Sucht die Sau den Eber, riecht sie, was niemand sieht und doch überaus Wirkung zeigt. Pheromone. Sie ist dann, was man rauschig nennt, und wird alles tun, um das Männchen mit dem «Spezialduft» zu finden. Von ihm will sie, was sie jetzt dringend braucht: Sex – und wenn immer möglich Nachwuchs. Beides kann sie nicht benennen. Aber sie tut alles, um es zu bekommen. Der Duft machts!
Wissenschaftler haben sich dieses Falles angenommen und erkannt, was Bauern im französischen Périgord und auch in Slowenien schon immer wussten: Säue sind zur Suche nach schwarzen Trüffeln perfekt ausgerüstet. Sie riechen, was kein Mensch riechen kann: die Pheromone dieser Pilze. Sie sind, so hat es sich beweisen lassen, mit jenen des geilen Ebers identisch. Ziemlich sicher haben sie auch die gleichen Effekte. Und, das ist die erfreuliche Nachricht: Diese Pheromone sind dem menschlichen Testosteron nicht nur ähnlich, sondern praktisch gleich.
Schwarze Trüffel, grosse Wirkung
Zu Zeiten, da schwarze Trüffel zwar teuer waren, aber noch nicht der wilden Spekulation anheimgefallen, kaufte sich der Basler Sternekoch Hans Stucki je-weils schwarze Trüffeln zehn-Kilo-gramm -weise, um sie zu konservieren. Seine mit einem ganzen Trüffel und etwas Schweinemett gefüllten Blätterteigtaschen waren das Ding. Ganz Basel und der Rest der Schweiz wollten diese im Winter bei ihm essen.
An einem Nachmittag im Februar besuchte ich den Koch in der Wohnung über seinem Restaurant, dem Basler Bruderholz. Bereits vor der Tür wallte mir ein Duft entgegen, der verriet, was im Esszimmer in einem Korb lag: schwarze Trüffeln von besonderer Grösse, noppig-warzig-anthrazitschwarz. Wir setzten uns, tranken ein Glas, redeten und liessen uns vom mächtigen Duft der Pilze forttragen. Mit anderen Worten, ich war nach meinem Besuch wie besoffen, wusste allerdings mit diesem Zustand nicht viel anzufangen. Jetzt allerdings, aus der Distanz der vielen Jahre, gehen mir ein paar Lichtlein auf ...
Aphrodisiaka. Ein weites und ein oft trübes Gebiet. Nicht, weil diese Sinnenschärfer eine müde Sage wären. Sind sie nicht. Aber ihre Liste ist lang und – sagen wir es so – oft mehr Geschichte wie Tatsache. Trotzdem spricht jeder und jede früher oder später darüber. Auch experimentiert jede und jeder früher oder später damit. Meist mit harmlosem Ausgang. Der Metzger legt deshalb den Stierhoden für einen ganz speziellen Kunden beiseite. Der Parfümeur fügt der neuen Duftkreation eine Spur Moschus hinzu. Der Mann bringt seiner Frau zum ersten Mal den Genuss einer Auster nahe. «Honi soit qui mal y pense» – ein Schuft sei, wer sich Schlechtes dabei denkt!
Veilchenduft und eine goldene Badewanne voll mit Kaviar
Es gibt sie auch nicht nur in der Welt der Nahrungsmittel. Auch Drogen und Medikamente gehören dazu. Doch wir wollen weder über Amphetamine noch Cannabis sprechen. Und nur kurz über Alkohol. Auch nicht über das legendäre gemahlene Pulver der Spanischen Fliege, das Menschen bei ungünstiger Dosis nicht zum Orgasmus, sondern zu Tode bringt. Wir werden auch nicht über exotische Kräuter reden, die frisch oder getrocknet wohl ohne jede Wirkung bleiben. Wir freuen uns auf jene Dinge, die wir – wenn nicht beim Grossverteiler, so wenigstens im Delikatessengeschäft – finden. Wir bleiben also im Reich der Gastronomie.
Die Belle Époque zwischen 1880 und 1915 hat den Katalog der erotischen Köstlichkeiten gültig definiert. Wenn die Kurtisane La Paiva vom englischen Kronprinzen das Entrée mit Nizza-Veilchen ausgelegt bekam (Achtung, Veilchenduft wirkt … vielleicht!), schüttete ihr der russische Thronfolger die goldene Badewanne mit Kaviar voll (wenn der nicht wirkt, wenn der in dieser Menge nicht wirkt, dann...?). Die Köche der Pariser Edeltränke Chez Maxim’s folgten der Entwicklung aufmerksam und krönten wachsweich pochierte Eier mit den salzig eingemachten Störeiern, krönten förderliches Tatar mit einer stimulierenden Auster und einem Löffel stärkendem Kaviar … Was dazu getrunken wurde? Champagner, selbstverständlich. Seine Bläschen bringen den Alkohol schnell ins Blut. Die Wangen glühen. Ein Gefühl der Leichtigkeit setzt ein. Und wo Leichtigkeit ist …
Scharfer Chili lässt Schleimhäute anschwellen. Ein wohlig-warmes Gefühl überfliegt, wer mit viel Chili scharf geladenes Curry oder knoblauchlastigen Sugo in seine Teller lädt. Der frisch gekochte Hummer bekommt eine letzte Ölung von mit einem Hauch Ingwer, Chili oder Knoblauch gewürztem Olivenöl. Extra vièrge – jungfräulichem natürlich. Allerdings macht in den letzten Jahren eine darübergeträufelte cremige Vanillebutter das Rennen um den höchstmöglichen kulinarischen und erotischen Höhepunkt. Und zum letzten Glas Champagner der kandierte Ingwer in Bitterschokolade. Eine Ladung sanfter Duft, krosses Knuspern unter den Zähnen, schliesslich ein Biss mit überaus explosivem Gehalt.
Die Hälfte der illegal importierten Medikamente sind Potenzmittel. Während das Geschäft mit dubiosen und auch gefährlichen Plagiaten floriert, untersuchen Wissenschafter die Wirkung von Aphrodisiaka.
Die Hälfte der illegal importierten Medikamente sind Potenzmittel. Während das Geschäft mit dubiosen und auch gefährlichen Plagiaten floriert, untersuchen Wissenschafter die Wirkung von Aphrodisiaka.
Aphrodisiaka sind nicht gerade günstig
Überhaupt Kakao. Schon bei den Inkas das Getränk vor dem Beischlaf. Natürlich mit Chili verfeinert … Dann wäre da noch Tabak … Ach was! Geschenkt.
Eine Sache fällt dabei auf: Richtig günstige Aphrodisiaka gibt es im Bereich der Nahrungsmittel kaum. Wo immer sie zu finden sein sollen, steigt die Anforderung an Herkunft, Reinheit – und damit der Preis. Safran etwa. Aber nur, wenn er kräftig duftet und genauso färbt. Doch diese besten aller Qualitäten stammen, so will es die Anleitung, aus dem Iran, Kaschmir, den Pyrenäen. Und diese liegen nicht gerade am Weg zum Einkaufscenter.
Fisch. Ja, aber bitte Wildfang und wohl eher Loup de Mer als Kabeljau. Aber sein Lebertran soll Wirkung zeigen. Und die Leber sowieso. Vor allem jene gestopfte von Gans und Ente. Am besten im Zusammenspiel mit schwarzen Diamanten, auch Périgordtrüffel genannt. Und dann gäbe es da noch die einerseits günstige, andererseits, der Menge wegen, fast unmöglich zu realisierende Superturbo der bereits erwähnten Grande Cocottes: die Leber des Seeteufels. Wie Gänseleber in Terrinenform. Knapp angegart, in hauchdünnen Scheiben mit einem Hauch Meersalz bestreut, zu feinstem gerösteten Weizenbrötchen verspeist. Was Paris damals wusste, weiss heute kaum noch jemand: «Foie de Lotte.Femme perd sa quote» – isst eine Frau Seeteufel-Leber, verliert sie den guten Ruf!»