Am 14. August 2023 ist es wieder so weit: Die Expovina Wine Trophy zeichnet herausragende Weine aus.
Im Laden erkennt man die prämierten Flaschen an den Medaillen auf dem Etikett. Doch wie viel Arbeit und Aufwand stecken dahinter? Ich wollte es genau wissen und durfte mich an einem der drei Beurteilungstage mitten ins Geschehen begeben.
Im Zürcher Technopark verbergen sich hinter einer schweren Tür unzählige Kühlschränke. Darin reihen sich schwarz eingepackte, perfekt temperierte Weinflaschen aneinander. Bereits hier wird klar: Die Organisatoren überlassen kein Detail dem Zufall. Das ist notwendig, denn die Normen der Internationalen Organisation für Rebe und Wein (OIV), die den Ablauf der Blinddegustation und die Objektivität der Ergebnisse sicherstellen, sind streng. Dazu gehört unter anderem, dass jeder zur Verkostung bestimmte Wein mehrere Nummern erhält, um jegliche Rückschlüsse auf den Produzenten zu vermeiden. Deshalb werden auch die Kapseln von den Flaschen entfernt. Ein logistischer Kraftakt ist nötig, bis die 1580 Weine aus 21 Ländern einzeln zu den 120 Juroren im Nebenraum gelangen.
Dort herrscht an den Tischen höchste Konzentration. Die fünf Expertinnen und Experten pro Gruppe evaluieren jeden Wein nach einem zwölfteiligen Bewertungsschema, das unter anderem Farbe, Geruch, Geschmack und Harmonie umfasst. In einem elektronischen Tablet vergeben alle für sich Punkte für jede Probe, maximal 100. Der Tischsekretär teilt das durchschnittlich erzielte Ergebnis des soeben verkosteten Weins mit. Werden grössere Abweichungen von 10 Punkten oder mehr in der Bewertung festgestellt, folgt eine Diskussion, damit ein ausgewogenes Gesamturteil gefällt werden kann.
Blick-Weinredaktorin Isabelle Thürlemann-Brigger hat mit dem Mann gesprochen, der an dem Anlass alle Fäden fest in der Hand hält: Ivan Barbic, technischer Leiter, Co-Jurypräsident und Master of Wine.
Blick: Herr Barbic, sind Weinprämierungen ein Erfolgs- oder ein Auslaufmodell?
Ivan Barbic: Das Modell der Weinprämierung mag zwar alt sein, aber es ist keineswegs einAuslaufmodell. Die Entwicklung in der Schweiz zeigt, dass die Zahl der Weinprämierungen steigt. Die Expovina Wine Trophy war die erste internationale Weinprämierung hierzulande. Es finden mittlerweile Prämierungen mit verschiedenen Schwerpunkten statt, die sich unter anderem auf Schweizer Wein, spezifische Weinbauregionen oder einzelne Rebsorten beziehen. Heute haben die meisten Weinbaukantone ihre eigene Prämierung. Veranstalter müssen sich profilieren und sich von der Konkurrenz abheben. Die wachsende Komplexität des Weinmarkts und das gestiegene Interesse an Qualitätsweinen machen solche Prämierungen relevanter denn je, für den Produzenten und Händler, wie auch für den Konsumenten.
Worin sehen Sie den Vorteil von Weinprämierungen?
In der Schweiz gab es erst ein einziges Fachmagazin über Wein, als die Expovina Wine Trophy gegründet wurde. Heute ist es einfacher, an Informationen zur Weinqualität zu gelangen. Während die digitale Technologie und Online-Plattformen den direkten Zugang zu Konsumentenbewertungen ermöglichen, gibt es immer noch einen Platz für Expertenmeinungen und offizielle Anerkennungen in der Weinwelt. Für Konsumenten sind die prämierten Weine immer noch eine wichtige Kaufempfehlung. Produzenten und Weinhändler erhalten eine Orientierung, wie gut die Weine in ihrem Sortiment auf dem Markt ankommen und mit einer Auszeichnung lassen sich die Weine besser und eventuell auch teurer verkaufen.
Was sagen Sie zur Qualität von Schweizer Wein?
Schweizer Wein ist bei Kennern sehr angesehen. Die Nase wird nicht mehr gerümpft. Vor zwanzig Jahren sah das noch ganz anders aus. In den Medien hörte man, dass in Schweizer Botschaften Rioja ausgeschenkt wurde. Heute ist das nicht mehr denkbar, denn das Qualitätsniveau von Schweizer Wein ist mittlerweile sehr hoch. Das zeigen auch die regelmässigen Vergleichsdegustationen im Blick. Häufig gewinnt ein Schweizer Wein oder belegt zumindest die vorderen Ränge. Bei der Expovina Wine Trophy haben wir dieses Jahr zum ersten Mal Schweizer und internationale Weine in den Degustationsserien gemischt. Eine Unterscheidung ist aufgrund des erreichten Qualitätsniveaus und der Stilistik überholt. Unsere Juroren begrüssen diese Neuerung.
Die Expovina Wine Trophy hat auf Trends reagiert und prämiert dieses Jahr zum ersten Mal PiWi-Weine (Weine aus resistenten Rebsorten) und Naturweine. Werden noch weitere Kategorien folgen?
PiWi- und Naturweine haben sich inzwischen einen festen Platz im Schweizer Markt erobert. Dieser Situation haben wir Rechnung getragen. Das sind bereits zwei Neuheiten auf einmal. Es ist zu berücksichtigen, dass die Weinproduktion eine traditionelle und konservative Branche ist. Gesetzlich gesehen ist wenig Innovation möglich. Die Kategorie «low alcohol» könnte ein Thema werden. Alkoholfreie Weine jedoch nicht, weil sie gesetzlich nicht als Wein gelten.
Was war Ihre grösste Überraschung bei einer Weinprämierung?
Ich musste dieses Jahr als Verkoster bei der Kategorie Weisswein einspringen. Darunter waren zwei Gewürztraminer, die im Holz ausgebaut worden sind. Das ist bei aromatischen Sorten sehr selten. Einer dieser Weine war in jeder Hinsicht perfekt und zeigte im Abgang typische Aromen der Rebsorte. Dem oder der Produzentin ist es gelungen, einen vielschichtigen Wein zu keltern, ohne den Charakter des Gewürztraminers zu verdecken. Auch spannend finde ich eingereichte Weine aus weniger bekannten Ländern wie Armenien, Moldawien oder Zypern. Da sind immer wieder tolle Entdeckungen darunter.
Sie verkosten an einer Prämierung unzählige Weine. Wie behalten Sie einen klaren Kopf?
Wichtig ist, ausgeruht und körperlich fit an die Verkostung zu kommen. Auch ein guter Rhythmus bei der Verkostung ist wichtig. Es darf nicht zu schnell gehen. Unsere Software ist genau abgestimmt und sieht maximal drei Minuten pro Wein vor. Nach jedem Wein trinke ich viel Wasser, damit sich die Geschmackspapillen und der Gaumen erholen können. Mehr als 40–50 Weine pro Tag liegen nicht drin.