Berge in der Kultur
«Alperose», «Höhenfeuer» und «Der Franzos im Ybrig»

Vom Gesang zum Gemälde, vom Buch auf die Bühne: Berge prägen die Künste auf vielen Ebenen. Ein Schweizer Panorama der kulturellen Gipfel.
Publiziert: 05.10.2024 um 12:11 Uhr

Auf einen Blick

  • Max Frisch verehrt Albin Zollinger
  • Ferdinand Hodler malte die Dents-du-Midi
  • Roman Signers Installation an 115 Meter hoher Staumauer
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Daniel ArnetRedaktor Gesellschaft / Magazin

853 m ü. M. – Roman «Pfannenstiel» von Albin Zollinger

«Nie werde ich über den Pfannenstiel wandern», schreibt der Schweizer Schriftsteller Max Frisch (1911–1991) im «Tagebuch 1946–1949», «ohne dass ich länger oder kürzer an den Dichter denke, den ich von allen zeitgenössischen Landsleuten am meisten liebe, nämlich Albin Zollinger, der diese Landschaft ein für alle Mal dargestellt hat.»

«Pfannenstiel» (1940) heisst der Roman des Zürcher Dichters Zollinger (1895–1941), in dem sich ein Bildhauer auf dem Höhenzug an der rechten Zürichsee-Seite ein Häuschen baut und in die dörfliche Gemeinschaft zurückzieht. 1941 trifft der junge Frisch nach einer Pfannenstiel-Wanderung im Restaurant Buech ob Herrliberg auf Zollinger und spricht ihn an. Der Verehrer ist heute berühmt, der Verehrte zu Unrecht vergessen.

3258 m ü. M. – Gemälde «Dents-du-Midi» von Ferdinand Hodler

In Bern geboren, zieht es den Schweizer Künstler Ferdinand Hodler (1853–1918) schon als Teenager nach Genf. Dort malt er Firmenschilder und kopiert Gemälde aus dem Musée Rath, wo man sein Talent erkennt. Er entwickelt sich zum versierten Landschaftsmaler und verewigt den Genfersee und seine Umgebung auf manchen seiner Ölgemälde.

Neben dem Mont Blanc hinter dem Genfersee hat es ihm vor allem das Dents-du-Midi-Gebirgsmassiv im Wallis bei der Rhône-Mündung angetan. Ab 1916 hält er sich in Champéry VS auf, um seinen an Tuberkulose erkrankten Sohn Hector (1887–1920) zu begleiten, der in Leysin VD zur Behandlung ist. Hodler malt «Les Dents du Midi» sowie «Les Dents du Midi depuis Champéry» – ein Hauptwerk des Künstlers, das heute in Privatbesitz ist.

Foto: IMAGO/Heritage Images

1114 m ü. M. – Film «Höhenfeuer» von Fredi M. Murer

«Höhenfeuer» ist ein Höhepunkt des Schweizer Filmschaffens: Die tödliche Geschichte der Geschwister Belli und Bub, die Inzest begehen, worauf der wütende Vater zur Jagdflinte greift, berührt fast 40 Jahre nach der Kinopremiere immer noch. Einmal gesehen, gehen einem die magischen Bilder des entlegenen Hofs weit oben in den Bergen nie mehr aus dem Kopf.

Hauptdrehort ist die Alp Wasserplatten ob Silenen UR. Die Urner Bergwelt prägt das Schaffen des in Altdorf aufgewachsenen Regisseurs Fredi M. Murer (84, «Vitus»). Immer wieder greift er Motive aus dieser Gegend auf und stellt die Bewohnerinnen und Bewohner mit viel Liebe und Zurückhaltung dar. 2019 bekommt er für sein Schaffen den Preis für sein Lebenswerk am Locarno Film Festival, 2022 die Ehrenauszeichnung des Schweizer Filmpreises.

3660 m ü. M. – Song «Alperose» von Polo Hofer und der Schmetterband

«Blüemlisalp ire Summernacht / Nachdäm i ha e Bärgtour gmacht, / Da ha’ se troffe vor de Hütte us / Sie het Wasser ghold für ne Bluemeschtruus.» So beginnt der Song «Alperose» von Polo «National» Hofer (1945–2017) und Hanery Amman (1952–2017). Im Lied geht es um eine anschliessende Liebesnacht auf dem Heu im leeren Stall.

Obwohl der Song ab dem Album «Giggerig» (1985) von Polo und die Schmetterband nie als Single herauskommt, ist er neben «Kiosk» aus der Rumpelstilz-Zeit die erfolgreichste Komposition von Hofer und Amman: 2006 wählt das Schweizer Fernsehpublikum «Alperose» zum «grössten Schweizer Hit aller Zeiten», und 2012 kommt ein Musical mit dem Titel «Alperose» zur Aufführung. 

Foto: Paolo Foschini

2823 m ü. M – Installation «Piaggio an der Mauer» von Roman Signer

Es ist ein physikalisches Gesetz: Was raufsteigt, kommt irgendwann auch wieder runter. Am anschaulichsten stellt das der Schweizer Künstler Roman Signer (86) in seiner Installation «Piaggio an der Mauer» (2017) dar, in der ein dreirädriges Fahrzeug an der 115 Meter hohen Staumauer des Lägh da l’Albigna im Bergell GR hängt. Den Namen hat der See vom benachbarten Punt da l’Albigna.

Der blaue Piaggio ist in Signers Werk schon seit den 1990er Jahren präsent – mal zum Brunnen umfunktioniert («Fontana die Piaggio», 1995), mal senkrecht auf der Heckfläche stehend («Flex Sil Reloaded», 2013; «Start», 2014). Wie bei letztgenannter Arbeit ist der an der Staumauer hängende Piaggio statisch. Doch das drohende Ereignis – die Wirkung der physikalischen Erdanziehungskraft – liegt in der Luft.

3967 m ü. M. – Film «Die Nordwand» von Philipp Stölzl

Nordwand und Mordwand reimen sich nicht zufällig – unzählige Male wollten Bergsteiger den Eiger von Grindelwald BE her bezwingen und häufig endeten die steilen Aufstiege mit tödlichen Abstürzen. So auch der Erstbesteigungsversuch der zwei Zweierseilschaften aus Deutschland (Toni Kurz und Andreas Hinterstoisser) und Österreich (Willy Angerer und Edi Rainer) im Sommer 1936.

Der deutsche Regisseur Philipp Stölzl (57) verfilmt diese dramatischen Ereignisse in «Nordwand» (2008) mit dem deutschen Charakterdarsteller Benno Fürmann (52) als Toni Kurz in einer Hauptrolle. Er starb als letzter der vier Bergsteiger – in den Seilen hängend vor den Augen der hilflosen Retter. 1938 machten sich wiederum zwei Deutsche und zwei Österreicher an die Erstbesteigung der Eiger-Nordwand, doch dieses Mal gelang sie.

1283 m ü. M.: «Guggisberglied» von Stephan Eicher

Die traurige Liebesgeschichte zwischen Vreneli und Hans-Joggeli «änet dem Bärg» ist wohl das bekannteste Schweizer Volkslied: Die Tochter vom Linden-Hof in Guggisberg BE hat früh ihren Vater verloren und soll den Sohn vom Zelg-Hof weiter unten heiraten. Doch Vreneli hat ihr Herz an Hans-Joggeli im Wahlenhaus gut einen Kilometer hinter dem Guggershorn verloren.

Das «Alte Gugisberger Lied» findet erstmals 1741 Erwähnung, das erste gedruckte Notenblatt der schlicht-feierlichen Moll-Weise geht auf das Jahr 1818 zurück. Seither haben sich von klassischen Komponisten (Rolf Liebermann in der «Suite über 6 schweizerische Volkslieder» 1947) bis zu Rap-Musikerinnen (Steff la Cheffe «Guggisbärglied» 2018) daran versucht. Doch die berühmteste Version stammt wohl von Stephan Eicher (64) vom Album «My Place» (1989). 

1830 m ü. M.: Theaterstück «Der Franzos im Ybrig» von Thomas Hürlimann

Wilde Maa heisst die Bergstation einer Sesselbahn im Hoch-Ybrig. Hierhin haben sich 1798 die Männer zurückgezogen, als Napoleons Truppen die alte Eidgenossenschaft besetzten. Derweil haben sich die Frauen unten im Tal schmuddelig gemacht, sodass sich die Besatzer mit Grausen abwenden. Doch dann liessen sich die Frauen vom französischen Charme einlullen.

Ausgehend von einem Schwank eines Pfarrers aus Einsiedeln SZ schreibt der Schweizer Schriftsteller Thomas Hürlimann (73) eine spritzig-witzige Komödie, die 1991 in Einsiedeln zur Uraufführung kommt. 1995 kommt es im Schauspielhaus Zürich erfolgreich auf die Bühne. Und in der Spielzeit 2025/26 plant das Casino-Theater Zug eine Inszenierung des Stücks zu Ehren des 75. Geburtstags von Hürlimann.

Foto: Keystone


 

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