Auf einen Blick
- Wolf Haas’ neuer Roman «Wackelkontakt» überrascht mit einzigartigem Erzählstil
- Zwei Erzählstränge wechseln sich ab, wenn Protagonisten zum Buch greifen
- Haas’ zehnter Brenner-Krimi ist es nicht, sondern ein neues Experiment
Bereits auf Seite 25 gibt es einen Toten: Franz Escher schiebt gedankenlos die beiden Sicherungen hoch, während der Elektriker an einer defekten Steckdose hantiert. «Im selben Moment hörte er ein leichtes Klacken in der Küche.» Dem Handwerker fällt der Schraubenzieher zu Boden, und mit einem Rumpeln kracht danach der leblose Körper hinunter.
Ein lakonischer Tod, wie man ihn von den Büchern über den schrulligen Privatdetektiv Simon Brenner aus der Feder des österreichischen Bestsellerautors Wolf Haas (64) kennt. Doch «Wackelkontakt» ist nicht der zehnte Brenner-Krimi, sondern ein neuer Roman. Und während Haas in der Krimi-Serie die Lesererwartungen bedient, überrascht er in den Romanen stets mit neuer Form.
«Ursprünglich war die Brenner-Sprache auch ein ziemlicher Affront für Leser, die eine ordentliche Krimisprache wollten», sagt Haas gegenüber Blick. «Jetzt ist es eben etabliert, aber damals bin ich schon für verrückt erklärt worden mit dieser kaputten Sprechsprache.» «Jetzt ist schon wieder was passiert» oder «Aber jetzt pass auf!» sind heute Kultsätze, die sich Brenner-Fans zuwerfen.
Jeder Roman ist ein einzigartiges Juwel
Bei den Haas-Romanen gibt es keinen Wiedererkennungseffekt, weil jedes Buch ein einzigartiges Juwel ist: Ist «Das Wetter vor 15 Jahren» (2006), in dem zwei Personen über das Buch sprechen und so den Inhalt vermitteln, in Interviewform gehalten, enthält «Die Verteidigung der Missionarsstellung» (2012) einzelne Sätze, die sich diagonal über eine Seite erstrecken.
Da merkt man, dass sich Haas für seine Doktorarbeit in Germanistik einst intensiv mit der konkreten Poesie beschäftigt hat. In «Wackelkontakt» wagt er ein neues, formales Experiment: Um die Wartezeit auf den Elektriker zu überbrücken, liest Escher ein Buch über einen ehemaligen Mafioso, der in einem italienischen Gefängnis auf die Entlassung in ein Zeugenschutzprogramm wartet.
Elio Russo – so heisst der Aussteiger – soll in Deutschland ein neues Leben unter dem Namen Marko Steiner beginnen. Um die deutsche Sprache zu erlernen, liest er ein deutsches Buch – über einen Franz Escher, der auf einen Elektriker wartet. So wechseln die Erzählstränge immer wieder ab, sobald einer der beiden Protagonisten zum Buch greift und liest. Das ist spielerisch leicht wie ein Pingpong-Spiel.
«‹Wackelkontakt› ist nicht nur der Buchtitel, es beschreibt auch das lustvolle Gefühl, wenn der Funke endlich überspringt», sagt Haas. «Mir hat noch keines meiner Bücher beim Schreiben so viel Spass gemacht, weil ich mich immer gewundert hab, dass ich doch noch eine Runde weitergekommen bin.» Bis sich am Schluss die beiden Erzählstränge ineinander verwickeln und sich die Figuren treffen.
Wie die «unmöglichen Figuren» von M. C. Escher
Es scheint kein Zufall zu sein, dass die eine Figur Escher heisst, denn der Roman erinnert formal an die weltberühmten «unmöglichen Figuren» des niederländischen Künstlers M. C. Escher (1898–1972): zwei Hände mit Bleistift, die sich gegenseitig zeichnen, Wasser, das nach unten fällt und über einen Kanal in einer optischen Täuschung wieder nach oben führt, oder Vögel, die unten allmählich in Fische übergehen.
«Ich plane so was ja nie – bei dem jetzigen Buch wars sogar so, dass ich mir dachte, das wird wohl nicht funktionieren, es wird mich nach ein paar Seiten raushauen», sagt Haas. Er suche einfach eine formale Beschleunigung, die ein bisschen Schwung in die Erzählung bringe. «Das Spazierengehen wird ja auch erst lustig, wenn die Strasse eisig ist.»
Haas rutscht aber nie aus. Vielmehr bewegt er sich in seinem neuen Buch elegant wie ein Eiskunstläufer und schlägt fantastische Pirouetten. «Wackelkontakt» ist trotz der komplexen Konstruktion ein leicht zu lesendes Buch, das einem mit den überraschenden Wendungen ein Lächeln abringt. Durch die Form entsteht die Geschichte erst richtig und kriegt einen Sinn.
«Ich liebe grundsätzlich Bücher, wo ich schon auf der ersten Seite durch einen ganz eigenen Tonfall gefangen genommen werde», sagt Haas. «Durch einen Tonfall werde ich viel stärker gebannt als durch einen spannenden Plot.» Die deutschsprachige Literatur sei ja weltweit für ihren Bierernst gefürchtet, sagt er und schliesst: «Aber solang ein paar Spinner wie ich auch Platz haben, bin ich zufrieden.» Wir auch.
Wolf Haas: «Wackelkontakt», Hanser
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