Endlich steht Lori Glori (64) auf der Bühne: Es ist ein Auftritt, den sie längst verdient hat. 30 Jahre ist es her, seit sie den Welthits von DJ Bobo (56) ihre Stimme gegeben hat – und dabei fast leer ausgegangen ist. Im Musical «Last Night a DJ Took My Life» wird ihre bewegte Lebensgeschichte erzählt – mit Glori in der Hauptrolle.
«Es fühlt sich an, als ob eine Riesenlast von meinen Schultern gefallen ist», sagt die Sängerin nach der Premiere im Schiffbau des Schauspielhauses Zürich. «Es ist das erste Mal in all den Jahren, dass ich so etwas wie Gerechtigkeit verspüre.» Denn vor Gericht hat sie die nie bekommen. Glori stammt aus Kalifornien, als Kind sang die Amerikanerin Gospel, in den 1990er-Jahren kam sie nach Deutschland und war eine der bekanntesten Stimmen des Eurodance.
Die Begegnung mit Bobo
In diesem Umfeld kam es 1994 zur Begegnung mit DJ Bobo. «Er lobte meine Stimme und lud mich in sein Studio ein.» Um ein bisschen rumzuspielen. Es wurden gleich mehrere Songs aufgenommen. Danach bekommt Glori 10'000 deutsche Mark bar auf die Hand und unterschreibt ein Dokument. Sie ahnt nicht, dass sie damit ihre Urheberrechte abtritt: «Ich konnte kaum Deutsch und ich dachte, es sei eine Quittung.» Es ist das letzte Mal, dass sie mit DJ Bobo spricht.
Erst auf MTV sieht und hört sie, was daraus geworden ist: «Let the Dream Come True», ein Song den sie für DJ Bobo eingesungen hat. Ihre Anrufe beim Management sind vergeblich. Sie muss machtlos zusehen, wie DJ Bobo mit ihrer Stimme einen Hit nach dem andern landet: «There’s a Party», «Pray» und «Respect Yourself». Er macht damit Millionen während Glori auf der Strasse landet. Bis heute ist es DJ Bobos Frau Nancy, die Loris Stimme an Konzerten lipsynct – also so tut, also ob sie singen würde.
«Soweit ich das einschätzen kann, singt Nancy keine der weiblichen Leadstimmen live, sie lipsynct eine Vielzahl an professionellen Sängerinnen», sagt Joana Tischkau (40). Die Regisseurin hat das Musical aufgrund des Schicksals von Glori inszeniert. «Es geht darum, jemandem Gehör zu verschaffen, dessen Stimme gegenüber den Mächtigeren in der Musikbranche nicht laut genug war.» Im Mittelpunkt des Stücks steht ein weisser DJ, der mit der Stimme einer schwarzen Frau das grosse Geschäft macht. Wenn dieser DJ im rotweissen Kostüm und Clown-Maske auftritt und erzählt, wie er es mit seiner Mittelmässigkeit zum grossen Erfolg gebracht hat, weil Bodenständigkeit und Fleiss wichtiger sind als Talent, dann weiss jeder im Publikum, von wem die Rede ist. «Aber die Stimme von Glori ist nicht Mittelmass, sondern überdurchschnittlich gut und er hat sich einfach daran bedient», sagt die Regisseurin.
Die alte Wut kommt hoch
Zwar sind die Figuren des Stücks fiktional, so wird der DJ nie beim Namen genannt. Aber die Dialoge sind inspiriert von dessen Zitaten. Es ist eine gnadenlose Demontage des berühmten Hitmachers. Und die aufgedonnerte Blondine an seiner Seite, die zu Gloris kraftvoller Stimme bloss piepst oder die Lippen bewegt, heisst «Dancy Nancy». Eine Parodie, aber so bitterbös treffend, dass sogar Glori darauf reinfällt. «Wenn ich auf der Bühne wieder erlebe, wie meine Schauspielkolleginnen und -kollegen mit meiner Stimme eine Show abziehen, kommt die Wut in mir hoch.»
Es erinnert sie an eines ihrer schlimmsten Erlebnisse mit DJ Bobo. Es ist 1995 als er in Deutschland an einem Giga-Konzert auftritt. Glori schaut sich die Show mit ihrer 10-jährigen Tochter an. «Ich stand inmitten von Tausenden Zuschauern, als ich meine eigene Stimme hörte. Aber sie jubelten anderen zu. Es hat mir das Herz zerrissen.» Und das Traurigste: «Ich habe mich vor meiner eigenen Tochter geschämt.»
Zu all dem schweigt DJ Bobo, er gibt auf unsere Anfrage zu Lori Glori «Keinen Kommentar» ab. Diesen Sommer tourt er mit Gloris Stimme durch Südamerika.
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