Die Misere begann zwischen 1860 und 1880: Die Reblaus, ein winziger, aber verheerender Schädling, wurde von den USA nach Europa eingeschleppt. Hier befiel sie die Wurzeln von Rebstöcken, was zu deren Absterben führte. Diese Reblausplage hatte weitreichende Auswirkungen auf den Weinbau, darunter auch in Bordeaux (F). Um die Ausbreitung der Reblaus einzudämmen, mussten europäische Weinbaugebiete auf resistente amerikanische Unterlagsreben umstellen.
Auch die Rebsorten sind in Bordeaux heute nicht mehr ganz dieselben wie zu jener Zeit. Damals bestanden rote Bordeaux-Weine unter anderem aus Castets, Tarnay oder Camaralet. Ebenso fand die Gärung nicht mit Reinzucht-, sondern mit natürlichen Hefen statt, auch auf zusätzlichen Schwefel wurde verzichtet. Wäre es nicht spannend, in der heutigen Zeit einen Bordeaux-Wein zu keltern, der so gemacht wurde wie vor über 150 Jahren?
Die Geburtsstunde von Liber Pater
Diese Idee liess den umtriebigen Franzosen Loïc Pasquet nicht los. Mit wissenschaftlicher Hilfe gelang es ihm, insgesamt 14 historische Bordeaux-Rebsorten ausfindig zu machen und seine Weinberge damit zu bepflanzen. Dennoch findet man hier auch Cabernet Sauvignon und Petit Verdot.
Für sein Projekt suchte sich Pasquet Böden mit einem hohen Sand-Anteil aus, die einen gewissen Reblaus-Schutz bieten. Das Pflügen der Erde findet mit Pferden statt, die einen 150 Jahre alten Pflug hinter sich herziehen.
Auch im Keller arbeitet Pasquet wie vor 150 Jahren: Natürliche Umgebungshefen, ein möglichst kompletter Verzicht von zusätzlichem Schwefel und seit neuem der Einsatz von Amphoren. Vom 2015er Liber Pater wurden lediglich 500 Flaschen abgefüllt. Wer sich eine davon ergattern möchte, stösst allerdings auf zwei Hürden: Erstens wird der Wein nur auf Zuteilung des Weinguts verkauft. Trotzdem haben es ein paar wenige Flaschen in den freien Markt geschafft, wo allerdings das zweite Problem wartet: der Preis.
Inklusive Zoll und Mehrwertsteuer kostet eine 0,75-Liter-Flasche Liber Pater 2015 aktuell mindestens 35'000 Franken. In Österreich wird eine Flasche sogar für knapp 45'000 Franken angeboten. Das macht Liber Pater zu einem der teuersten Weine der Welt. Ob der einzigartige Geschmack des Weins den astronomisch hohen Preis rechtfertigt, sei einmal dahingestellt.