Grosser Test der Blick-Redaktion
Wie gut sind Weine aus Schweden?

Hej Sverige! Was die seltenen Weine aus dem hohen Norden auszeichnet und wie hoch ihre Qualität wirklich ist, fand die Blick-Redaktion in einer Degustation heraus.
Publiziert: 19.03.2023 um 14:53 Uhr
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Seltener Anblick: Neun schwedische Weine warten darauf, entkorkt zu werden.
Foto: Nicolas Greinacher
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Nicolas GreinacherRedaktor Wein DipWSET

Die gesamte Rebfläche Schwedens, rund 150 Hektar, entspricht etwa derjenigen der Schaffhauser Gemeinde Hallau. Dieser Mini-Wert ist kaum verwunderlich, da Schweden als eines der am nördlichsten gelegenen Länder für den Weinbau eigentlich viel zu kalt ist, zumindest bis vor kurzem. Dieser Umstand hielt schwedische Winzerinnen und Winzer aber nicht davon ab, bereits vor rund 30 Jahren im südlichsten und wärmsten Teil des Landes erste Weinreben zu pflanzen.

Schon früh war klar, dass pilzwiderstandsfähige Rebsorten - auch Piwi genannt - in Schweden die Nase vorne haben, da das umweltbewusste Land unter anderem den Einsatz von Kupferlösungen gegen die Verbreitung von Pilzkrankheiten verbietet. So sind rund 95 Prozent aller Rebsorten in Schweden sogenannte Piwis, wie zum Beispiel Solaris oder Cabernet Cortis. Vereinzelt gedeihen auch klassische Vitis Vinifera Reben, wie Pinot Noir.

Arilds Vingård

Eingebettet auf einer ins Meer ragenden Landzunge und rund eine Fahrstunde nördlich von Malmö entfernt, liegt das grösste Weingut Schwedens: Arilds Vingård. Auf einer Rebfläche von 32 Hektar werden die Piwis Solaris, Muscaris, Sauvignon Gris, Cabernet Cortiz sowie die Vitis Vinifera Pinot Noir Precoce angebaut. Der verantwortliche Winzer Joe Roman (39) hat seine Ausbildung an der Fachhochschule Westschweiz abgeschlossen und auch mehrere Jahre in der Schweiz gelebt.

Arilds Vingård verkauft praktisch die gesamte Produktion in Schweden. Dahinter steckt nicht nur der Monopol-Zwang des Staatsunternehmens Systembolaget, sondern auch der Umweltgedanke, die Transportemissionen pro Flasche Wein so niedrig wie nötig zu halten. Werden Weine per Schiff, LKW oder per Flugzeug in der Welt herumtransportiert, verursacht dies eine grössere Umweltbelastung, als wenn die Weine im Herstellungsland getrunken werden.

Bei der Verkostung der Weine in der Schweiz gingen die Meinungen weit auseinander. Blick-Weinexperte Alain Kunz (60) war die Ernüchterung ins Gesicht geschrieben: «Der Eindruck der Weine reicht von prall gefüllten Haushaltsapotheken über Kräutergärten zu Spitalreinigungsmitteln. Zudem war alles zu sauer und bitter». Weinredaktorin Isabelle Thürlemann-Brigger (34) war etwas piwi-affiner: «Die typischen Bitternoten in den PIWI-Sorten sind eine grosse Herausforderung für die Kellermeisterinnen und Kellermeister. Jedoch beherrschen die Schweden ihr Handwerk und haben diese vermeintliche Schwäche zu ihrem Vorteil genutzt. Teilweise wirkte das bittere Element in der Gesamtkomposition bereichernd».

Kullabergs Vingård

Rund fünf Fahrminuten von Arilds Vingård entfernt liegt das Weingut Kullabergs Vingård, wo im Jahr 2006 die ersten Weinreben angepflanzt wurden. Mittlerweile werden 14 Hektar bewirtschaftet, unter anderem mit den Sorten Souvignier Gris, Solaris und Muscaris, Donauriesling sowie Pinot Nova und Cab. Noir. Auf einer Testfläche wachsen aktuell 21 weitere Sorten, die auf einen möglichen Einsatz in der Zukunft untersucht werden.

Blick sprach mit dem verantwortlichen Önologen K Felix G Åhrberg (33) und wollte wissen, wie er das Potenzial von Schweden als Weinproduktionsland einschätzt. «Der Klimawandel hat uns definitiv geholfen. Es regnet regelmässig, aber nicht zu viel, und im Winter wird es bei uns entlang der Meeresküste auch nicht zu kalt. Und die langen Sonnenstunden während der Vegetationszeit helfen den Trauben, ihre natürliche Reife zu erlangen», so Åhrberg, der das zukünftige Potenzial von Rebflächen in Schweden bei mehreren Tausend Hektaren sieht, zu Blick.

Die Weine von Kullabergs Vingård waren denjenigen von Arilds Vingård qualitativ klar überlegen. Blick-Weinexperte und Weinakademiker Tobias Gysi (45) attestiert dem 2021er K, einem trockenen Solaris-Weisswein mit einem Anteil von mit Edelfäule befallenen Trauben, eine «dezente Nase mit einem Touch Chicorée und etwas Tannin am Gaumen». Alain Kunz fand ebenfalls Gefallen am Wein und lobte dessen Fruchtsüsse. Auch der Rotwein RVP 2021 aus den Rebsorten Rondo, Regent, Cab. Noir und Pinot Nova, der acht Monate im Eichenholz-Barrique reifte, machte an diesem spannenden Quervergleich eine gute Figur.

Blaxsta Vingård

17 Jahre lang war Göran Amnegård (64) schwedischer Konsul in Kanada, wo er unter anderem mit den berühmten kanadischen Eisweinen aus der Rebsorte Vidal in Kontakt kam. Als er im Sommer 2000 wieder nach Schweden zurückkehrte, kaufte er sich eine 300 Hektar grosse Farm südwestlich von Stockholm und bepflanzte einen kleinen Teil davon mit den Rebsorten Merlot, Cabernet Franc und Vidal.

Mittlerweile betreibt der umtriebige Schwede auf seiner Farm ein kleines Hotel samt Gourmet-Restaurant, wo er auch selbst kocht. Mit seinem Eiswein hat er sich längst zum begehrtesten Produzenten von schwedischem Süsswein etabliert. Sein Eiswein ist dermassen gefragt, dass kleine Mengen davon unter anderem nach Italien, England und Hong Kong exportiert werden. Auch Schweizer Eiswein-Sammler haben Amnegård längst ein paar Flaschen abgekupfert.

10’000 Kilogramm Trauben wiegen in gefrorenem Zustand nur noch etwa einen Viertel und ergeben auf Blaxsta Vingård rund 600 bis 700 Liter Eiswein. Die Aromen erinnerten mich sofort an frisch ausgewallten Mailänderli-Teig und zeigten feine Nuancen von getrocknetem Pfirsich, Vanille und Mirabellen. Was den Wein noch besser machen würde, wäre etwas mehr Säure. Trotzdem kann sich dieser nordische Eiswein sehen lassen und dürfte auch in Zukunft ein gefragtes Sammlerobjekt sein.

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