Wärme für Ukraine
Schweizer Tüftler engagieren sich

Andreas Reinhard (68) ruft Erfinder in der Schweiz auf, Ideen zur Nutzung von Abwärme aus Notstromaggregaten zu entwickeln. Ziel ist es, den Ukrainern im Winter ein warmes Zuhause zu ermöglichen, ohne auf Gas oder Öl angewiesen zu sein.
Publiziert: 30.10.2024 um 13:23 Uhr
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Aktualisiert: 30.10.2024 um 13:43 Uhr
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Ingenieur und Erfinder Andreas Reinhard (68) will mit der Initiative «Wärmestrom» der ukrainischen Bevölkerung durch den Winter helfen. Seine Erfindungen umfassen die Themenkreise Leichtbau, Aviatik, Energie und Sensorik.
Foto: Andreas Reinhard

Auf einen Blick

  • Andreas Reinhard will Ukraine im Winter warm halten
  • Initiative «Wärmestrom» nutzt Abwärme von Notstrom-Aggregaten zum Heizen
  • Über 40 Vorschläge eingegangen, weitere Ideen gesucht
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Ravena FrommeltPraktikantin Gesellschaft

Er war oft in Kiew und Moskau, um in Windkanälen zur Aerodynamik zu forschen und mit lokalen Experten Ideen auszutauschen. Heute, drei Jahrzehnte später und inzwischen pensioniert, lässt es Andreas Reinhard (68) keine Ruhe, wie sich die humanitäre Krise in der Ukraine zuspitzt. Dem Krieg zwischen den beiden Ländern, in denen er «eine wunderbare Zeit mit sehr intelligenten und anständigen Leuten» verbracht hat, möchte der Ingenieur und Erfinder nicht untätig zusehen: «Die Bombardierung der Russen hat in der Ukraine bereits 85 Prozent der Infrastruktur für Strom und Wärme zerstört – wenn es ein strenger Winter wird, werden wesentlich mehr Leute durch Kälte umkommen als durch Raketen und Bomben, und das zwei Flugstunden von hier.»

Bereits seit seiner Maturaarbeit beschäftigt sich der Berner mit dem optimalen Umgang von Energien. Ein befreundeter Ingenieur gab Reinhard schliesslich vor einigen Wochen den Anstoss zu einer lebensrettenden Idee: Die beiden wollen mithilfe kollektiven Erfindertums und einfachen Materialien den Ukrainerinnen und Ukrainern im Winter ein warmes Zuhause ermöglichen. «Zehntausende Ukrainer haben sich mit Notstrom-Aggregaten für das Nötigste eingedeckt, für Licht, allenfalls ein kleines Heizöfeli oder um Nachrichten zu hören», sagt Andreas Reinhard. Doch die meist recht handlichen Geräte setzen nur knapp 20 Prozent der zugeführten Energie in Strom um, der Grossteil von über 80 Prozent geht als Abwärme verloren. «Diese Abwärme der Notstrom-Aggregate könnte man mit einer «Kraftwärme-Koppelung» nutzen und zum Heizen erweitern. Dabei würde kein Gas, Öl oder Wärmepumpen benötigt», erklärt Reinhard.

Andreas Reinhards Initiative «Wärmestrom» läuft seit Anfang Oktober und gestaltet sich in Form eines Wettbewerbs. Unterstützt wird sie von ETH-Professor Roland Siegwart (65), der das Institut für Robotik und Autonome Systeme an der ETH in Zürich leitet. Bis am 5. November 2024 rufen Reinhard und sein Team leidenschaftliche Tüftlerinnen und Tüftler aus der ganzen Schweiz dazu auf, ihre Ideen zu schicken, wie man die Abwärme der Notstromaggregate am besten zum Heizen nutzen könnte. Die Entwürfe können in Form eines Textes, einer Skizze, eines Schemas, eines Videoclips oder eines Funktionsmodells eingereicht werden. Bisher sind über 40 Vorschläge eingetroffen. Da sei von rudimentär bis raffiniert alles Mögliche dabei. Ideen von Fachleuten und Hobbytüfftlern, und vor allem von Männern. «Besonders freut mich, dass mir einer der international bekanntesten Motorenspezialisten begeistert seine Mithilfe angeboten hat.» 

Reinhard und sein Expertenteam wollen vier Ideen Mitte November in einem Schulhaus in Hausen am Albis ZH testen. Die Finalistinnen und Finalisten haben die Aufgabe, ein Schulzimmer ein Wochenende lang zu heizen. «Nachdem wir am Vorabend die Heizung ausgeschaltet haben, öffnen wir alle Fenster», so der Berner. Entscheidend sei, wie warm es werde, aber auch, wie einfach und sicher die Methode ist. So schlug jemand etwa vor, die Notstromgeräte einfach ins Wohnzimmer zu stellen und mit dem Auspuff das Zimmer zu heizen. «Das geht natürlich nicht», sagt Reinhard. Auch müsse die Heizlösung aus Materialien bestehen, die jeder zu Hause habe. «In der Ukraine herrscht in grossen Teilen Krieg, man kann nicht einfach zu Hornbach um die Ecke gehen und noch was einkaufen.» 

Am 17. November entscheiden Reinhard und sein Team, welches die brauchbarsten Ideen sind. Für diese wird eine digitale Schritt-für-Schritt-Anleitung erstellt. Das gewonnene Know-how will das Team um Reinhard für die Leute in der Ukraine über soziale Medien wie Youtube oder Facebook streuen. Warum nicht vor Ort? «So erreichen wir eine möglichst grosse Wirkung, ohne LKWs satteln zu müssen. Die einzige Hardware, die nötig sein könnte, sind Sensoren, die die Luftzusammensetzung messen. Da überlegen wir noch, ob wir allenfalls eine Lieferung in die Ukraine organisieren.»

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