Kultur-Debatte in der Filmbranche
Serie mit schwarzer Kleopatra sorgt für Ärger

Wegen der Hautfarbe von Kleopatra gibt es gerade Streit. Auslöser ist eine Netflix-Serie, eine schwarze Frau spielt die ägyptische Königin. Das ist kein Einzelfall. Die Identität der Schauspieler stimmt oft nicht mit der Vorlage überein. Wir haben sechs Beispiele.
Publiziert: 06.05.2023 um 17:05 Uhr
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«Queen Cleopatra» – um diese Serie geht es in einer aktuellen Debatte.
Foto: Screenshot Netflix
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Rebecca WyssRedaktorin Gesellschaft / Magazin

Sie war klug, verführte die mächtigsten Männer des Römischen Reichs und soll sich mit dem Gift einer Kobra, die sie an ihren Arm gesetzt haben soll, das Leben genommen haben: Kleopatra, Herrscherin über Ägypten. Seit über 2000 Jahren ist sie tot – doch ihr Mythos lebt weiter. Auch weil vieles über sie im Dunkeln liegt: War sie weiss? War sie dunkelhäutig? Darüber ist nun ein Streit entbrannt.

Auslöser ist die Netflix-Serie «Queen Cleopatra», die ab 10. Mai in vier Folgen ihre Geschichte erzählt. In der Hauptrolle: Adele James (27). Eine schwarze Britin als Königin vom Nil. Skandal! – trompetete es vor kurzem aus Ägypten. Unter anderem griff Zahi Hawass (75), der ehemalige Antikenminister, die Serien-Macherinnen öffentlich in einem Interview an, der Film sei «komplett gefälscht». Kleopatra sei griechisch gewesen. «Ihre Haut war heller, nicht schwarz.» Sein Vorwurf: positiver Rassismus.

Das stachelte die iranischstämmige Regisseurin der Serie, Tina Gharavi (50), zu einer Replik an. Adele James, schrieb sie auf einem Filmportal, sehe Kleopatra ähnlicher, als es Elizabeth Taylor im legendären Epos aus den Sechzigern jemals getan habe. Schob nach: «Was also stört euch so sehr an einer schwarzen Kleopatra?»

Früher hiess es: Zu weiss

Die Debatte wirkt bizarr, das Thema hatten wir schon mal. Die israelische Schauspielerin Gal Gadot (38) sollte in einer anderen US-Monumentalproduktion Kleopatra spielen und hatte keine Chance, als das 2021 rauskam, weil: zu weiss! Eine schwarze Frau sollte es sein.

Jetzt könnte man sagen: Aufhören, die Diskussion ist lächerlich! Doch die Sache ist ernst. Sie ist Teil eines Kulturkampfs um Herkunft, um Identität, der längst in die Filmbranche übergeschwappt ist. Die an den Rand gedrängten Minderheiten fordern ihren Platz in der Gesellschaft.

Lange war es normal, dass weisse Schauspielerinnen und Schauspieler Rollen übernehmen, die gemäss fiktiver Vorlage oder historischer Fakten von jemandem mit einer anderen Hautfarbe oder Ethnie gespielt werden sollte – «Whitewashing», wie das heisst. Oder dass weisse Darsteller mit schwarzer Farbe zu Dunkelhäutigen gemacht werden – sogenanntes «Blackfacing».

Bis heute ist die Identität der Schauspielerinnen und Schauspieler oft nicht akkurat. Wir haben von Liz Taylor (79) in «Cleopatra» bis Scarlett Johansson (38) in «Ghost in the Shell» sechs Film-Beispiele zusammengetragen. Wann dies ein Problem ist, müssen wir als Gesellschaft verhandeln. Wie geht es aber mit Kleopatra weiter? Die nächste Debatte kommt bestimmt. Spätestens, wenn sich eine asiatische Schauspielerin für die Rolle ankündigt.

Diese sechs Filme zeigen, dass die Darstellerinnen und Darsteller oft eine als falsch empfundene Identität haben:

Orson Welles in «Othello» (1951)

Shakespeares Othello ist ein schwarzer Feldherr im Dienste Venedigs, der aus übertriebener Eifersucht seine geliebte Ehefrau Desdemona tötet – und dann sich selbst. Anders inszenierte es der weisse Schauspieler und Regisseur Orson Welles (1915–1985) in seinem Film. Für die Hauptrolle schminkte er sein Gesicht schwarz. Blackfacing war damals kein Thema: 1952 erhielt der Film den Grand Prix am Filmfestival von Cannes.

UNITED ARTISTS / Album

Shakespeares Othello ist ein schwarzer Feldherr im Dienste Venedigs, der aus übertriebener Eifersucht seine geliebte Ehefrau Desdemona tötet – und dann sich selbst. Anders inszenierte es der weisse Schauspieler und Regisseur Orson Welles (1915–1985) in seinem Film. Für die Hauptrolle schminkte er sein Gesicht schwarz. Blackfacing war damals kein Thema: 1952 erhielt der Film den Grand Prix am Filmfestival von Cannes.

Tony Curtis und Jack Lemmon in «Some Like It Hot» (1959)

In «Some Like It Hot» hat Billy Wilder die falsche Identität zum roten Faden gemacht. Wären Jack Lemmon (1925–2001) und Tony Curtis (1925–2010) nicht in Frauenkleider geschlüpft und hätten sich so getarnt nicht einer Frauenkapelle angeschlossen – sie hätten wohl nicht überlebt. Schliesslich waren sie zuvor Zeugen eines Mafia-Mordes geworden. Die zwei gestandenen Kerle, die durch die Räume stöckelten – es wirkte lächerlich und sehr lustig!

imago/Cinema Publishers Collection

In «Some Like It Hot» hat Billy Wilder die falsche Identität zum roten Faden gemacht. Wären Jack Lemmon (1925–2001) und Tony Curtis (1925–2010) nicht in Frauenkleider geschlüpft und hätten sich so getarnt nicht einer Frauenkapelle angeschlossen – sie hätten wohl nicht überlebt. Schliesslich waren sie zuvor Zeugen eines Mafia-Mordes geworden. Die zwei gestandenen Kerle, die durch die Räume stöckelten – es wirkte lächerlich und sehr lustig!

Pierre Brice in «Winnetou» (ab 1962)

«Der Schatz im Silbersee» schlug gleich ein, neun weitere Winnetou-Filme folgten. Nicht zuletzt wegen des französischen Hauptdarstellers: Pierre Brice (1929–2015). Er sah solche Rollen nie kritisch. Andere hingegen schon. Die indigene Aktivistin Sacheen Littlefeather (1946–2022) lehnte 1972 im Namen von Schauspieler Marlon Brando (1924–2004) einen Oscar ab, weil sie damit die klischierte Darstellung von Indigenen in Hollywood anklagen wollten.

Allstar/Jadran Film

«Der Schatz im Silbersee» schlug gleich ein, neun weitere Winnetou-Filme folgten. Nicht zuletzt wegen des französischen Hauptdarstellers: Pierre Brice (1929–2015). Er sah solche Rollen nie kritisch. Andere hingegen schon. Die indigene Aktivistin Sacheen Littlefeather (1946–2022) lehnte 1972 im Namen von Schauspieler Marlon Brando (1924–2004) einen Oscar ab, weil sie damit die klischierte Darstellung von Indigenen in Hollywood anklagen wollten.

Liz Taylor in «Cleopatra» (1963)

Diese Frau kannte in den Sechzigern alle Welt: Liz Taylor. Sie war britische Amerikanerin – und hatte gar nichts von Kleopatra. Dafür war sie betörend schön, mit schwarz umrandeten Augen, so spielte sie ihren Geliebten Richard Burton (1925–1984) an die Wand. Damals schon sperrte sich Ägypten gegen die Hauptdarstellerin. Taylor war zum Judentum konvertiert, unterstützte öffentlich Israel. Und Ägypten verbot für einige Zeit die Dreharbeiten auf seinem Boden.

imago/United Archives International

Diese Frau kannte in den Sechzigern alle Welt: Liz Taylor. Sie war britische Amerikanerin – und hatte gar nichts von Kleopatra. Dafür war sie betörend schön, mit schwarz umrandeten Augen, so spielte sie ihren Geliebten Richard Burton (1925–1984) an die Wand. Damals schon sperrte sich Ägypten gegen die Hauptdarstellerin. Taylor war zum Judentum konvertiert, unterstützte öffentlich Israel. Und Ägypten verbot für einige Zeit die Dreharbeiten auf seinem Boden.

Scarlett Johansson in «Ghost in the Shell» (2017)

Der Film «Ghost in the Shell» basiert auf einem japanischen Science-Fiction-Klassiker. Die US-Schauspielerin Scarlett Johansson spielt die Hauptrolle: eine japanische Cyborg-Frau. Und wurde dafür nach Vorlage eines Mangas geschminkt: blasse Haut, schwarzer Pagen-Haarschnitt. Das sorgte für Ärger. Constance Wu (41), US-amerikanische Schauspielerin taiwanesischer Abstammung, protestierte: Das sei «modernes Blackfacing».

imago/ZUMA Press

Der Film «Ghost in the Shell» basiert auf einem japanischen Science-Fiction-Klassiker. Die US-Schauspielerin Scarlett Johansson spielt die Hauptrolle: eine japanische Cyborg-Frau. Und wurde dafür nach Vorlage eines Mangas geschminkt: blasse Haut, schwarzer Pagen-Haarschnitt. Das sorgte für Ärger. Constance Wu (41), US-amerikanische Schauspielerin taiwanesischer Abstammung, protestierte: Das sei «modernes Blackfacing».

Brendan Fraser in «The Whale» (2022)

Der US-Schauspieler Brendan Fraser (54) schlüpfte für die Rolle des fast 300 Kilo schweren Charlie in einen Fatsuit. Charlie isst und isst, weil er über den Tod seiner grossen Liebe nicht hinwegkommt. Aktivistinnen kritisierten den Film, ihr Argument: Für die Rolle hätte ein tatsächlich adipöser Mensch gecastet werden sollen. Mit Fraser verhöhne man Adipöse. Fraser gewann einen Oscar als bester Hauptdarsteller.

IMAGO/Everett Collection

Der US-Schauspieler Brendan Fraser (54) schlüpfte für die Rolle des fast 300 Kilo schweren Charlie in einen Fatsuit. Charlie isst und isst, weil er über den Tod seiner grossen Liebe nicht hinwegkommt. Aktivistinnen kritisierten den Film, ihr Argument: Für die Rolle hätte ein tatsächlich adipöser Mensch gecastet werden sollen. Mit Fraser verhöhne man Adipöse. Fraser gewann einen Oscar als bester Hauptdarsteller.

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