Das Zusammenspiel von Käse und Wein gleicht einer Gratwanderung: Kulinarische Höhenflüge, aber auch herbe Enttäuschungen liegen nah beieinander. Im Interview mit Blick gibt der diplomierte Wein- und Käsesommelier, Armando Pipitone (49) einen Einblick in seine Welt.
Blick: Herr Pipitone, wie sind Sie zu Käse und Wein gekommen?
Armando Pipitone: Als Sommelier hat man viel mit der Kombination von Speisen und Wein zu tun. Irgendwann kommt man zum Käse und stellt fest, dass diese Kombination nicht so einfach ist! Und Anfang der 2000er-Jahre gab es kaum Literatur dazu. Da mich die Komposition von Käse und Wein sehr faszinierte, habe ich mich auf diese Frage spezialisiert.
Was gilt es zu vermeiden?
Grundsätzlich gilt: Jeder Käse hat seinen Wein und jeder Wein hat seinen Käse! Ein häufiger Fehler ist, dass zu viele Aromen aufeinandertreffen. Wenn zu viele aromatische Käsesorten mit einem intensiven Wein serviert werden, können sich die Aromen gegenseitig überdecken. Es ist daher besser, eine begrenzte Anzahl von Käsesorten und Weinpaaren zu wählen. Problematisch ist auch das Zusammenspiel von zu kräftigen Aromen. Beispielsweise kann ein sehr starker Blauschimmelkäse einen leichten Weisswein erschlagen. Ich empfehle, ähnliche Intensitäten von Aromen und Geschmacksrichtungen zu wählen.
Balance ist alles?
Es gibt Aromen, die einfach nicht zusammenpassen. Ein sehr würziger und scharfer Käse kann zusammen mit einem bitteren und säurebetonten Wein unangenehm schmecken.
Welche Fragen sollte ich mir stellen, bevor ich eine Flasche Wein zum Käse auswähle?
Es gibt zwei grundlegende Fragen. Möchte ich die perfekte Wein- und Käsekombination? Dann sollte ich nur einen Wein und einen Käse oder nur eine Käsefamilie kombinieren, sagen wir mal Weichkäse. Wenn ich stattdessen verschiedene Käsesorten geniessen möchte und es mir nicht so wichtig ist, welcher Wein dazu passt, kann ich mehrere Sorten auswählen und mir den Wein entweder vorher oder nachher schmecken lassen.
Ein Käse kann einen Wein ruinieren.
Absolut. Ein Gast hat einmal einen teuren Bordeaux vom Château Ducru-Beaucaillou Jahrgang 2009 bestellt. Als ich mit dem Käsewagen an seinen Tisch kam, wollte er unbedingt einen Ziegenkäse, den Crottin de Chavignol, dazu probieren. Ich habe ihm empfohlen, den Käse allein zu geniessen und den Wein danach weiterzutrinken. Die starke Säure des Käses hätte die Gerbstoffe des Rotweines bitterer werden lassen. Der Gast war mir sehr dankbar und wurde darauf sensibilisiert, dass eben nicht jeder Käse zu jedem Wein passt.
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Sie arbeiten heute im Weinhandel. Wie beurteilen Sie die Käseauswahl in der Schweizer Gastonomie aus der Aussenperspektive?
Ich wünschte mir, dass es in Restaurants und Hotels mehr Käsewagen und bessere Käsesortimente gibt, und zwar nicht nur in der Spitzengastronomie. Die Schweiz ist ein Käseland. Wir sollten dieses wichtige Kulturgut pflegen. Restaurants und Hotels sind wichtige Botschafter in dieser Frage.
Wie sieht es mit dem gängigen Ratschlag aus, Käse und Wein aus der gleichen Region auf den Tisch zu bringen?
Es gibt zwei Arten, wie man etwas geniessen kann: auf emotionale oder auf analytische Weise. Die emotionale Art bedeutet, keine Regeln zu befolgen. Hat jemand etwas besonders gerne, soll er das geniessen. Wenn wir beim Skifahren sind und ein Chäsplättli essen und dazu einen nicht so guten lokalen Weisswein trinken ist das total egal. Hauptsache, die Sonne scheint, wir haben Spass mit Freunden und geniessen die Bergwelt. Aus emotionaler Sicht mag es sicherlich richtig sein, Produkte aus derselben Region zu kombinieren. Aus technischer Sicht ist diese Aussage meistens schwierig.
Ihre grosse Passion ist die Weinbegleitung zu hochwertigem Rohmilchkäse. Verraten Sie uns Ihren Geheimtipp?
Das Schweizer Käsefondue Moitié-Moitié versteht sich mit einem Sauvignon blanc aus Neuseeland, etwa vom Palliser Estate aus Martinsborough, hervorragend.
Auf welche Pairings möchten Sie nicht verzichten?
Ich habe zwei Seelen. Die eine befindet sich im Kanton Solothurn, die andere auf Sizilien. Beginnen wir mit der Solothurner Variante. Ich mag den Schwarzbueb-Käse von der Käserei Reckenkien, ein Bergkäse aus Bergkuh-Rohmilch, der einen Tag lang in der Räucherkammer verweilt. Dazu passt ein Bündner Pinot noir aus dem Weingut von Tscharner perfekt. Fahren wir mit Sizilien fort. Dort gibt es sehr spannende Produkte, die kaum jemand kennt. Ich habe eine Schwäche für den Piacentinu Ennese – ein Schafkäse, der mit Safran gewürzt wird und aus der Provinz Enna stammt. Dazu passt der Vigna San Francesco, ein im Barrique ausgebauter Chardonnay von der Tenuta Tasca, auch aus Sizilien. Einfach himmlisch!