Blick-Autorin hatte eine Woche lange ein Vermögen am Handgelenk
Warum es schwierig ist, eine teure Uhr zu tragen

Während viele gerade freiwillig für die Swatch-Blancpain-Uhr anstanden, musste ich neulich eine richtig teure Uhr hüten. Das war schwieriger als gedacht. Denn der Luxus brachte viele Fragen mit sich.
Publiziert: 18.09.2023 um 19:19 Uhr
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Aktualisiert: 20.09.2023 um 10:23 Uhr
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Teure Uhren sind beliebt, besonders jene aus der Schweiz.
Foto: Getty Images/PhotoAlto
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Aleksandra HiltmannRedaktorin Gesellschaft

Mit dem Hüten von Pflanzen, Haustieren und mittlerweile sogar Kindern kenne ich mich aus. Die Anfrage, eine Uhr zu hüten, hat mich dennoch überrascht.

Die Uhr müsse in Bewegung bleiben, meinte die Besitzerin, sonst gerate sie aus dem Takt. Auf ihre Reise könne sie das gute Stück nicht mitnehmen. «Ich leg sie dir am besten gleich an.»

Es gibt ja Dinge, die werden leichter, je teurer sie sind. Triathlonvelos, Daunenjacken, Wanderschuhe. Nicht so diese Uhr. Kaum am Handgelenk, spüre ich ihr Gewicht. Im wörtlichen und bald auch im übertragenen Sinn.

Auf die Frage, wie viel sie gekostet hat, erhalte ich keine Antwort. Also viel. Das macht mich nervös. Die Besitzerin verreist trotzdem. Und ich sitze da und starre auf mein Handgelenk.

Erst kremple ich den Ärmel meines Hemds hoch. Nichts soll diese kostbare Uhr berühren. Dann aber kremple ich den Ärmel gleich wieder runter und ziehe ihn über die Uhr - was, wenn ich sie mit etwas zerkratze?

Aber gehört dieses Hemd überhaupt über die Uhr? Es ist von H&M, Fast Fashion, Exklusivität: null. Ich schaue mich um. Irgendwie passt mein ganzes Leben nicht zu dieser Uhr. Sie ist wohl teurer als all unsere Möbel zusammen.

Was bedeutet Luxus überhaupt?

In meinen Vorurteilen leben Leute, die solche Uhren tragen, in weissen Villen mit Marmorboden und grossen Balkonen mit unverbautem Seeblick, sitzen auf Eames-Chairs und schlafen in Seide. Sie tragen Gucci, Fendi und Chanel, arbeiten nicht für weniger als 20’000 Franken im Monat und kaufen ausschliesslich bei Globus Delicatessa ein.

Die Person, die mir diese Uhr zum Hüten gab, ist aber gar nicht so, wie es meine Vorurteile mir sagen. Sie ist wie ich. Vielleicht also habe ich ein verkorkstes Verhältnis zu Luxus? Was bedeutet Luxus überhaupt?

Der Duden meint: «kostspieliger, verschwenderischer, den normalen Rahmen (der Lebenshaltung o. Ä.) übersteigender, nicht notwendiger, nur zum Vergnügen betriebener Aufwand; Pracht, verschwenderische Fülle.»

«Längst bedeutet Luxus keinen verschwenderischen Konsum mehr», schreibt hingegen das Trendmagazin «House von Eden». Die neue Definition von Luxus drehe sich um Werte und Verantwortung.

Die Exporte von Schweizer Luxusuhren würden sich seit Jahren auf demselben Niveau bewegen, schreiben zwei Autoren des deutsch-österreichischen Thinktanks Zukunftsinstitut, zwischen 12 und 13 Milliarden Franken. Zwar prophezeit der Thinktank den Niedergang des Luxus. Das Gegenteil scheint aber der Fall: Luxus – alive and kicking. Warum eigentlich?

Luxus habe eine «identitätsstiftende Kraft», schreiben die Autoren des Zukunftsinstituts. Kauften sich Leute Dinge wie Schmuck, Yachten, Sportwagen oder Ähnliches, würden sie sich Persönlichkeitsmerkmale wie reich, mächtig, schön, gebildet oder jung attribuieren.

Bei den Attributen frage ich mich, ob das andere bereits für mich übernommen haben, wenn sie an mein Handgelenk schauen und mir dann einen gewissen Lebensstil, Kontostand oder Lifestyle andichten. Diese Vorstellung belustigt mich. Oder reizt sie mich?

Einfach aus purer Freude

Ich stelle mir vor, wie die Uhr und ich anstatt mit dem Tram zur Arbeit im Privatjet auf meine Privatinsel fliegen. Beginne ich den gefühlten und doch auch echten Glanz dieser Uhr gerade zu geniessen, sogar, ohne auch nur einen Bruchteil des vorgestellten Luxus von Jet und Insel zu besitzen?

Vielleicht ist das ja der Sinn dieser Uhr. Ein Stück Glamour für mich ganz alleine – und meine Fantasie.

«Ich fand die Uhr einfach hot», schreibt mir die Besitzerin. «Der Wert kommt nicht davon, was du dafür zahlst, sondern davon, welche Freude du daran hast.» Und sie habe grosse Freude daran. Jeden Tag.

Ich hingegen vergesse, die Uhr nach dem dritten Tag anzuziehen. Und so bleibt sie vorübergehend stehen. Ich fürchte, dass ich eine teure Reparatur verursacht habe, bin gestresst und am Ende froh, als ich das Ding zurückgeben kann.

Meinen Luxus werde ich wohl in etwas anderem finden als einer teuren Uhr. Vorerst investiere ich in teure, tierfreundlich hergestellte Merinoshirts.

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