«Mein Herz ist 37, meine Haut 28 und meine Lunge 18 Jahre alt», sagt Bryan Johnson (45) in einem seiner Videos. Ausdruckslos blickt er in die Kamera: rote Haare, blasse Haut, kein Gramm Fett zu viel. Der US-Multimillionär hat sein Leben einem einzigen Ziel verschrieben: Seinen Alterungsprozess nicht nur aufzuhalten, sondern sogar rückgängig zu machen. Er will, dass sein Körper wieder 18 ist.
Jedes Jahr investiert Johnson Millionen von Dollar in die «Longevity», seine Langlebigkeit. Ein Team aus 30 Medizinerinnen, Ernährungs- und Trainingsspezialisten kümmert sich rund um die Uhr um den Mann, der 2013 den Bezahldienst Braintree an Ebay verkaufte und über Nacht steinreich wurde.
Mittels Ernährung, Training und immer gleichem Tagesrhythmus soll jedes von Johnsons Organen zur maximalen Gesundheit optimiert werden. Tägliche Tests dokumentieren den Fortschritt. Bisher soll er sein biologisches Alter im Schnitt um fünf Jahre gesenkt haben, so der Bericht.
Neuerdings kann man unterschiedliche Alter haben
Um 5.30 Uhr klingelt der Wecker. Als Erstes stellt sich Johnson auf die Waage, dann frühstückt er ein Pulverwässerchen aus Spermidin, einem Botenstoff, der auch in unseren Zellen vorkommt. Dazu 60 Vitaminpillen und drei Löffel pures Olivenöl. Zum Abschluss kaut er zwei Kaugummis – um die Speichelproduktion anzuregen. Nach exakt 60 Sekunden spuckt er sie wieder aus.
Eine halbe Million Menschen schaut ihm auf Youtube, Tiktok und Instagram dabei zu. Für sogenannte Biohacker ist Johnson das ultimative Vorbild. Das sind Leute, die versuchen, mit vermeintlichen Hacks den Alterungsprozess ihres Körpers aufzuhalten.
«Die epigenetische Uhr liegt momentan im Trend», sagt Hartmut Geiger, Direktor des Instituts für Molekulare Medizin an der süddeutschen Universität Ulm. Sein chronologisches Alter ist 53, sein biologisches will er sich zum Spass demnächst einmal abklären lassen. Unterschiedliche Alter zu haben, das sei eine relativ neue Entwicklung. «Doch es ist noch nicht bewiesen, dass sich das biologische Alter eindeutig vom chronologischen trennen lässt», so Geiger.
Bryan Johnsons sogenanntes «Projekt Blueprint» beschreibt Geiger als «bizarre Mischung»: Einerseits sei es extrem selbstzentriert und deshalb wissenschaftlich kaum relevant. «Das Experiment wird nur an einer einzigen Person durchgeführt – ob es in allen Fällen zum Erfolg führt, wage ich stark zu bezweifeln.» Zweitens sei es ein sehr teures und aufwändiges Prozedere. «Als Vorbild für die breite Masse dürfte es kaum taugen.» Geiger vermutet ausserdem, dass Johnson Substanzen einnimmt, die noch nicht marktreif sind.
Ewige Jugend – doch zu welchem Preis?
Was das grosse Interesse an Johnsons Blueprint-Projekt betreffe, müssten wir bei der gesellschaftlichen Grundfrage ansetzen, sagt Geiger: «Welchem Menschenbild hängt man nach, wenn man es dermassen erstrebenswert findet, für immer 18 Jahre alt zu sein?»
So sei die Annahme, dass ewige Jugend und Schönheit glücklich mache, ein Trugschluss. «Klar, eine ausgewogene Ernährung und Bewegung ist gesund», so Geiger. Doch lasse Johnsons durchgetakteter Tagesablauf keinen Raum für das, was es gemäss Statistiken für ein glückliches Leben brauche: Freundschaften, neue Erfahrungen und Abwechslung, wenig Stress, frische Luft und hin und wieder etwas Abenteuer.
Am Ende seines Videos zeigt Johnson seine zweistündige Workout-Routine und crèmt sich minutiös mit unzähligen Mittelchen ein. Schliesslich ist es Zeit fürs Mittagessen: Gemüse und Proteine. Johnson isst exakt 1977 Kalorien am Tag. Er blickt ernst in die Kamera: «Um meinen Plan zu erfüllen, habe ich jegliches selbstzerstörendes Verhalten aus meinem Leben verbannt.» So nennt er es, wenn jemand einmal zu viel oder vom falschen Essen isst, Alkohol trinkt oder sonst irgendwie über die Stränge schlägt.
Am Nachmittag folgen die medizinischen Untersuchungen und Tests. Genau um 20.30 Uhr geht Johnson ins Bett. So wie jeden Abend. Und wenn er nicht gestorben ist, dann lebt er noch in 100 Jahren.