Vom Nutztier zum Liebling
Wir und die Hühner

Sie können schon als Küken zählen, verfügen über eine komplexe Kommunikation und schliessen Freundschaften: Hühner sind weit mehr als Eierlieferanten. 10 Fakten über das häufigste und wohl am meisten unterschätzte Haustier.
Publiziert: 09.04.2023 um 15:18 Uhr
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Aktualisiert: 11.04.2023 um 10:48 Uhr
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Astrid Drapela hat ein Herz und ein wissenschaftliches Auge für Hühner.
Foto: Foto: Martin Wacht
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft

Auf dem Hof von Astrid Drapela (46) in der Nähe von Wien leben 40 Hühner – zusammen mit ihrer Familie und weiteren Tieren wie Minischweinen, Ziegen, Schafen, Katzen und Hunden. Es ist eine friedliche Koexistenz, in denen Tiere nicht genutzt, sondern geschätzt und geliebt werden. Das Herz der Pädagogin schlägt besonders für die Hühner. Die meisten von ihnen führen ein kurzes Leben als Schattendasein in abgeschotteten Massenhaltungen. Zugleich boomt die private Hühnerhaltung – und dabei kommen überraschende Eigenschaften des Federviehs ans Licht.

«Vielleicht sind Hühner sogar die neuen Katzen», sagt Astrid Drapela. Zumindest werden manche Hühner genauso geliebt. «Ich kenne sogar Leute, die ihre Hühner zeitweise ins Bett genommen haben, um sie vor den Gefahren das halbwilden Lebens auf dem Hof zu schützen.» Als Biologin beobachtet Drapela ihr Federvieh auch mit wissenschaftlichem Interesse. Für ihr Buch «Ich wollt, ich hätt ein Huhn» hat die Biologin das Neuste aus der Forschung und zur Haltung zusammengetragen – hier ein paar überraschende Fakten daraus.

Friedliches Zusammenleben: Auf dem Hof von Astrid Drapela werden Tiere nicht genutzt, sondern geschätzt.
Foto: Foto: Martin Wacht

1. Schlau und schnell

Hühner lernen schnell. Das kann man in den beliebten Chicken-Clicker-Kursen beobachten. Dort können dem Geflügel in erstaunlichem Tempo die tollsten Kunststücke beigebracht werden – sogar Klavierspielen. Aber bereits als Küken zeigt das Federvieh Fähigkeiten, die selbst menschliche Bibis noch nicht beherrschen. So können frisch geschlüpfte Küken schon bis fünf zählen und bestimmte logische Schlüsse ziehen, zu denen Menschenkinder erst im Alter von sieben Jahren fähig sind. Erwachsene Hennen üben Selbstkontrolle, im Wissen, dass sie später mit mehr Futter belohnt werden. Kurzum sind Hühner wesentlich schlauer, als man dachte.

2. Einfühlsame Wesen

Damit verblüffen Hühner zusehends ihre menschlichen Mitbewohner, und es entsteht eine Beziehung wie zu einer Katze oder dem Hund. Denn Hühner haben Persönlichkeit und sind einfühlsame Wesen. Besonders die sprichwörtliche Glucke leidet darunter, wenn ihre Küken Angst haben – selbst wenn sie weiss, dass keine ernsthafte Gefahr droht. Eine Hühnermutter wirft sich mit vollstem Elan in die Schlacht um den Nachwuchs. Glucken sind daher auch in der Hühnerschar gefürchtet und werden in Ruhe gelassen.

Das Hickhack ist Teil der hierarchischen Hühnernatur.
Foto: Getty Images

3. Hackordnung

Denn normalerweise hat sich die Hühnerschar im Hinterhof schon längst eine Rangordnung ausgemacht. Auch wenn es manchmal blutig vonstattengeht, so ist das Hickhack doch Teil der Hühnernatur. Sofern sich nichts verändert, bleibt die Ordnung stabil und streng hierarchisch: Vom Chef über die Chefin abwärts hat jede und jeder seinen Platz. Stossen Neuankömmlinge dazu, muss alles neu verhandelt werden: Daher sorgt eine Veränderung in der Gruppe stets für Unruhe, legt sich aber nach ein paar Tagen wieder. Wo die Gruppe unüberschaubar wird, nämlich schon ab 40 Tieren, können Hühner einander nicht mehr gut unterscheiden und keine stabilen Beziehungen aufbauen.

4. Wanderställe

Daher sind die riesigen Gruppen in der industriellen Haltung ein ständiger Stressfaktor: Es ist ein Leben wie auf den öffentlichen Plätzen einer Grossstadt. Anonym und – tendenziell – gefährlich, da man nun auf engstem Raum die Rangordnung einzeln ausmachen muss. Die Stärkeren tyrannisieren fortan die Schwächeren: und das andauernd. Kleinere Herden mit genügend Platzangebot können sich besser in kleinere Grüppchen untergliedern. Beides kann etwa in der Wanderstallhaltung erfüllt werden. Ein Stall auf Rädern hat noch andere Vorteile, besonders auch für die hühnerbeweideten und -gedüngten Flächen. Versteckmöglichkeiten muss es trotzdem geben, sonst fühlt sich auch das Haushuhn instinktiv bedroht wie seine wilden Vorfahren.

5. Wildes Huhn

Die ursprüngliche Heimat unseres Huhns ist der südostasiatische Dschungel. Im dichten Unterholz tummeln sich die wilden Bankivahühner auch heute noch in Gruppen von bis zu zehn Tieren. Sie sind etwa so gross wie Zwerghühner, ein dominanter Hahn regiert die Familie, andere Männchen dürfen sich am Rand der Gruppe aufhalten. Geschlafen wird auf eigenen Schlafbäumen, wo auch der wilde Hahn abends und frühmorgens kräht, um sein Revier abzustecken. Vor 3500 Jahren hat sich das Huhn dem Menschen angeschlossen, als dieser schmackhafte Saaten wie Reis und Hirse anzubauen lernte. Eier legte es damals nur wenige, maximal zehn pro Jahr.

Unsere Haushühner kommen aus dem Dschungel: Bankivahühner leben bis heute in Südostasien.
Foto: Getty Images

6. Raffinierte Sprache

Die Sprache der Hühner ist hoch entwickelt. Man hat etwa zwanzig verschiedene Laute ausfindig gemacht. Die Alarmrufe in einer Hühnergruppe bedeuten nicht nur «Gefahr», sondern vermitteln vielmehr den Zuhörerinnen Informationen über die Art, die Grösse und die Distanz der sich nähernden Raubtiere. Droht etwa ein Angriff aus der Luft, sucht die ganze Schar Deckung unter einem sicheren Unterschlupf, während sie bei Landräubern in die Bäume flieht. Vieles bleibt dennoch rätselhaft: etwa, warum Hennen scheinbar freudig die Ablage eines frischen Eis an ihre Umgebung verkünden.

7. Ohrenbetäubendes Krähen

Die Lautstärke des Krährufs ist die gleiche, wie sie sich einst in der tropischen Heimat entwickelt hat. Mit der Lautstärke eines Düsenjets von bis zu 144 Dezibel erschallt er auch in heimischen Scheunen und wirft dort so manchen menschlichen Zuhörer aus dem Bett. So betäubend das Krähen auch sein mag: Die Ohren des Hahns verschliessen sich automatisch mit dem Öffnen des Schnabels, was verhindert, dass der Rufer sich selbst einen Gehörschaden zufügt.

Leben und Sterben in Massen: Die meisten der 33 Milliarden Hühner weltweit werden für Eier oder Fleisch genutzt.
Foto: ullstein bild via Getty Images
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8. Unsichtbare Milliarden

Es gibt ein Tier, das häufiger auf unserem Planeten zu finden ist als alle anderen Haustiere der Erde zusammen. Gleichzeitig handelt es sich um den häufigsten Vogel der Welt: das Haushuhn. Auf jeden Menschen kommen vier Hühner, insgesamt sind es rund 33 Milliarden. Zu Gesicht bekommen wir aber nur die wenigsten von ihnen, denn in ihrem kurzen Leben dienen sie uns als Eier- und Fleischlieferant. Allein in der Schweiz isst eine Person im Schnitt 14 Kilo Poulet und 185 Eier pro Jahr.

9. Gefiederte Persönlichkeiten

Besser geht es da dem Hobbygeflügel, das in letzter Zeit immer mehr an Beliebtheit gewinnt: Allein in der Schweiz schätzt man die Zahl der Hühnerhaltenden auf 70'000 – Tendenz steigend. Die Tiere bekommen Namen und steigen so vom schieren Nutztier auf zum geliebten Familienmitglied. Denn immer mehr Menschen erkennen: Hühner haben nicht nur Persönlichkeit, sondern interagieren gern mit unsereins. Kinder sind daher oft die grössten Hühnerfans in der Familie.

Auch was fürs Auge: Das Gefieder kommt je nach Rasse in allen Farben.
Foto: Shutterstock

10. Tiergestützte Therapie

Was in kleinen Hühnerhaltungen beobachtet werden kann, macht nun auch zunehmend Furore in therapeutischen Anwendungen: Hyperaktive Kinder kommen in der Interaktion mit Hühnern zur Ruhe. Gleichzeitig steigern Hühner die Kommunikation unter Wortkargen jeden Alters. Daher erfreuen sich geflügelte Therapeutinnen auch immer grösserer Beliebtheit in Schulen und Altersheimen.

Tipps für Hühneranfänger

Bevor man ins Abenteuer Hühnerhaltung einsteigt, muss man sich unbedingt gut informieren. Hier die etwas anderen Tipps, die oft vergessen gehen, von Expertin Astrid Drapela:

  • Lassen Sie sich von Leuten in Ihrer Umgebung beraten, die schon Hühner haben. Sie wissen über die lokalen Begebenheiten Bescheid.
  • Nehmen Sie nicht alle Hühner auf einmal: So ist noch Platz für weitere, und unterschiedliche Generationen sind bereichernd.
  • Unterschätzen Sie die Raubtiere nicht. Egal, wo Sie wohnen.
  • Investieren Sie in einen Elektrozaun und eine automatische Hühnerklappe.
  • Bereiten Sie sich auf das Schlimmste vor: Aktuell ist das die Stallpflicht wegen der Vogelgrippe.
  • Schenken Sie Ihren Nachbarn gelegentlich ein paar Eier, denn Hühner machen Lärm.
  • Es braucht vor allem anfangs genügend Licht im Stall, sonst finden die Hühner nicht auf die Stange.
  • So machen Sie Ihre Hühner glücklich: Sandbad, Scharren und Sonnenbad.
  • Immer frisches Wasser, dafür eignet sich im Sommer auch ein Katzentrinkbrunnen, im Winter sollte eine Heizplatte unter der Tränke das Einfrieren verhindern.
  • Wer Hühner anschafft, muss diese beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen registrieren lassen. Auf dessen Webseite findet man auch alle Informationen und Vorschriften für die hühnergerechte Haltung.
  • Finden Sie einen Tierarzt oder eine Tierärztin, der oder die auch Hühner behandelt. Lassen Sie sich deshalb ruhig belächeln, das gehört dazu.
Genug Licht, eine Stange zum Festhalten und etwas zum Scharren: So fühlen sich Hühner wohl.
Getty Images

Bevor man ins Abenteuer Hühnerhaltung einsteigt, muss man sich unbedingt gut informieren. Hier die etwas anderen Tipps, die oft vergessen gehen, von Expertin Astrid Drapela:

  • Lassen Sie sich von Leuten in Ihrer Umgebung beraten, die schon Hühner haben. Sie wissen über die lokalen Begebenheiten Bescheid.
  • Nehmen Sie nicht alle Hühner auf einmal: So ist noch Platz für weitere, und unterschiedliche Generationen sind bereichernd.
  • Unterschätzen Sie die Raubtiere nicht. Egal, wo Sie wohnen.
  • Investieren Sie in einen Elektrozaun und eine automatische Hühnerklappe.
  • Bereiten Sie sich auf das Schlimmste vor: Aktuell ist das die Stallpflicht wegen der Vogelgrippe.
  • Schenken Sie Ihren Nachbarn gelegentlich ein paar Eier, denn Hühner machen Lärm.
  • Es braucht vor allem anfangs genügend Licht im Stall, sonst finden die Hühner nicht auf die Stange.
  • So machen Sie Ihre Hühner glücklich: Sandbad, Scharren und Sonnenbad.
  • Immer frisches Wasser, dafür eignet sich im Sommer auch ein Katzentrinkbrunnen, im Winter sollte eine Heizplatte unter der Tränke das Einfrieren verhindern.
  • Wer Hühner anschafft, muss diese beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen registrieren lassen. Auf dessen Webseite findet man auch alle Informationen und Vorschriften für die hühnergerechte Haltung.
  • Finden Sie einen Tierarzt oder eine Tierärztin, der oder die auch Hühner behandelt. Lassen Sie sich deshalb ruhig belächeln, das gehört dazu.
«Jede Anschaffung eines Tiers muss gut überlegt sein»
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Hühnerhaltung boomt:«Jede Anschaffung eines Tiers muss gut überlegt sein»
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