Skandal!
Weinbetrug – Wenn mehr Geld als Verstand im Spiel ist

Der pandemiebedingte Anstieg der Online-Verkäufe hat zu mehr gefälschten Weinflaschen geführt. So können Experten sie erkennen.
Publiziert: 02.12.2021 um 13:59 Uhr
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Aktualisiert: 11.01.2022 um 15:14 Uhr
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Ist da wirklich auch drin, was drinnen sein sollte?
Foto: Getty Images/Tetra images RF
Shirley Amberg

Der Weinfälscher Rudy Kurniawan (45) hat mit seltenen Weinen ein riesiges Vermögen angehäuft. 2014 wurde er in den USA als erster Mensch wegen Weinbetrugs verurteilt. Bis November 2020 sass er seine Haftstrafe ab und wurde anschliessend zurück in sein Heimatland Indonesien abgeschoben.

Kurniawan, alias «Dr. Conti», benannt nach seinem lukrativen Handel mit Domaine de la Romanée Conti, verkaufte zwischen 2004 und 2012 gefälschte Weinflaschen und machte damit Millionen. Die meisten verkaufte er über Auktionshäuser wie Acker Merrall & Condit, die allein in zwei Auktionen Kurniawans Flaschen im Wert von 35 Millionen US-Dollar verkauften. Seine Geschichte wurde in der Dokumentation «Sour Grapes» verfilmt.

Weinbetrug ist erst seit den Schlagzeilen um Kurniawan ein Thema und auf dem Radar der Weingeniesser. In der Weinbranche kennt man es allerdings schon länger – und es ist verbreiteter als den meisten bewusst ist.

Weinbetrug wird auf drei Milliarden Dollar geschätzt

Die Pandemie bietet gute Gelegenheit für Betrüger: Der Anstieg des Online-Verkaufs von edlen Gewächsen und das Fehlen von Kontrollen aufgrund Reisebeschränkungen, Schliessungen und Entlassungen in allen Branchen, spielt den Weinfälschern in die Hände.

Die normalen Präventivmassnahmen können nicht mehr immer wie gewohnt durchgeführt werden. Mit dem Wachstum des Online-Einkaufs und den Wein-Sammlern, die einfach nur kaufen möchten, ohne Beziehungen zum Winzer oder Weinverkäufer aufzubauen, entsteht eine Lücke, die leider oft von Fälschern gefüllt wird.

Echte Flaschen erkennen

Experten haben sich über die Jahre Datenbanken mit Details zu Wasserzeichen, Tintenfarben, Papierstilen und Grafiken aufgebaut.

Wie Detektive verwenden sie Werkzeuge wie UV-Taschenlampen, um Klebstoffe und Papierfasern in den Etiketten zu erkennen und wissen, wann, wo und wie bestimmte Materialien verwendet wurden – oder eben auch nicht.

Etiketten bieten eine Fülle von Informationen, von der Farbgebung über die Papierzusammensetzung bis hin zur Anbringungsweise. Eine UV-Taschenlampe erkennt und beleuchtet «ultraweiss», eine 1957 eingeführte Papierkomponente; wenn Ihre 1947er Cheval-Blanc-Flasche also aufleuchtet, haben Sie eine Fälschung in der Hand.

Etiketten, die zu perfekt verfärbt oder auf seltsame Weise abgerieben sind, sind ebenfalls verdächtig. Da Tabak, Kaffee und Tee bevorzugte Färbemittel sind, können zweifelhafte Etiketten beschnuppert werden.

Experten verwenden auch eine gute Lupe, um die Texturen der Etikettentinte zu untersuchen: Damit kann der Qualitätsunterschied zwischen einer Briefplattendruckmaschine (scharfe, feine Linien), welche die meisten Prestigehersteller verwenden, und einer Punktmatrix (unscharfe Kanten und Spritzer), die von gängigen Druckern hergestellt werden, erkennen.

Weinwissen hilft

Auch die Flaschen selbst sind aussagekräftig: von der Produktionsart über die Farbe, Markierungen und Prägungen bis hin zu den Korken. Auf dem 1945er Mouton ist keine Flaschengrösse auf der Flasche eingeprägt? Sehr verdächtig.

Auch an die Weingesetze muss man denken: Was kann beispielsweise mit einem Grand Cru Saint-Émilion 1953 nicht stimmen? Diese Bezeichnung wurde erst 1954 eingeführt!

Schamhafte Sammler

Die grösste Schwierigkeit ist es, die gefälschten Weine der Sammler zu erwischen: Nur die wenigsten wollen zugeben, dass sie betrogen worden sind – denn «mehr Geld als Verstand» ist eine Kombination, die seit jeher von edlen oder angeblich edlen Weinen angezogen wird.

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