Wer weiss, wem der Sessel einst gehörte, auf dem Sabine Reusser (44) gerade sitzt. Es ist ein hübscher Ohrensessel, bezogen mit olivgrünem Samt. Schon seit 17 Jahren gibt es das Basler Brockenhaus auf dem Wolf, seit zehn Jahren hat es Reusser zusammen mit einem Kollegen, Christoph Zehnder (38), übernommen. «Nach wie vor machen wir das mit grosser Leidenschaft», sagt sie und nimmt einen Schluck Mineral.
Ein älteres Paar schlendert vorbei und schaut sich ein hölzernes Fernseh-Tischli an. Ein junger Mann hat neonfarbene Shirts und einen Faserpelz gekauft, eine Frau ist auf der Suche nach einer Lampe. Hier ist ziemlich viel los an diesem Dienstagnachmittag. «Wir haben viel mehr Kundinnen und Kunden als früher», bestätigt Reusser. Denn Brockenhäuser und Secondhand-Läden boomen.
Krieg, Pandemie und die gestiegenen Energiekosten treiben die Preise in die Höhe. Im September ist die Teuerung nach einem halben Jahr wieder auf 1,7 Prozent geklettert. Die gestiegenen Preise treiben die Menschen ins Brocki, wo sie immerhin etwas Geld sparen können. Doch nicht nur das: «Auch der Nachhaltigkeitsgedanke ist in den letzten Jahren extrem gewachsen», so Reusser. Sie hat unterdessen 30 Angestellte. Auch bei der Heilsarmee und Hiob, zwei der grössten Brocki-Betreiber, hat die Nachfrage 2022 um rund zehn Prozent zugenommen. Tendenz steigend.
Windeln, Werkzeug und Putzmittel
Nach Billy-Regalen von Ikea sucht man im Erdgeschoss vergebens. Vor den Ledersofas steht eine antike Truhe, daneben Lampen und, schön aufgereiht, Weingläser und Cocktailgläser. Aus der Vitrine schimmert der Goldschmuck. Einen Stock tiefer hängen Regale voller Kleider, in der Ecke stehen die Haushaltsgeräte. Draussen in der Sonne gibt es Blumentöpfe, Vasen und Pflanzen.
«In den meisten Brockis ist das Angebot sehr gross», sagt Reusser. Deshalb sollten Besucherinnen und Besucher genug Zeit mitbringen, «ich würde sagen, die meisten bleiben mindestens eine Stunde.» Ihr Tipp: Sich ganz gemütlich durchstöbern, hin und wieder eine Pause machen und sich setzen.
Beim Brockenhaus würden die meisten Leute an Kleider denken. Klar, besonders bei den Jüngeren sind sie heiss begehrt. Vor allem bei Marken lasse sich hier sparen: Letztens verkaufte Reussers Team hier eine begehrte Montcler-Jacke für hundert Franken. Neupreis: mindestens zehn Mal so hoch.
Doch das grosse Sparpotenzial verstecke sich bei Putzmittel oder Werkzeug: «Kaum habe ich das aufgefüllt, haben es die Leute schon wieder leergekauft, so beliebt sind sie», weiss die Inhaberin. Zum Beispiel Küchen- oder Badreiniger, dazu allerlei Schräubchen, Hammer oder Nägel für den Werkzeugkasten. Auch Windeln für Erwachsene verkauft Reusser sehr viele. Küchengeräte oder Elektronikartikel sind im Brocki Dauerbrenner: Mixer, Sodastreams, Abwaschmaschinen, Radio, Fernseher, Staubsauger.
Reusser gefällt an ihrem Geschäft, dass sich hier Menschen allen Alters und aller Schichten treffen: Vom hippen Modestudenten über den Sozialhilfebezüger bis hin zur Professorin. «Das ist wirklich alles dabei, queerbeet.» Ein Besuch lohne sich, wenn man etwas Spezielles suche: «Hier gibt es keine Massenproduktionen, nur Einzelstücke – das ist das Schöne daran.»