Wer im Kanton Zürich mit seinem Hund im oder in der Nähe des Waldes spazieren geht, muss ihn ab Samstag an die Leine nehmen. «Es gibt viele Hundehalter, die das noch nicht wissen», sagt Peter Schönmann (68), Jagdaufseher in Zumikon ZH.
Anfang Jahr wurde das kantonale Hundegesetz angepasst, damit gilt neu vom 1. April bis 31. Juli eine konsequente Leinenpflicht im Wald und bis zu 50 Metern um den Wald. Denn während der Brut- und Setzzeit im Frühling und im Sommer sind Wildtiere besonders anfällig für Störungen und Gefahren. «Insbesondere sind das Bodenbrüter und andere Wildtiere, die schutzlos am Boden verharren», sagt Schönmann. «Weil sie keinen Fluchtinstinkt haben, können sie von freilaufenden Hunden attackiert und verletzt werden.»
Kitze sterben qualvoll
Oft bemerken das Hundehalter nicht mal: «Viele Kitze oder Jungtiere werden nicht gefunden und sterben eines qualvollen Todes», so der Jagdaufseher. «Darum sind wir froh um jeden Hundebesitzer, der Verantwortung übernimmt und einen solchen Vorfall meldet.» Wer der Meldepflicht nicht nachkommt, macht sich unter Umständen wegen fahrlässiger Tierquälerei strafbar.
«Wenn wir die verletzten Tiere finden, können wir sie vom Leiden erlösen», so Schönmann. In den letzten 5 Jahren wurden im Kanton Zürich rund 570 Wildtiere durch Hunde gerissen. Mit knapp 88 Prozent waren mehrheitlich Rehe betroffen. Man rechnet beim Kanton jedoch mit einer hohen Dunkelziffer. Dank der neuen Leinenpflicht hofft man, dass es zu weniger Rissen kommt. Wer gegen die Leinenpflicht verstösst, kann mit 60 Franken gebüsst werden.
Nicht bei allen Hündelern macht man sich mit dem neuen Gesetz beliebt. Kritisch äussern sich die Hundebotschafter Heliane (75) und Ancillo Canepa (69). «Ich kann den Wunsch, Jungtiere im Wald während der kritischen Periode schützen zu wollen, durchaus nachvollziehen», sagt Ancillo Canepa. Aber man müsse den temporären Leinenzwang differenzieren. Der Waldabstand von 50 Metern sei willkürlich, und: «Nicht in jedem Waldstück gibt es gefährdete Jungtiere.»
Die Canepas haben zwei weisse Schäferhunde und würden bei einem generellen Leinenzwang sogar einen Wegzug aus dem Kanton Zürich in Erwägung ziehen: «Niemand möchte beim Spaziergang ständig angebunden sein.» Vorher würden die Canepas aber sämtliche rechtlich-demokratischen Möglichkeiten ausschöpfen: «Ich bin sicher, dass ich die Unterstützung von mehreren Tausend Hundehaltern in Kanton Zürich bekommen würde.»
Kluft zwischen Stadt und Land
Punkto Hundehaltung herrscht Kantönligeist, ein einheitliches Gesetz gibt es nicht. Das wäre zwar wünschenswert, aber laut Andreas Rogger (57), Geschäftsführer der Schweizerischen Kynologischen Gesellschaft (SKG) kaum umsetzbar. «Die Bedürfnisse von Halter und Hund sind nach Regionen unterschiedlich, vor allem zwischen Stadt und Land gibt es eine Kluft.» Tendenziell ist die Leinenpflicht in kleinen und dicht besiedelten Kantonen strenger, so wie in Genf oder Basel-Stadt. Auch im Kanton Schwyz und im Tessin gibt es nur beschränkte Freilaufzonen. «Am meisten Freiheiten geniessen Hündeler und ihre Halter im Thurgau und im Jura. Dort gibt es am wenigsten Vorschriften.»
Die Regelung für die Brut- und Setzzeit im Frühling gilt überall in der Schweiz, sie werde bloss unterschiedlich umgesetzt. Sinnvoll findet das auch Tierschützerin Susy Utzinger (50), die selber vier Hunde hat und erfahrene Trainerin ist: «Viele Hündeler hören es nicht gerne, aber die meisten Hunde haben einen Jagdtrieb.» Bei manchen sei er stärker, bei manchen weniger ausgeprägt. «Das liegt in der Natur des Hundes und man kann und soll ihm das auch nicht abgewöhnen.» Zwar können erfahrene Halter einen Abruf trainieren, aber der komme meist zu spät: «Hunde riechen das Wild lange bevor wir es bemerken, darum ist diese Regelung sinnvoll.»