Künstliche Intelligenz wälzt die Kunstwelt um
Diese Maschinen-Kunst räumt Preise ab

Künstliche Intelligenz macht Künstlern Konkurrenz. Das Resultat ist verblüffend gut. Preiswürdig! Was macht das mit uns? Eine Expertin erklärt.
Publiziert: 01.05.2023 um 11:30 Uhr
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Aktualisiert: 02.05.2023 um 17:13 Uhr
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Der Chatbot ChatGPT basiert wie viele andere auch auf KI.
Foto: AFP
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Rebecca WyssRedaktorin Gesellschaft / Magazin

Künstliche Intelligenz (KI). An diesem Thema kommt man nicht mehr vorbei. Plötzlich sprechen alle über Chatbots wie ChatGPT. Über Bildprogramme wie Midjourney. Vor allem aber über deren Produkte: Songtexte, Fotos. Kunst!

Mit «Théâtre d’opéra spatial» fing es an, zum ersten Mal gewann ein KI-Gemälde einen Kunstpreis. Ähnliches geschah vor kurzem in der Fotografie: Man kürte Boris Eldagsen mit seinem KI-Werk «Pseudomnesia: The Electrician» zum Preisträger. Und vor gut einer Woche ging der KI-Song «Heart on My Sleeve» viral – ein täuschend echtes Duett der US-Superstars Drake und Weeknd.

Die Reaktionen waren bei allen ähnlich, als rauskam, dass der Computer dahintersteckt: Bewunderung gepaart mit Schrecken. Und Ratlosigkeit: Was passiert da gerade? Fest steht: KI wälzt die Kunstwelt um. Und das in Überschallgeschwindigkeit.

Was ist Kunst?

Dragica Kahlina überrascht das Tempo nicht. Für die Co-Leiterin des Masters Music and Digital Creation an der Hochschule Luzern gab es einen Kipppunkt: mit dem Zugang der breiten Masse zu den KI-Werkzeugen. Jeder kann die Programme mit ein paar Klicks downloaden. Das bringt nun viel in Gang, sagt sie: «Die Gesellschaft wird neu verhandeln müssen: Was ist Kunst?»

Die Haltung vieler Künstlerinnen und Künstler ist klar: Die US-Musikgrösse Nick Cave nannte KI-Songtexte, die ihm Fans schickten, eine «groteske Verhöhnung dessen, was es heisst, ein Mensch zu sein». Und Herbert Grönemeyer legte jüngst in der «Süddeutschen Zeitung» nach: «Kunst (...) entsteht immer auch aus einer Portion Unsicherheit, oft auch Verzweiflung. Das kann kein Computer. Der kann noch so versuchen, uns das Besondere aus der Seele zu saugen, aber er kann es nicht.»

Ein hübsches Bild, bitte

Das klingt nach Frust. Dozentin Kahlina erklärt diesen so: Bislang sei immer klar gewesen: Kunst ist, was ein Mensch mit einer Absicht dahinter schafft. Kunst ist, was tiefgründig ist, sperrig, die Gesellschaft reflektiert. «Doch durch KI sehen wir nun, dass die Leute einfach ein hübsches Bild wollen, das sie ins Wohnzimmer hängen können», sagt sie.

Zum Schluss weist Kahlina auf ein handfestes Problem hin: «KI wird vielen Künstlern die Existenzgrundlage nehmen.» Heute halten sich diese nicht mit ihrer Kunst über Wasser, sondern mit sogenannter Gebrauchskunst: Illustrationen, Logodesign, Webdesign. Für sie steht fest: «All diese Jobs werden wegfallen.»

Diese drei Werke sorgten in der letzten Zeit für Gesprächsstoff:

Das Gemälde «Théâtre d’opéra spatial»

Das Gemälde: «Théâtre D’opéra Spatial».
Foto: zvg

«Théâtre d’opéra spatial» hat Kunstgeschichte geschrieben: Es ist das erste von einer künstlichen Intelligenz geschaffene Bild, das mit einem Preis ausgezeichnet wurde. Mit dem Kunstpreis des US-Bundesstaats Colorado. Sein Erschaffer: Jason Allen, ein Onlinebrettspiele-Entwickler. Mit Kunst hatte er davor nichts zu tun. Als rauskam, dass er es mit einem KI-Bildprogramm geschaffen hatte, brach ein Sturm los, bis nach Europa. Kritiker sagten sinngemäss: Du bist kein Künstler. Allen hielt in Interviews dagegen: «KI ist genauso ein Werkzeug wie ein Pinsel.»

Das Foto «Pseudomnesia: The Electrician»

«The Electrician» gewann in der Kategorie «Kreativ».
Foto: Boris Eldagsen

Boris Eldagsen gewann mit seinem Fake-Foto den renommierten Wettbewerb Sony World Photography Awards. Dabei war der Berliner gar nicht auf den Preis aus. Er hatte anderes vor: einen Test. Dem Bayerischen Rundfunk sagte er: «Ich hätte nie gedacht, dass das Bild so weit kommt.» Doch das kam es. Eldagsen lehnte die Auszeichnung ab. Sein Ziel: eine Debatte über künstliche Intelligenz anstossen. Nun pocht er auf eine strikte Trennung von Fotografie und KI-Fotografie. Nicht, weil er KI schlecht findet. Im Gegenteil: Er will, dass es als eigenständige Kunstform anerkannt wird.

Der Song «Heart on My Sleeve»

Drake gab im März in Chile ein Konzert.
Foto: Getty Images

Es ging rasend schnell, und der Song hatte Millionen Menschen erreicht: «Heart on My Sleeve». Ein Unbekannter hatte ihn auf Tiktok, Youtube und dann auch über Streamingdienste wie Spotify und Apple Music hochgeladen. Warum er viral ging? Er klingt exakt so, als sei er von den US-Stars Drake und The Weeknd gesungen. Ein Duett, das nie stattgefunden hat. Fest steht: Mittlerweile reichen sogar bereits ein gesprochener Satz oder drei Sekunden Tonmaterial aus, um eine komplette Stimme zu imitieren, in der Fachsprache: synthetisieren.

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