Aromat scheidet die Geister
«Das ist für Leute, die nicht kochen können»

Für die einen ist es gelbes Gold, für andere verpöntes Streugewürz für Kochbanausen: Aromat, des Schweizers bekanntestes Gewürz, scheidet die Geister.
Publiziert: 04.02.2023 um 15:22 Uhr
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Aktualisiert: 10.02.2023 um 10:23 Uhr
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Das typisch schweizerische Gewürz spaltet unsere Gesellschaft: Aromat.
Foto: Siggi Bucher
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft

Manche können ihr Frühstücksei nicht ohne essen: Aromat! Seit 70 Jahren gibt es die Streuwürze, ausgerechnet zum runden Jubiläum kommt es zu Lieferengpässen.

Während das bei Fans des gelben Goldes zu Hamsterkäufen führen könnte, zucken Profiköche nur mit den Schultern. Aromat? «Das ist für Leute, die nicht kochen können», sagt Kochikone Irma Dütsch (79). Sie kennt das Gewürz nicht mal aus ihrer Kindheit: «Ich bin auf dem Bauernhof aufgewachsen, da gab es genug Kräuter im Garten. Maggikraut ist auch ziemlich rezent.» In die Profiküche kommt ihr die Gewürzmischung schon gar nicht. Und damit ist sie nicht allein.

Gewürz, Genuss und Glutamat

Kein Sternekoch würde sich mit der gelben Dose erwischen lassen. «Es ist als das Hausfrauen-Gewürz der 1960er-Jahre verpönt», sagt Gault-Millau-Koch Stefan Schüller (51), der seit 30 Jahren in der Spitzengastronomie unterwegs ist. In seinem Gasthof Hirschen in Obstalden GL wird aber manchmal danach verlangt: «Ein Gast ist mal fast ausgeflippt, weil kein Aromat auf dem Tisch stand.»

Für Schüller ist das Gewürz wegen des Glutamats verpönt: «Das verdirbt unsere Geschmacksknospen. Man gewöhnt sich immer mehr daran und kann nicht mehr ohne – es ist fast wie mit Drogen.» So sehe reines Glutamat auch aus: ein weisses Pulver, das förmlich explodiere, wenn man es in eine Suppe rühre. «Früher hiess es in gewissen Küchen: Mach mehr Power rein! Damit war Aromat gemeint.»

Der fünfte Geschmack

Aber was steckt eigentlich im Aromat? Natriumglutamat, Salz, Palmöl, Gewürzextrakte, Hefeextrakt, Zwiebelpulver und Knoblauch, hinzu kommen Spuren von Gluten, Milch, Ei, Soja, Sellerie und Senf. Das, was es so reizvoll macht, ist der sogenannte Umami-Geschmack.

Umami gilt neben den Geschmacksrichtungen süss, bitter, salzig und sauer als der «fünfte Geschmack» und kommt aus dem Japanischen. Entdecker ist Professor Kikunae Ikeda, dem es 1908 gelungen ist, Mononatriumglutamat aus dem Seetang Kombu zu extrahieren. Übersetzt wird es mit «wohlschmeckend». Im Aromat entfaltet sich der herzhafte Geschmack dank des Natriumglutamats, also eines E-Stoffs, der keinen guten Ruf geniesst. Glutamat soll den Appetit steigern und damit mitverantwortlich für Übergewicht sein.

In vielen Lebensmitteln ist Natriumglutamat auf natürliche Weise enthalten. Besonders hoch ist die Konzentration in Soja-Sauce, Tomaten, getrockneten Steinpilzen, Parmesan, Sardellen, aber auch in der menschlichen Muttermilch.

Gault-Millau und ein Michelin-Stern

Das typisch schweizerische Gewürz spaltet die Gesellschaft. Eine, die sich mit Aromat an die Spitze gekocht hat, ist Trudi Büeler von der Faktorei Bäch am Schwyzer Ufer des Zürichsees. Ganze 61 Jahre führte sie mit ihrem Mann Armin das bekannte Fischrestaurant. Noch als 90-Jährige stand sie vergangenen Herbst nochmals in der Küche und bereitete gebackene Egli oder Hecht im Bierteig zu – inzwischen ist das Restaurant geschlossen.

Von ausgefallenen Gewürzen hielt sie nie viel: Wichtig sei, dass der Eigengeschmack des Fisches zur Geltung kommt. Zu ihrem Rezept gehörte neben Salz und Pfeffer laut sicheren Quellen auch das berühmte Aromat.

Mit Erfolg. In den achtziger Jahren verlieh Gault-Millau der Faktorei 14 und kurz darauf 15 Punkte und schrieb dazu: «Man kann es drehen, wie man will, Gertrud Büeler ist und bleibt die beste Fischköchin weit und breit.» Die Krönung folgte 1996 mit dem Michelin-Stern. Für die Köchin, die wegen des Kriegs nie eine Ausbildung machen konnte und sich alles selber beigebracht hat, eine grosse Ehre und Genugtuung.


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