniger schnell gedeckt werden. Den Einsatz von Demijohns entdeckte Gutiérrez im Hinterland der Côte Vermeille in Südfrankreich. Der Likörwein Banyuls oxidiert dort auf diese Art.
In Serrada übernahm man das Verfahren und meldete sogar ein Patent darauf an. 100'000 Demijohns standen in den 1960ern bei de Alberto. Heute sind noch 8000 für eine Produktion von rund 6000 Halbliter-Flaschen im Einsatz. Über den Vorrat an Demijohns ist man bei de Alberto froh. Die Glasballons sind empfindlich und beim Reinigen von Hand gehen ab und zu welche kaputt.
Darum werden die dekorativen Gefässe auch nicht an Touristen verkauft. Sie sind zu wertvoll — und wer weiss, vielleicht haben auch andere Kellereien in Rueda bald einen höheren Bedarf an Demijohns und sind froh um die Bestände von de Alberto.
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Pressereise.