Für Gourmets und Vegis
Das Sandwich verkauft sich wieder – wieso eigentlich?

Corona und Homeoffice haben Sandwich-Verkäufe weltweit einbrechen lassen, doch jetzt feiert das ursprünglichste aller Fast-Food-Gerichte zumindest im Gourmet-Bereich ein Revival. Auch ohne Fleisch.
Publiziert: 24.11.2022 um 07:00 Uhr
|
Aktualisiert: 24.11.2022 um 07:01 Uhr
1/7
Gourmet-Sandwichs sind im Trend, wie das vegane BBQ-Pilz-Bun (Bild) von Zizi Hattab.
Foto: Pascal Bergamin
Jonas Dreyfus

Was isch es Sändwitsch ohni Fleisch? S’isch nüt als Brot
Was isch es Sändwitsch ohni Brot? S’isch nüt als Fleisch
Ersch wenn d’mit Fleisch dys Brot beleisch
Ersch wenn d’mit Brot umgisch dys Fleisch
Berchunnsch es Sändwitsch: Brot und Fleisch
Lue, dass du däm geng Rächnig treisch

(Mani Matter: «Betrachtige über nes Sändwitsch»)

«Not good», sagt Tim Mälzer (51). «Nicht gut.» Der deutsche Koch hat in seiner TV-Show «Kitchen Impossible» (Vox) gerade reichlich süsse Sojasauce in eine Pfanne mit karamellisierten Pilzen gekippt. In der TV-Show muss Mälzer – vereinfacht erklärt – bekannte Gerichte von Sterneköchinnen und -köchen ohne Rezept nachkochen. Er probiert von den Pilzen und merkt: Das mit der Sojasauce war ein Fehler, der sich nicht mehr rückgängig machen lässt.

Schweiss bricht aus, Mälzer flucht – und bringt am Schluss ein Gericht zustande, für das ihm die Jury 6,6 von 10 Punkten verleiht. Es handelt sich dieses Mal nicht um Bœuf Bourguignon, Shakshuka oder japanische Pfannkuchen – alles das musste Mälzer in «Kitchen Impossible» schon kopieren –, sondern um ein Sandwich. Kreiert hat es Zineb «Zizi» Hattab (33), Chefin in den Restaurants Kle und Dar in Zürich.

«Was isch es Sändwitsch ohni Fleisch? S'isch nüt als Brot», singt Mani Matter im Lied «Betrachtige über nes Sandwich». Eine – was aktuelle Gourmet-Trends betrifft – komplett überholte Aussage. In Zizi Hattabs sogenanntem Barbecue-Bun sorgen Pilze fürs Grillaroma. Beide Restaurants der ehemaligen Caminada-Schülerin sind komplett vegan. Das Kle mit 15 Gault-Millau-Punkten ist zudem das erste Gourmet-Lokal der Schweiz, das komplett auf tierische Produkte verzichtet.

200 Sandwichs pro Person im Jahr

Pandemie und Homeoffice haben den Status des Sandwichs als beliebte Zwischenverpflegung des Büroarbeiters zeitweise massiv bedroht. Vor allem in Metropolen wie London, wo ein Grossteil der Bewohner mehrere Stunden pro Tag zur Arbeit fährt, hatten die Menschen plötzlich viel mehr Zeit übrig. Etwas selbst zubereiten oder ein Fertiggericht in den Ofen schieben – in der eigenen Küche kein Problem.

Engländer kauften gemäss dem Marktforschungsunternehmen Kantar während des Lockdowns 1,3 Milliarden weniger Sandwichs als in «normalen» Zeiten. 11,5 Milliarden Sandwichs essen die Briten normalerweise pro Jahr. Das sind ungefähr 200 pro erwachsene Person, wie die Zeitung «The Guardian» vorrechnet.

Inzwischen hat sich die Situation offenbar entspannt. Darauf deutet der sogenannte Pret Index hin, den das amerikanische Medienunternehmen Bloomberg seit März 2021 berechnet. Was sich im ersten Moment wie ein Aprilscherz anhört, ist ein cleverer Weg, die Veränderung der Arbeitssituation von Grossstädtern seit Beginn der Pandemie zu beobachten.

Wenn Sandwichs verkauft werden, brummt die Wirtschaft

Pret ist die Abkürzung für die britische Sandwich-Kette Pret A Manger, die weltweit in allen grossen Finanzdistrikten mit zig Filialen vertreten ist. Der Pret Index misst, wie stark sich die Umsätze der Kette im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie entwickeln. Wenn sie sich gut entwickeln, gibt das einen Hinweis darauf, dass wieder mehr Menschen vor Ort arbeiten, was im Finanzbereich ein Zeichen dafür ist, dass es mit dem Geschäft bergaufgeht.

In London und Paris verkaufte «Pret» Mitte Juli 2022 immerhin schon wieder rund 80 Prozent von dem, was die Kette vor der Pandemie verkauft hatte. Weniger gut schnitt das Bankenviertel von Hongkong ab mit 65 Prozent. Richtig schlecht sah es in der Stadt New York aus, die stark von Corona getroffen wurde. Im Distrikt Midtown waren erst wieder 45 Prozent des alten Umsatzes erreicht, in Downtown sogar nur 38 Prozent.

Pret A Manger expandiert zwar gerade in der Schweiz, ein Pret Index fürs Bankenzentrum um den Zürcher Paradeplatz existiert leider nicht – und die Confiserie-Kette Sprüngli, die dort ihren grössten Laden betreibt, macht keine Angaben zu Verkaufszahlen.

Auch in der Schweiz boomen Vegi-Varianten

Bei der Migros sagt man auf Anfrage, dass die strikten Homeoffice-Zeiten durchaus einen Effekt auf das To-Go-Sortiment («zum Mitnehmen») gehabt, sich die Zahlen in den letzten Monaten aber wieder sehr gut erholt hätten. Plus: dass der Markt für Sandwichs ohne Fleisch in Zukunft wachsen werde. Daran glaubt man auch bei der Valora-Gruppe, zu der unter anderem die Stände von Brezelkönig gehören.

Das passt zum Revival des Chips-Sandwichs – auf Englisch Crisp-Sandwich –, für das britische Kochstars wie Nigella Lawson (62) im Moment so schwärmen. Es besteht aus zwei mit salziger Butter bestrichenen Scheiben Weissbrot und Pommes Chips, die zwischen den Broten wie in einem Schraubstock zerbröselt werden. Die Sandwich-Kette Subway hat Köchin und Tiktok-Star Poppy O'Toole (27), auch «die Kartoffel-Queen» genannt, als Crisp-Sandwich-Sommelière engagiert, um besonders gute Kombinationen zu kreieren.

Ähnlich wie bei einem Knall eines Champagnerzapfens könne man geradezu süchtig werden nach dem Knuspern, das zu hören ist, wenn man in ein Chips-Sandwich beisse, schreibt eine Kulinarik-Redaktorin des «Tages-Anzeigers». Dieser Trend muss während der Homeoffice-Phase entstanden sein, als keine Arbeitskollegen das Geräusch ungewollt mithören mussten.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?