Seit Wochen begegnet man Nemo auf allen Kanälen. Noch viel mehr nach seinem Sieg am Eurovision Song Contest (ESC). Nun legt eine neue repräsentative Studie des Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) nahe: Nemos ESC-Auftritt beeinflusste die Schweizer Bevölkerung in ihrer Einstellung gegenüber trans- oder non-binären Personen.
Die GDI-Forscher fragten erst 3000 und später noch einmal 1000 Menschen aus der Romandie und der Deutschschweiz, welche Gefühle es auslösen würde, wenn eine trans- oder non-binäre Person in ihre Nachbarschaft einziehen würde.
Zwei Wochen vor dem ESC sah das Ergebnis so aus: Ein Fünftel gab an, dabei negative Gefühle zu empfinden. 13 Prozent kreuzten an, das wäre positiv für sie. Zwei Drittel waren neutral eingestellt. Eine Woche nach dem ESC war das Verhältnis umgekehrt: Diesmal gab ein Fünftel an, positiv eingestellt zu sein. Und 13 Prozent empfanden einen Zuzug als negativ.
Nemo gab Non-Binarität ein Gesicht
Der GDI-Forscher Jakub Samochowiec erklärt sich das so: «Nemo hat dem abstrakten und für manche auch befremdlichen Konzept der Non-Binarität ein sympathisches Gesicht gegeben.»
Verschiedene Studien zeigen, so Samochowiec: Der Mensch ist jenem gegenüber eher abgeneigt, das man nicht kennt und nicht einordnen kann. Da lässt er sich von Vorurteilen leiten. Kontakt kann diesen entgegenwirken. Der Forscher vergleicht es mit der Migration: Oftmals sei Fremdenfeindlichkeit gerade dort am verbreitetsten, wo es die wenigsten Fremden gibt.
Dazu passt, dass in der GDI-Studie der ESC-Effekt bei den Unter-30-Jährigen am kleinsten und bei den Über-60-Jährigen am grössten war. Bei den Jungen reduzierte Nemo die negativen Einstellungen nur um drei Prozent, bei der Ältesten um zehn Prozent. Samochowiec sagt: «Die Jüngsten haben sich vermutlich wegen der sozialen Medien mehr mit dem Thema beschäftigt als die Ältesten.» Ein einzelnes Ereignis wie der ESC entfalte bei ihnen deshalb eine kleinere Wirkung.
Transgender-Verband freut sich
Ebenfalls eine positive Wirkung des ESC beobachtet Transgender Network Switzerland. Anis Kaiser, Leitung Advocacy, sagt: «Wir freuen uns sehr über Nemos Auftritt.» Nemo habe dem Anliegen non-binärer Menschen auch in der Politik mehr Anerkennung verschafft. Diese diskutiert über den dritten Geschlechtseintrag. Das Bundesamt für Justiz arbeitet aktuell an Massnahmen zur Verbesserung der Situation nicht binärer Personen. Doch Anis Kaiser gibt zu bedenken: Mit zunehmender Sichtbarkeit steige «leider auch die Häufigkeit von Hassverbrechen». Die LGBTIQ-Helpline habe das festgestellt.