«Schöner Körper», «Süsse und Bittere harmonieren» oder «spritzig und frisch»: Die Urteile der Expertinnen und Experten in unserer grossen Blinddegustation alkoholfreier Biere von Schweizer Marken klingen verlockend – man will gleich selber eines anzapfen.
Wer früher ein alkoholfreies Bier haben wollte, musste sich in die Niederungen des Trinkgenusses begeben: Clausthaler hiess die Losung und schmeckte ein bisschen schal wie abgestandenes Bier.
Mittlerweile hat der deutsche Marktführer seine Palette erweitert und die Herstellungsverfahren verfeinert – Alkoholfreies ist seither immer beliebter geworden, der Absatz steigt Jahr für Jahr.
Marktanteil von alkoholfreiem Bier verdoppelt
Auch in der Schweiz: Im Land mit der grössten Brauereidichte weltweit – 2021 führt die Eidgenössische Zollverwaltung im «Verzeichnis der steuerpflichtigen Inlandbrauereien» 1278 Betriebe – wollen immer mehr ein Gebräu ohne Promille.
Lag 2010 der Marktanteil alkoholfreier Biere in der Schweiz noch bei 2,34 Prozent, so hat er sich binnen zehn Jahren auf 4,2 Prozent nahezu verdoppelt. Und gemäss Schweizer Brauerei-Verband ist der Konsum 2021 weiter gestiegen und liegt nun bei der 5-Prozent-Marke.
Mit der höheren Nachfrage hat sich auch das Angebot vergrössert: Viele Brauereien, die am Trend mitverdienen wollen, haben ein alkoholfreies Bier im Sortiment – entweder ein helles Lager oder ein hopfenbetonteres Indian Pale Ale (IPA), welcher Stil bei den alkoholhaltigen seit ein paar Jahren en vogue ist.
18 Biere für sechs Tester: Die Expertinnen und Experten bekamen in einer ersten Runde neun helle, alkoholfreie Schweizer Lagerbiere, in einer zweiten Runde neun hopfenbetonte, alkoholfreie Schweizer Pale-Ale-Biere (meist IPA). Jede Probe hatte bloss eine Nummer, die Teilnehmenden wussten also nicht, welches Bier sie tranken. Sie mussten das Gebräu nach Aussehen, Geruch, Geschmack, Konsistenz, Harmonie, Nachtrunk und Trinkgenuss auf einer Skala von 1 (sehr schwach) bis 10 (sehr gut) bewerten. Geruch und Geschmack machten die Hälfte der Wertung aus, die anderen Kategorien zusammen die andere Hälfte. Für die Rangierung wurden alle sechs Gesamtwertungen pro Bier zusammengezählt und der Durchschnittswert errechnet.
18 Biere für sechs Tester: Die Expertinnen und Experten bekamen in einer ersten Runde neun helle, alkoholfreie Schweizer Lagerbiere, in einer zweiten Runde neun hopfenbetonte, alkoholfreie Schweizer Pale-Ale-Biere (meist IPA). Jede Probe hatte bloss eine Nummer, die Teilnehmenden wussten also nicht, welches Bier sie tranken. Sie mussten das Gebräu nach Aussehen, Geruch, Geschmack, Konsistenz, Harmonie, Nachtrunk und Trinkgenuss auf einer Skala von 1 (sehr schwach) bis 10 (sehr gut) bewerten. Geruch und Geschmack machten die Hälfte der Wertung aus, die anderen Kategorien zusammen die andere Hälfte. Für die Rangierung wurden alle sechs Gesamtwertungen pro Bier zusammengezählt und der Durchschnittswert errechnet.
Nun steht die Kundschaft vor der Qual der Wahl: Welche Schweizer Biermarke bringt das beste Alkoholfreie auf den Markt? Blick wollte es wissen und bat landesweit Anbieter, ihre Produkte für den Wettbewerb einzusenden.
Ohne Kenntnis der Marken beurteilte anschliessend eine sechsköpfige Fachjury (siehe Textkasten) die alkoholfreien Biere nach Kriterien wie Aussehen, Konsistenz oder Trinkgenuss auf einer Skala von 1 für sehr schlecht bis 10 für sehr gut, wobei Geruch und Geschmack die Hälfte der Wertung ausmachen.
«Nischendasein endlich aufgehoben»
Je neun Lager- und neun Pale-Ale-Biere – meistens IPA – waren in zwei Kategorien zu verkosten. «Dieses breite Spektrum ist faszinierend», sagt Bierliebhaber Marco Hanhart (47) aus Frauenfeld TG. Der Informatiker hat sich auf einen Aufruf von Blick als Tester gemeldet: «Mal schauen, ob die wie ein alkoholhaltiges Bier schmecken.»
Reto Engler, Mitbegründer und Verwaltungsrat der Brasserie Dr. Gab's in Puidoux VD
Gaby Gerber, erste Biersommelière der Schweiz und Kommunikationsleiterin der Brauerei Feldschlösschen in Rheinfelden AG
Carole Gröflin, Präsidentin der Gesellschaft zur Förderung der Biervielfalt (GFB) in Zürich
Marco Hanhart, Informatiker, Blick-Leser und Bierliebhaber aus Frauenfeld TG
Daniel König, Gründer des Lola Biers und Leiter des Lorraineladens (Lola) der Stiftung Contact in Bern
Gregor Völkening, Projektleiter, Blick-Leser, Brauer und Biercoach aus Affoltern am Albis ZH
Reto Engler, Mitbegründer und Verwaltungsrat der Brasserie Dr. Gab's in Puidoux VD
Gaby Gerber, erste Biersommelière der Schweiz und Kommunikationsleiterin der Brauerei Feldschlösschen in Rheinfelden AG
Carole Gröflin, Präsidentin der Gesellschaft zur Förderung der Biervielfalt (GFB) in Zürich
Marco Hanhart, Informatiker, Blick-Leser und Bierliebhaber aus Frauenfeld TG
Daniel König, Gründer des Lola Biers und Leiter des Lorraineladens (Lola) der Stiftung Contact in Bern
Gregor Völkening, Projektleiter, Blick-Leser, Brauer und Biercoach aus Affoltern am Albis ZH
«Spannend, was es mittlerweile alles (für alkoholfreie Biere) gibt», sagt der zweite Tester Daniel König (51), Leiter des Lola Ladens der Stiftung Contact in Bern und Gründer des Lola Biers. «Erfreulicherweise gibt es mittlerweile Besseres als die beiden Malzbiere, die es seit Jahrzehnten gibt.»
Und die erste Schweizer Biersommelière, Gaby Gerber (49), Leiterin der Unternehmenskommunikation von Feldschlösschen in Rheinfelden AG, sagt: «Durch die breite Auswahl ist das Nischendasein der alkoholfreien Biere endlich aufgehoben.»
Ergebnis des Tests: Bei den hellen Lagerbieren gewinnt Calanda 0.0 aus Chur GR knapp vor Lola Bier Lager alkoholfrei und Schützengarten alkoholfrei. In der zweiten Kategorie der Pale-Ale-Biere überzeugte Lola Bier I.P.A. alkoholfrei aus Bern am meisten, dicht gefolgt von Schützengarten India Pale alkoholfrei und Kitchen Brew windstill NEIPA.
Allgemein fällt auf, dass die Bewertungen der degustierten Biere nahe beieinander liegen: die Lager-Biere innerhalb von gut zwei Punkten, die Pale Ale sogar innerhalb einer Bandbreite von 1,5 Punkten – wenn man einen Ausreisser nach unten ausser Betracht lässt. In dieser Dichte erkennt Gerber «eine solide Basis».
Zwei gebräuchliche Herstellungsverfahren
Die Pale Ale sind insgesamt ein wenig tiefer bewertet – für Brauer und Biercoach Gregor Völkening (42) aus Affoltern am Albis ZH kein Zufall. «Manche Brauer meinen, man müsse einem IPA bloss mehr Hopfen beifügen, um anderes zu kaschieren», sagt er, «doch so einfach ist das nicht.»
Carole Gröflin (32), Präsidentin der Zürcher Gesellschaft zur Förderung der Biervielfalt (GFB), erklärt die Problematik: «Die Schwierigkeit besteht im Fehlen des Geschmacksträgers Alkohol», sagt sie, «ein alkoholfreies Bier verzeiht daher in der Herstellung weniger.»
Grundsätzlich gibt es zwei gebräuchliche Verfahren, um alkoholfreies Bier herzustellen. Bei der ersten Variante entfernt der Brauer die Hefe im Gärprozess oder verwendet solche, die keinen Malzzucker vergärt und die Gärung so von alleine stoppt. Solche Biere enthalten die vom BAG für alkoholfreie Getränke maximal zulässigen 0,5 Promille.
Bei der zweiten Variante stellt der Brauer normales Bier her und entzieht ihm mittels thermischer Vakuumdestillation den gesamten Alkohol. «Wir wenden mehrheitlich diese Produktionsmethode an», sagt Gerber von Feldschlösschen – den so gewonnenen Alkohol braucht die Brauerei für die Energieversorgung im Sudhaus und unter anderem zum Heizen der Gebäude.
Biersommelier Völkening weist darauf hin, dass solche Verfahren viel Technologie und grosses Know-how erfordern – und beides sei eher bei grossen Brauereien zu finden. Für ihn mit ein Grund, weshalb der von ihm sonst geschätzte Kleinbetrieb Brausyndikat aus Dietikon ZH beim alkoholfreien IPA unisono untendurch musste.
Schweizer Pionierrolle beim alkoholfreien Bier
«Sieht schön aus», lautet einer der freundlicheren Kommentare zum Brausyndikat alkoholfrei IPA. «Ein Bier zum Anschauen», antwortet jemand anderes lakonisch. «Es schmeckt nicht fertig», sagt ein weiterer Tester. «Es schmeckt wie Alka Seltzer», urteilt eine andere Person. Und mehrfach steht auf den Testbögen: «salzig!»
Was es für eine Kleinbrauerei bedeutet, ein alkoholfreies IPA herzustellen, erzählt Reto Engler (37), Mitgründer und Verwaltungsrat der Brasserie Docteur Gab's in Puidoux VD. «Vor drei Jahren haben wir erstmals probiert, unser Placebo herzustellen», sagt er, «doch erst seit einem Jahr ist es auf dem Markt.»
Solcher Pioniergeist hat in der Schweiz eine lange Tradition: Bereits 1908 braute Haldengut in Winterthur ZH das alkoholfreie Perplex und 1934 brachte die Berner Brauerei Gurten das alkoholfreie Ex für Autofahrer auf den Markt.
Und heute ist alkoholfreies Bier das Trendgetränk für sportlich aktive Menschen. «Wenn ich bike, habe ich immer eines dabei», sagt Völkening. Denn Bier ohne Promille ist pro Mobile: Es ist kalorienarm, mineralienreich und isotonisch – ideal für jeden Sportler und jede Sportlerin.