Es ist eine Schmierenkomödie der ekligen Art: In der Pause der Ballett-Premiere «Glaube – Liebe – Hoffnung» vom 11. Februar am Staatstheater Hannover (D) attackiert der Chefchoreograf Marco Goecke (50) eine Kritikerin der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» («FAZ») mit Kot seines Dackels. Sie habe seine Arbeit stets in den Dreck gezogen, so die Begründung. Goecke hat Glaube, Liebe und Hoffnung verloren, dass das anders wird. Nun ist er seinen Job los.
Kritik kann kränken. Da studiert einer wochenlang ein Stück ein, dreht über Monate einen Film oder schreibt während Jahren an einem Buch. Und nur Stunden oder Tage nach der Veröffentlichung: der Verriss! Die grosse Arbeit ist von einem kleinen Tüpflischisser scheinbar vernichtet. Der Reaktionen sind viele, bis hin zu den berühmten Worten des deutschen Dichters Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) nach einer Kritik an seinem Theaterstück «Götz von Berlichingen» (1773): «Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent.»
«Knallt den Regisseur ab!», titelte ich 1998 im Blick zum Theaterstück «Zyrikon» und zitierte dabei bloss einen Satz aus der missglückten Aufführung im Schauspielhaus Zürich. Der damalige Direktor Gerd Leo Kuck (79) nahm es mir übel. Ein wochenlanger Schlagabtausch folgte. Kuck stellte sich aber dem Gespräch und sagte mir im Interview: «Harsche Kritiken erregen immer ziemliche Neugier.» Und schliesslich lud er mich zu einer Podiumsdiskussion ein, an der ich einer Phalanx des Schauspielhauses gegenübersass – raffinierte Rache!
Eloquent, erregt oder elegant
2002 schrieb ich für das Nachrichtenmagazin «Facts» eine Kurzkritik zu «Monsieur Ibrahim und die Blumen des Korans» des französischen Autors Eric-Emmanuel Schmitt (62) und schloss mit den Worten: «Nicht genug, dass es eine schwache Geschichte ist – sie ist auch noch schlecht übersetzt.» Eine Petitesse, so meinte ich. Doch prompt hatte ich den wütenden Verleger Egon Ammann (1941–2017) am Telefon. Eine Richtigstellung müsse her, was natürlich Unsinn war. Aber das Engagement für seinen Autor beeindruckte mich sehr.
Zehn Jahre später haute ein Schriftsteller selber in die Tasten. «Es hat keine Art, mit dem Verfasser eines Verrisses zu streiten», schrieb mir Adolf Muschg (88) nach meiner Kritik zu seinem Roman «Löwenstern» in der «SonntagsZeitung». Und trotzdem folgte ein Briefwechsel und ein Leserbrief von Muschg, in dem er einen Aphorismus von Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799) zitierte: «Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstossen und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?» Gut gegeben!
Ob eloquent, erregt oder elegant – es blieb hier immer bei Worten, und wir können uns heute wieder in die Augen schauen. Das unterscheidet diese Reaktionen von derjenigen Goeckes: Schliesslich ist er nun der arme Hund. Und seine letzte «Performance» wird sein ganzes Schaffen auf ewig beschmutzen.
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