Hormoncoaches in der Schweiz
Ärztin warnt vor falscher Hormontherapie in den Wechseljahren

Hormonberaterinnen versprechen Hilfe bei Wechseljahresbeschwerden. Doch oft sind ihre Qualifikationen dafür unklar. Petra Stute vom Inselspital Bern warnt vor gesundheitlichen Risiken unsachgemässer Hormontherapien und fordert ärztliche Kontrolle.
Publiziert: 09.09.2024 um 20:04 Uhr
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Frauen mit Wechseljahresbeschwerden suchen Hilfe bei Hormonberaterinnen.
Foto: Shutterstock

Auf einen Blick

  • Hormoncoaches weisen häufig nicht aus, wo sie sich ausgebildet haben
  • Falsche Hormonanwendung kann Krebsrisiko und andere Gesundheitsprobleme erhöhen
  • Bioidentische Hormone sind in der Schweiz nur mit ärztlichem Rezept erhältlich
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Karen SchärerTeamlead Gesellschaft

Die Patientin mit Wechseljahresbeschwerden hatte klare Vorstellungen. In der Sprechstunde verlangte sie von ihrer Gynäkologin ein Rezept für ein bestimmtes Hormon. Die Patientin erklärte, ihre Hormonberaterin habe ihr angeraten, das Medikament einzunehmen. Solche Situationen erlebt die Ärztin derzeit häufiger.

Hormonberatung: Wer den Begriff googelt, bekommt Dutzende Treffer in der Schweiz. Die Anbieterinnen nennen sich Hormoncoach oder Hormonberaterin. Mit Blick auf die Wechseljahre versprechen sie, hormonelle Probleme mit einem ganzheitlichen Ansatz, etwa «durch hormonfreundliche Ernährung, mit gezielter Bewegungsroutine und positivem Mindset», auszugleichen. Wie das oben erwähnte Beispiel aus dem Kanton Aargau zeigt, geht die Beratung aber bisweilen auch in medizinische Bereiche über. 

Das ist problematisch, denn: Hormoncoach ist kein geschützter Begriff – jede Person kann sich diesen Titel verleihen. Viele Hormoncoaches weisen auf ihren Websites nicht aus, wo sie sich ihr Wissen angeeignet haben. So ist nicht ersichtlich, wie viel Hand und Fuss die Beratung tatsächlich hat.

Ärztin: «Umfassendes medizinisches Wissen erforderlich»

Auf Hormone spezialisiert ist hingegen Petra Stute vom Inselspital Bern. Sie ist Leitende Ärztin und stellvertretende Chefärztin Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin. Was hält sie von Hormoncoaches? Per Mail antwortet Petra Stute: «Grundsätzlich ist es positiv, dass Frauen mit Wechseljahresbeschwerden Unterstützung und Beratung erhalten. Jedoch ist es wichtig, dass das durch qualifizierte Fachpersonen geschieht.»

Sie hält weiter fest: «Die Erstellung eines Therapieplans und die Empfehlung von Medikamenten sollten ausschliesslich durch Ärztinnen oder Ärzte erfolgen.» Die Diagnose und Behandlung von hormonellen Störungen erfordere ein umfassendes medizinisches Wissen und jahrelange Erfahrung.

Hormonberaterin: «Es ist ganz einfach»

Diese Einschätzung teilen offenbar manche Hormoncoaches nicht. Als «Hormonfachfrau» bezeichnet sich eine Anbieterin, die bereit ist, anonym Auskunft zu erteilen. Sie habe Kurse belegt und sich viel Wissen im Selbststudium angeeignet. Die Hormonberatung bezeichnet sie als «ganz einfach». Sie behandle nach Alter und Symptomen. «Sei es mit einem Phytohormon, also pflanzlich, oder mit bioidentischen Hormonen», schreibt sie auf ihrer Website. 

Wichtig zu wissen: Bioidentische Hormone sind in der Schweiz nur mit ärztlichem Rezept erhältlich. Auch diese Hormonberaterin schickt ihre Patientinnen deshalb jeweils zur Gynäkologin, um ein bestimmtes Rezept zu holen.

Sie sieht sich als Ergänzung zur Ärztin. Zu ihr kämen Frauen, die in der Ärzteschaft kein Gehör finden, aber auch solche, die Hormone nehmen. «Das Problem ist mit dem Hormonrezept nicht gelöst; das ist nicht ganzheitlich. Ich schaue die Organe an, die Ernährung, das Sport- und Schlafverhalten, das psychische Wohlbefinden.» Sie helfe den Frauen, «die ganze Sache zu büscheln».

Falsche Anwendung erhöht Krebsrisiko

Die eingangs erwähnte Gynäkologin – die hier nicht namentlich genannt wird, um keine Rückschlüsse durch Patientinnen zu ermöglichen – berichtet von einer Frau, die sich nach einer nicht-ärztlichen Hormonberatung selbst eine Östrogensalbe im Ausland bestellt hatte. Die Ärztin klärte sie dann darüber auf, dass es gefährlich sei, bei Frauen mit intakter Gebärmutter nur Östrogen allein ohne Gestagen zu nehmen. Das könnte das Risiko für Krebs der Gebärmutterschleimhaut erhöhen. Ein Fakt, der der Hormonberaterin besagter Frau offenbar nicht bekannt ist.

Vor unsachgemässer Anwendung von Hormonen warnt auch Endokrinologin Petra Stute vom Inselspital: «Eine unnötige oder falsche Hormoneinnahme kann ernsthafte gesundheitliche Folgen haben. Dazu gehört ein erhöhtes Risiko für Thrombosen, Schlaganfälle, Herzinfarkte und bestimmte Krebsarten.» Es brauche nicht nur eine sorgfältige Abklärung, schreibt Stute, sondern auch eine ärztliche Aufsicht der Hormontherapie.

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