Ein harmloses Alltagsfoto kann reichen, um ein Gesicht auf einen nackten Körper zu montieren. Solche Deepfakes, also mit künstlicher Intelligenz manipulierte Fotos und Videos, sind inzwischen gut. So gut, dass man reale von gefälschten Abbildungen fast nicht mehr unterscheiden kann. Deepfakes kommen in der Schweiz immer häufiger vor, darunter auch pädokriminelles Material.
«Wir raten Eltern und Jugendlichen, keine leicht zugänglichen Bilder im Internet zu posten», sagt Regula Bernhard Hug (49), Leiterin der Geschäftsstelle von Kinderschutz Schweiz. Denn: Man wisse nie, wer ein Bild speichern, klauen oder weiterverbreiten würde. «Manche Eltern laden aber immer noch ungehemmt Fotos ihrer Kinder hoch.» Das Wissen, was mit diesen Fotos passieren könne, würde fehlen.
Sensibilisierungskampagne soll helfen
Unter anderem werden Deepfakes immer häufiger für sogenannte Sextortion missbraucht – also die Erpressung durch intime Fotos und Videos. Laut Bernhard Hug seien bei der Meldestelle clickandstop.ch, die von Kinderschutz Schweiz und der Guido Fluri Stiftung betrieben wird, 2023 die Anfragen in Bezug auf Sextortion stark angestiegen. Sie machten rund die Hälfte der Auskünfte und Beratungen aus.
Um zu sensibilisieren, hat Kinderschutz Schweiz deshalb eine Kampagne gegen Cybersexualdelikte an Kindern und Jugendlichen lanciert. Dafür hat die Stiftung mit dem Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV), der Schweizerischen Kriminalprävention SKP, der Polizei, Fedpol und weiteren Partnern zusammengespannt. Die Kampagne soll aufklären und Schutzstrategien aufzeigen.
Viele Kinder und Jugendliche betroffen
«Heutzutage erlebt fast jedes Kind früher oder später sexuelle Belästigung im Netz», sagt Bernhard Hug. Tatsächlich gibt jeder und jede zweite Jugendliche in einer Studie der ZHAW an, online schon einmal sexuell belästigt worden zu sein.
Aber auch von Cybersexualdelikten sind vor allem Kinder und Jugendliche betroffen. Dazu zählen etwa Abbildungen von sexualisierter Gewalt an Kindern, Cybergrooming oder eben Sextortion. Ein Blick in die aktuelle polizeiliche Kriminalstatistik zeigt: 85 Prozent der Betroffenen solcher Delikte sind unter 20 Jahre alt.
Dunkelziffer ist gross
Letztes Jahr wurden 2611 Cybersexualdelikte registriert. Diese Zahlen seien aber mit Vorsicht zu geniessen, so Bernhard Hug. «Viele gehen nämlich gar nicht erst zur Polizei.» Zu gross seien Angst und Scham. Auch die Zahlen des National Center for Missing & Exploited Children (NCMEC) deuten darauf hin, dass die Dunkelziffer gross ist. Die amerikanische Kinderschutzorganisation übermittelte dem Fedpol letztes Jahr 14'420 Verdachtsmeldungen auf Pädokriminalität, die einen Schweiz-Bezug hatten.
Regula Bernhard Hug rät Betroffenen von Cybersexualdelikten, sich unbedingt bei Melde- und Beratungsstellen wie clickandstop.ch und bei der Polizei zu melden. Und: «Unbedingt darüber sprechen.» Auch darüber, dass nicht alles, was man sehe, real sei. Auch den Eltern rät Bernhard Hug, mit ihren Kindern über solche Themen zu sprechen. «So dass sie wissen, dass sie sich ihnen anvertrauen können.»
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«Gesellschaft und Politik hinken der Technologie hinterher», sagt Bernhard Hug. Deshalb sei es umso wichtiger, dass man über Themen wie Cybersexualdelikte spreche. Und immer neu darauf sensibilisiere.