«Luca war extrem manipulativ. Ich habe ihn ja gar nicht betrogen. Aber er konnte so lange auf mich einreden, dass ich das Gefühl hatte, etwas Falsches gemacht zu haben.»
Das erzählt Elena, 18, die eigentlich anders heisst. «Ich hielt aus», sagt sie. Auch wenn sie die Situation mit Luca viel Energie kostete, sie diejenige war, die sich entschuldigen musste, obwohl er sie beschimpfte, ihre Freunde bedrohte, eifersüchtig war, ihre Kleider zerschnitt und sie nach und nach von ihrem Umfeld isolierte.
Was Elena im Buch «Genauso, nur anders» den beiden Schweizer Autorinnen Salome Müller und Andrea Arezina schilderte, gilt als psychische Gewalt. Und die steht dieses Jahr im Fokus der internationalen Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen», die aktuell läuft und an der sich auch die Schweiz beteiligt.
«Über 40 Prozent der Frauen in Europa sind betroffen von psychischen Gewalterfahrungen», schreiben die Kampagnenverantwortlichen online.
Was ist psychische Gewalt?
«Wenn Männer zuschlagen, haben sie zuvor in den meisten Fällen bereits über Monate hinweg psychische Gewalt ausgeübt», sagt Pia Allemann, Co-Geschäftleiterin der Beratungsstelle für Frauen gegen Gewalt in Ehe und Partnerschaft BIF.
Psychische Gewalt zählt neben körperlicher und sexueller zu einer Form von häuslicher Gewalt. Sie beginne oft schleichend, so Allemann, und sei gerade deshalb tückisch.
«Vielleicht sagt der Freund zu Beginn der Beziehung so etwas wie: Wir wollten uns doch einen schönen Abend zu zweit machen, du kannst deine Freundinnen ein anderes Mal treffen.» Erst später erkennt die Frau, dass dies bereits ein erster Versuch war, sie zu isolieren.
Die Plattform «#withyou» hat zusammen mit Fachpersonen und Betroffenen einen Fragebogen entwickelt, mit dem man toxische Dynamiken in Beziehungen erkennen kann. Ziel ist es, dass sich Betroffene frühzeitig Hilfe holen können.
#With you wurde vom Verein «Tech against Violence» lanciert.
Hier geht es zum Fragebogen: «15 Fragen zur Gesundheit einer Beziehung».
Die Plattform «#withyou» hat zusammen mit Fachpersonen und Betroffenen einen Fragebogen entwickelt, mit dem man toxische Dynamiken in Beziehungen erkennen kann. Ziel ist es, dass sich Betroffene frühzeitig Hilfe holen können.
#With you wurde vom Verein «Tech against Violence» lanciert.
Hier geht es zum Fragebogen: «15 Fragen zur Gesundheit einer Beziehung».
Psychische Gewalt kann auf verschiedene Arten ausgeübt werden, wie Fachorganisationen aus dem deutschsprachigen Raum aufzeigen – Beleidigungen, Drohungen, Einschüchterungen, Demütigungen, Anschreien, Abwertungen, eifersüchtiges Verhalten, Erzeugen von Schuldgefühlen, Zerstören von Gegenständen, Kontrolle über soziale Kontakte und Geld, Verbote, Stalking.
Die Zahlen des Bundesamtes für Statistik für 2022 zeigen: Von allen polizeilich registrierten Straftaten im häuslichen Bereich machen Drohungen und Beschimpfungen zusammen über ein Drittel der Fälle aus.
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Auch Kontrolle sei eine Form von Gewalt, die in praktisch allen Fällen häuslicher Gewalt eine Rolle spiele, sagt Pia Allemann. Manchmal sehr offensichtlich, mit Fragen wie «Wo warst du?», «Mit wem?» «Manche Männer wollen per Anruf mithören, wenn sich ihre Freundin mit ihren Kolleginnen trifft oder verlangen Kontrollfotos aus dem besuchten Restaurant.» Wieder andere würden ihre Partnerinnen heimlich kontrollieren, per Tracking-Apps auf dem Handy oder Trackern, die sie in Handtaschen verstecken.
Welche Folgen hat psychische Gewalt?
Psychische Gewalt kann für Betroffene verheerende und langfristige Folgen haben. Sie kann traumatisierend sein und zu Traumafolgestörungen führen, halten wissenschaftliche Studien und Berichte von Fachorganisationen fest. Weiter können Betroffene unter Depressionen, Angststörungen, Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Albträumen und Essstörungen leiden.
«Psychische Gewalt zerstört den Selbstwert von Betroffenen massiv», sagt Pia Allemann. Der Partner gibt seiner Freundin über Monate oder Jahre das Gefühl, dass sie nichts wert ist und sich alle von ihr abgewandt hätten, ausser er – obwohl er es war, der sie isolierte. Eine äusserst perfide Form der Gewalt und Manipulation, so Allemann. Betroffene würden psychische Gewalt oft als schlimmer empfinden als tätliche Angriffe.
Wann brechen Betroffene aus?
An welchem Punkt sich einige Betroffene dann doch dazu entscheiden, aus der Situation auszubrechen, sei sehr unterschiedlich. «Bei den einen ist es wegen der Kinder, wenn die Frauen feststellen, dass sie von ihnen beschimpft werden, weil sie das Verhalten des Vaters übernehmen.» In anderen Fällen macht die Schule einen ersten Schritt, weil das Kind etwas erzählt oder eine Lehrperson ein auffälliges Verhalten bei den Kindern feststellt.
In vielen Fällen wenden sich Frauen an Beratungs- und Opferhilfestellen, wenn sie erstmals körperliche Gewalt erleben. «Das ist wie eine Grenze, die überschritten wird», so Pia Allemann, auch wenn sie danach von den Betroffenen hört, wie diese bereits über eine lange Zeit unter teils massiver psychischer Gewalt gelitten hätten.
Auch das Umfeld kann eine Wende auslösen, wenn jemand eine Betroffene direkt anspricht und ihr das Verhalten des Partners spiegelt. Das könne zu einem «Erwachen» führen.
Hilfe für Betroffene
Konkret empfiehlt Pia Allemann Betroffenen Folgendes: Freundinnen treffen und darüber reden, Fachstellen aufsuchen, die Gewalt möglichst gut dokumentieren und der eigenen Wahrnehmung trauen.
Leute aus dem Umfeld können zuhören und signalisieren, dass sie für Betroffene da sind. Auch sie können sich an Fachstellen wenden.
Strategien für Betroffene
- Raus aus der Isolation: Kontakte zu Freundinnen und zur Familie wieder aktivieren und mit andern über die eigene Situation sprechen.
- Fachstelle aufsuchen oder Informationen im Internet suchen; sich online mit anderen Betroffenen austauschen.
- Schutzplan ausarbeiten: Meist merkt der Partner, wenn sich im Verhalten der Betroffenen etwas verändert, wenn sie etwa wieder Kontakte mit anderen Leuten knüpft oder nach Informationen sucht. Das kann die Bedrohung erhöhen. In Beratungen mit Fachstellen können Betroffene entsprechend einen Schutzplan ausarbeiten. Dazu kann gehören, dass sie abklären, ob das Verhalten des Partners strafrechtlich relevant ist. Das kann die Möglichkeit einer Anzeige und somit Massnahmen wie eines Rayons- oder Kontaktverbotes bieten. Der Plan kann beinhalten, dass man kurzfristig in eine eigene Wohnung umzieht oder bei einer Bekannten untertaucht. Auch ein Frauenhaus bietet Schutz. So kommt man aus dem Einflussgebiet des Partners raus und kann nächste Schritte planen.
- Vorfälle dokumentieren: Das kann für Frauen wichtig sein, die es noch nicht schaffen, den Partner zu verlassen. Doch sie können seine Taten beschreiben, festhalten, getätigte Kontrollanrufe screenshotten, eine Art Tagebuch führen.
- Sich ein zweites Handy zulegen: Damit man die Vorfälle sicherer dokumentieren kann, hilft ein zweites Handy, auf das der Partner keinen Zugriff hat.
So kann das Umfeld helfen
- Ansprechen, aber im richtigen Moment: Sorgt man sich um eine Freundin, sollte man sie ansprechen – aber in einem sicheren Moment, wenn der Partner nicht vor Ort ist. Dabei kann man vom eigenen Erleben ausgehen: «Ich habe den Eindruck, dass es dir in der Beziehung nicht gut geht. Ich habe mitbekommen, wie er dich beschimpft. Magst du erzählen? Ich bin für dich da.»
- Verständnis zeigen: Oft ist es für Betroffene ein langer Prozess, sich aus einer gewaltvollen Beziehung zu lösen. Dennoch sollte man deshalb die Unterstützung nicht zurückziehen, sondern weiterhin signalisieren, dass man ein offenes Ohr hat.
- Sich selbst Hilfe holen: Beratungsstellen sind auch für Angehörige von Gewaltbetroffenen da.
Strategien für Betroffene
- Raus aus der Isolation: Kontakte zu Freundinnen und zur Familie wieder aktivieren und mit andern über die eigene Situation sprechen.
- Fachstelle aufsuchen oder Informationen im Internet suchen; sich online mit anderen Betroffenen austauschen.
- Schutzplan ausarbeiten: Meist merkt der Partner, wenn sich im Verhalten der Betroffenen etwas verändert, wenn sie etwa wieder Kontakte mit anderen Leuten knüpft oder nach Informationen sucht. Das kann die Bedrohung erhöhen. In Beratungen mit Fachstellen können Betroffene entsprechend einen Schutzplan ausarbeiten. Dazu kann gehören, dass sie abklären, ob das Verhalten des Partners strafrechtlich relevant ist. Das kann die Möglichkeit einer Anzeige und somit Massnahmen wie eines Rayons- oder Kontaktverbotes bieten. Der Plan kann beinhalten, dass man kurzfristig in eine eigene Wohnung umzieht oder bei einer Bekannten untertaucht. Auch ein Frauenhaus bietet Schutz. So kommt man aus dem Einflussgebiet des Partners raus und kann nächste Schritte planen.
- Vorfälle dokumentieren: Das kann für Frauen wichtig sein, die es noch nicht schaffen, den Partner zu verlassen. Doch sie können seine Taten beschreiben, festhalten, getätigte Kontrollanrufe screenshotten, eine Art Tagebuch führen.
- Sich ein zweites Handy zulegen: Damit man die Vorfälle sicherer dokumentieren kann, hilft ein zweites Handy, auf das der Partner keinen Zugriff hat.
So kann das Umfeld helfen
- Ansprechen, aber im richtigen Moment: Sorgt man sich um eine Freundin, sollte man sie ansprechen – aber in einem sicheren Moment, wenn der Partner nicht vor Ort ist. Dabei kann man vom eigenen Erleben ausgehen: «Ich habe den Eindruck, dass es dir in der Beziehung nicht gut geht. Ich habe mitbekommen, wie er dich beschimpft. Magst du erzählen? Ich bin für dich da.»
- Verständnis zeigen: Oft ist es für Betroffene ein langer Prozess, sich aus einer gewaltvollen Beziehung zu lösen. Dennoch sollte man deshalb die Unterstützung nicht zurückziehen, sondern weiterhin signalisieren, dass man ein offenes Ohr hat.
- Sich selbst Hilfe holen: Beratungsstellen sind auch für Angehörige von Gewaltbetroffenen da.
Täter sollen ebenfalls spezialisierte Fachstellen aufsuchen und Programme gegen Gewalt absolvieren. Diesbezüglich ist Allemann jedoch wenig optimistisch. «Die, die zugänglich sind für Therapien und Gespräche, sind meist jene, die aus einer situativen Überforderung gewalttätig werden.» Täter aber, die gezielt und systematisch Gewalt ausüben, würden entsprechende Programme meist nur absolvieren, wenn sie im Rahmen eines Strafverfahrens dazu verpflichtet würden. Immerhin zeigten diese Programme Wirkung, so die Expertin.
Generell findet Pia Allemann Aufklärungskampagnen wichtig, spezifisch gegen psychische Gewalt. «Betroffene warten oft sehr lange, bis sie sich bei Beratungsstellen melden. Lieber einmal zu früh anrufen, als zu spät. Unsere Beratungen sind auch anonym und kostenlos möglich.»
Elena schaffte es schliesslich, sich von Luca zu trennen. Sie ging zur Polizei und später zur Opferhilfe. «Ich weiss auch viel genauer, worauf ich bei meinem nächsten Freund schaue: Fairness, Respekt, Ehrlichkeit, Wertschätzung. Einfühlungsvermögen, die Fähigkeit, sich verletzlich zu zeigen. Und Kommunikation.»