Geduldig wie ein Lamm sitzt Taro (10) im Schnee und wartet, bis sein Herrchen Marcel Meier (65) ihm das Zeichen gibt zu suchen. Dann ruft Meier «Such», wie ein Pfeil schiesst der schwarze Labrador auf den Schneehaufen zu und beginnt zu scharren. Es dauert drei Sekunden und der Rucksack ist ausgebuddelt. Normalerweise birgt Taro keine Rucksäcke aus Schneehaufen, sondern Menschen und das aus vier Meter Tiefe. Sein Herrchen Marcel Meier ist Lawinenhundeführer, Fachleiter Hund der Alpine Rettung Schweiz und zuständig für die Ausbildung der Lawinenhunde. Er gibt uns an der Talstation Friherrenberg in Einsiedeln einen Einblick in seine und Taros Arbeit.
In der Schweiz wird in diesem Winter der Schnee vermisst, Skigebiete mussten schliessen, für den Wintertourismus ist die Situation besonders hart. Es gibt aber auch gute Seiten: Denn wenn weniger Schnee auf dem Berg ist, kann auch weniger hinabrutschen: Die Lawinengefahr wird geringer. So kommt es, dass es diesen Winter weniger Lawinentote gibt. 14 sind es stand jetzt.
Vor zwei Jahren waren es doppelt so viele Opfer
Das letzte Opfer: Am vergangenen Wochenende wurde in Arosa AR ein Schneetourengänger von einer Lawine erfasst wurde. Der 64-jähriger Mann konnte geborgen werden. Er starb einige Tage später im Spital. Auch in der Wintersaison 2021/2022 waren es 14 Lawinentote.
Ganz anders sah es noch vor zwei Jahren aus: Mehr als doppelt so viele Menschen starben am Berg. Einen Grund für diese hohe Zahl sieht Marcel Meier darin, dass während des Coronajahres, in dem die Skigebiete geschlossen waren, sich viele Schneesportler ausserhalb der Pisten bewegten. «So gingen viele Schneeschuhlaufen oder auf Skitouren. Abseits der Skigebiete herrscht grössere Lawinengefahr», sagt Meier. «Die meisten Unfälle geschehen dann, wenn erhebliche Lawinengefahr herrscht.»
Das Institut für Lawinenforschung bestätigt die, auf Anfrage gibt es an, dass nicht nur die Pandemie die Zahl der Lawinenopfer in die Höhe getrieben hat, sondern auch, dass im Winter 2020/21 die Schneebedingungen besser waren und es viele Sonnentage gab.
«Die ersten 15 Minuten sind immer die wichtigsten, wenn eine Person verschüttet wird», sagt Meier. «Wenn die Person länger als das im Schnee vergraben liegt, sind die Chancen gering, dass er oder sie überlebt.» Meier streichelt seinen Labrador, der ihn mit grossen Augen ansieht. In Arosa lag der Mann über eine halbe Stunde unter dem Schnee verborgen und konnte nur dank des Hundes gefunden werden – wenn auch zu spät.