Svenja Sörensen (38) über Sex mit anderen
«Ich lebe glücklich in einer offenen Beziehung»

Vergeben sein und trotzdem mit anderen Sex haben – Svenja Sörensen (38) führt eine offene Ehe und hat über ihre Erfahrungen ein Buch geschrieben. Im Gespräch sagt sie, wie eine offene Beziehung als Elternteil funktioniert und wie man merkt, ob man der Typ dafür ist.
Publiziert: 28.10.2023 um 19:31 Uhr
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Letzte Woche ist Sörensens Buch erschienen: «Offen lieben – wie offene Beziehungen wirklich gelingen».
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Lea ErnstRedaktorin Gesellschaft

Frau Sörensen, vor sieben Jahren stellte Ihnen Ihr Partner Johannes die Frage, die Sie als Ihren persönlichen Super-GAU bezeichnen: «Was hältst du eigentlich von einer offenen Beziehung?»
Svenja Sörensen: Die Frage kam für mich aus dem Nichts, wir hatten gerade noch gemütlich auf dem Sofa gesessen. Meine erste Reaktion war: «Ist nicht dein Ernst!» Gefolgt von Tränen, heftiger Ablehnung, Verzweiflung und Panik. 

Unterdessen führen Sie seit Jahren eine offene Beziehung, haben also auch Sex mit anderen – und sind beide glücklich damit. Wie ist es dazu gekommen?
Ganz rational konnte ich sein Bedürfnis schon nachvollziehen: Schliesslich hatte mir als Single der Sex mit anderen Menschen auch immer Spass gemacht. Also habe ich versucht, herauszufinden, was mir dermassen Angst einjagt. Und ziemlich schnell gemerkt: Es ist die Angst vor dem Unbekannten und meine eigene Unsicherheit. 

Es erfordert Mut, nicht abzublocken, sondern sich mit diesen unangenehmen Gefühlen auseinanderzusetzen.
Total, aber es lohnt sich. Johannes und ich hatten zuvor schon jahrelang Probleme gehabt, sie aber immer wieder unter den Teppich gekehrt. Plötzlich waren wir zum ersten Mal bedingungslos ehrlich miteinander. Auch wenn das für die andere Person nicht immer angenehm war. Radikale Ehrlichkeit statt Pseudoharmonie. Das war neu. Dadurch fühlten wir uns so nah wie noch nie. 

Also öffneten Sie Ihre Beziehung, um sie zu retten?
Nein, keineswegs, und das ist ganz wichtig: Eine offene Beziehung wirkt wie ein Brennglas für all das, was nicht funktioniert. Wenn das Fundament nicht stimmt und die Beziehung geöffnet wird, fliegt einem das um die Ohren. Stattdessen gilt es, Probleme zu lösen und gemeinsam an der Beziehung zu arbeiten. Dazu gehört auch, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse miteinander zu besprechen – etwas, das die meisten von uns nie gelernt haben. 

Die Reaktionen auf Ihre Beziehungsform sind zum Teil extrem respektlos, wie Sie in Ihrem Buch schreiben. Sie reichen von «Das ist doch keine richtige Liebe» bis zu «Du Schlampe». Wieso ärgern offene Beziehungen so viele Leute dermassen?
Vermutlich, weil sie sich angegriffen fühlen. Ich lebe glücklich in einer offenen Beziehung. Das rüttelt an einem Weltbild, das viele nie hinterfragt haben. Die meisten leben monogam, weil ihnen das so vorgelebt wurde, nicht, weil sie sich dafür entschieden haben. 

Sie liebt seit sieben Jahren offen

Svenja Sörensen (38) ist Systemische Coachin und Traumapädagogin. Diese Woche ist ihr Buch «Offen lieben – wie offene Beziehungen wirklich gelingen» im Ullstein Verlag erschienen. Ab 2010 war sie weiblicher Offizier bei der deutschen Bundeswehr. Sörensen hat dänische Wurzeln und lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Hamburg (D). Auf Instagram klärt sie über offene Beziehungen auf.

Svenja Sörensen (38) ist Systemische Coachin und Traumapädagogin. Diese Woche ist ihr Buch «Offen lieben – wie offene Beziehungen wirklich gelingen» im Ullstein Verlag erschienen. Ab 2010 war sie weiblicher Offizier bei der deutschen Bundeswehr. Sörensen hat dänische Wurzeln und lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Hamburg (D). Auf Instagram klärt sie über offene Beziehungen auf.

Doch Sie schreiben bereits im Vorwort: Sie halten offene Beziehungen nicht für besser als die Monogamie.
Ein Label ist ja kein Qualitätsmerkmal von Beziehungen. Viele Menschen fühlen sich in monogamen Beziehungen wohl, und das ist wunderbar. Doch was für einen Menschen gilt, gilt nicht automatisch für einen anderen. Alternative Beziehungsformen sind valide – und sie verdienen es nicht, abgewertet zu werden, bloss weil sie nicht der Norm entsprechen. 

Wie merkt man, ob man der Typ für eine offene Beziehung ist?
Man sollte sich fragen: Bin ich bereit, Konventionen zu hinterfragen und die vorgetrampelten Pfade zu verlassen? Und erst dann, ob einen die Vorteile einer offenen Beziehung reizen würden. Es ist verständlich und normal, dass unangenehme Gefühle aufkommen können, wenn wir uns mit der Idee auseinandersetzen.

Wieso machen uns neue Formen der Liebe Angst?
Weil sie nicht greifbar sind und wir Liebe häufig mit Besitz verwechseln. Ich dachte, ich genüge nicht. Bis ich verstanden habe, dass Johannes' Bedürfnis nach einer offenen Beziehung nichts mit mir zu tun hat. Monogamie gibt einen Rahmen vor, den man in offenen Beziehungen neu erschaffen muss. Das ist nicht leicht und ist auch mit Wachstumsschmerz verbunden, der immer eintritt, wenn wir uns weiterentwickeln. In vielen anderen Bereichen unseres Lebens wie im Sport oder Beruf streben wir sogar danach.

Die jüngeren Generationen führen immer öfter offene Beziehungen. Ist die Monogamie out?
Das glaube ich nicht. Was jedoch immer weniger funktioniert, ist die unhinterfragte Monogamie, die für alle passen soll. Immer mehr junge Menschen fragen sich: Lebe ich monogam, weil das am besten zu mir passt oder weil ich es nur so kenne? 

Was, wenn man sich in jemand anderen verliebt?
Na ja, das kann in allen Beziehungen passieren. Mein Tipp: Redet darüber! Eine Verliebtheit muss nicht das Ende einer Beziehung bedeuten. Es lohnt sich, abzuwarten, bis die Hormon-Party im Gehirn vorbei ist. 

Was sind die grössten Anfängerfehler, wenn man seine Beziehung öffnet?
Zu schnell reinzuspringen. Die meisten Paare unterschätzen, dass es ständig Gespräche und Anpassungen braucht, damit sich beide wohlfühlen.

Wie war es, als verheiratete Frau zum ersten Mal mit jemand anderem zu schlafen?
Als Johannes und ich uns bereit fühlten, haben wir die ersten Erfahrungen gemeinsam gesammelt und uns mit einem anderen Paar getroffen. Das war total schön und hat auf allen Ebenen gepasst. 

Ganz ehrlich – welche Rolle spielt da die Eifersucht?
Eifersucht ist auch in offenen Beziehungen Thema – potenziell gibt es ja auch mehr Anlässe, eifersüchtig zu sein. Es geht nicht darum, keine Eifersucht mehr zu verspüren. Sondern darum, einen guten Umgang mit den eigenen Emotionen zu lernen und echtes Vertrauen zu gewinnen. 

Wie meinen Sie das?
Früher war ich krass eifersüchtig. Ich nahm jede andere Frau als potenzielle Bedrohung wahr. Häufig verwechseln wir Vertrauen mit Kontrolle oder Besitzansprüchen – besonders in monogamen Beziehungen. Man wiegt sich in Sicherheit, weil die Monogamie Exklusivität verspricht. 

Also haben Sie die Eifersucht überwunden?
Nein, und das will ich auch gar nicht. Unsere Gefühle erfüllen eine wichtige Signalfunktion und verdienen unsere Aufmerksamkeit. Auch wenn Eifersucht unangenehm ist, lohnt es sich, sie zuzulassen. Und sich zu fragen: Welches Bedürfnis steckt dahinter, das gerade nicht erfüllt ist? Welche Ängste habe ich? Was denke ich in diesem Moment über mich selbst?

Klingt sehr erwachsen. Und dann?
Dann fühlen wir uns unseren Emotionen weniger ausgeliefert und können bessere Entscheidungen treffen. Früher hätte ich in solchen Momenten impulsive Nachrichten verschickt oder mich unnötig in die Situation hinein gesteigert. Das ist nicht hilfreich. 

Und der neue Umgang funktioniert?
Ja, wobei das nicht heisst, dass es einfach ist. Viele Leute haben ja das Gefühl, dass offene Beziehungen von selbst laufen. Dabei benötigen sie deutlich mehr Arbeit und Gespräche, damit sich beide trotz der gewonnenen Freiheit sicher und geliebt fühlen. Ausserdem kann man sich auch in einer offenen Beziehung betrügen. 

Wie betrügt man, wenn Sex mit anderen erlaubt ist?
Auch in offenen Beziehungen gibt es gewisse Regeln, die ganz unterschiedlich aussehen können. Einige Paare einigen sich zum Beispiel darauf, dass man mit niemandem aus dem Freundeskreis etwas anfangen darf. Andere legen fest, dass man andere nur ein einziges Mal treffen darf. 

Als Eltern in einer offenen Beziehung zu leben: Ist das schwieriger?
Tatsächlich ist «Die armen Kinder» eine der häufigsten Reaktionen anderer Leute. Das trifft mich schon, denn als Mutter ist mein Kind meine Achillessehne. Wie vermutlich jeder Elternteil auf der Welt möchte ich für mein Kind die beste Mama sein. 

Wie gehen Sie mit dieser Abwertung um?
Ich erinnere mich daran, dass diese Menschen ein falsches Bild von offenen Beziehungen haben und dass ich als Frau und Mutter ein Recht darauf habe, glücklich zu sein. Als Traumapädagogin weiss ich: Um geborgen aufzuwachsen, brauchen Kinder ein stabiles Umfeld und verlässliche Bezugspersonen. Nicht per se eine monogame Elternbeziehung.

Ganz konkret: Wie oft treffen Sie und Ihr Mann andere Leute?
Offene Beziehungen werden gern mit endlosen Eskapaden in Verbindung gebracht. Aber auch das entspringt eher der blühenden Fantasie einiger Menschen. Ich kann nur für uns sprechen: Unsere Familie steht für uns im Fokus, und auch beruflich haben wir viel um die Ohren. Grob geschätzt treffen wir aktuell alle drei bis vier Monate mal jemanden. 

Wie viel erzählen Sie einander von Ihren Dates?
Ich brauche da nicht alle Details. Das ist aber ganz unterschiedlich, andere Paare geniessen es total, sich davon zu erzählen. Das kann sehr erotisierend sein. Man sollte aber immer genau darauf achten, was einem guttut. 

Was hat Sie Ihre offene Beziehung über die Liebe gelehrt?
Ich habe gelernt, dass wir Liebe so gestalten können, wie sie für uns passt – und dass sie das nicht weniger stark macht, ganz im Gegenteil. Für mich bedeutet Liebe, dass mein Mann und ich miteinander unser ehrlichstes Selbst sein können. Meiner Meinung nach sollte es nicht in erster Linie einfach sein. Viel wichtiger ist, dass beide die Bereitschaft mitbringen, Herausforderungen gemeinsam anzugehen.

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